Tichys Einblick
Boxer handelt Frieden aus

Clankrieg auf Berlinerisch

In Berlin ist ein Clankrieg ausgebrochen. Ein Weltmeister im Schwergewicht hat angeblich einen Frieden vermittelt und die Polizei schaut zu. Die CDU stört sich währenddessen an ganz anderen Dingen.

Schlaege gegen die Clan Kriminalitaet Razzien gegen Spielhallen und Cafes in Neukoelln 2019

imago images / Olaf Wagner

Am Wochenende kam es in Berlin zu schweren Kämpfen zwischen einem libanesischem Clan und Tschetschenen. Elf Personen wurden durch Messerstiche, Schläge und Tritte verletzt, mehrere Tatverdächtige von der Polizei festgenommen, es wurde eine scharfe Schusswaffe gefunden. Besondere Sorge: Wie sich etwa vor einigen Monaten in Frankreich gezeigt hat, ist die Tschetschenische Community sehr mobilisierungsbereit. Zwar leben nur ca. 300.000 in Europa, sollte die Gewalt eskalieren, ist aber davon auszugehen, dass viele Tschetschenen ihren Landsmännern zu Hilfe eilen würden. Auch die Libanesen sollen über ähnliche Mobilisierungsmöglichkeiten verfügen. Soweit, so gewöhnlich für die Bundeshauptstadt. 

Sie denken jetzt vielleicht: ein klarer Fall für die Polizei. Aber Sie haben nicht bedacht, dass wir von Berlin reden. Hier werden die Dinge anders geregelt. Manuel Charr nahm die Sache dafür persönlich in die Hand, er ist Weltmeister im Schwergewicht und damit so eine Art de facto Innenminister, Chef des Vermittlungssausschusses und Pressesprecher des Landes Berlin in einem.

Der Box-Champion will vermittelt haben zwischen den verfeindeten Gruppen. „Wenn ich 1% Frieden erzeugen kann, dann bin ich als Friedensbotschafter unterwegs“, verkündete er auf Instagram. Der Friedensgipfel soll wohl erfolgreich gewesen sein. Nun könnte man meinen, es handele sich hier um Selbst- bzw. Paralleljustiz. Dabei ist natürlich alles im grünen Bereich. Der Berliner Security-Unternehmer Michael Kuhr informierte laut BZ das Landeskriminalamt von Berlin über das Treffen – per Sprachnachricht über WhatsApp (ja ich wusste auch nicht, dass man die Polizei so erreichen kann). 

Die Polizei weiß davon wiederum nichts: In einer Stellungnahme heißt es, „dass die Polizei Berlin keine Absprachen mit Herr Charr geführt beziehungsweise getroffen hat. Zudem ist es auch nicht bekannt, ob Herr Charr tatsächlich in der von ihm behaupteten Funktion zwischen den Konfliktparteien auftritt oder aufgetreten ist“. Charr behauptet gegenüber seinen knapp 78.000 Instagram-Abonennten trotzdem: „peace in berlin Al Hamdullah es war keine Selbstjustiz sondern alles in Absprache mit der Polizei und meinem Freund Micheal Kuhr.“
Kuhr (der mit der Sprachmemo) fiel bisher mit Äußerungen wie „Die stärkste Gang in der Stadt ist die Berliner Polizei!“ auf. Schön wärs, kann ich dazu nur sagen. 

Screenprint: Cover B.Z. Berlin, 13.11.2020

Charr soll laut seinem Berater nachts geweckt und um Vermittlung gebeten worden sein. Er sei aufgrund seiner arabischen Herkunft bei den Libanesen respektiert und aufgrund seiner guten Verbindungen zu Ramsan Kadyrow (Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien) auch bei den Tschetschenen.
Der für deutsche Innenpolitik damit natürlich direkt zuständige „Vertreter des Oberhauptes der Tschetschenischen Republik in Deutschland“, Timur Dugazaev gab ein Statement zu der Geschichte ab. 

Die Berliner Exilregierung unter Michael Müller, die kontrafaktisch immer noch die Herrschaft über die Spreeterritorien beansprucht, scheint darüber nicht sonderlich entsetzt. Lediglich der stellvertretende Landesvorsitzende der CDU scheint ein Problem zu haben – allerdings von unerwarteter Seite: „Wenn sieben breitbeinige Männer mit glitzernden Uhren bei Cola und Apfelschorle entscheiden, ob es in Berlin Frieden gibt oder nicht, hat der Rechtsstaat fertig.“ 

Völlig richtig! Wäre wenigstens eine Frau dabei gewesen, wären die Uhren in weniger machohaftem Matt-Schwarz gehalten oder wäre zumindestens von diesem unerhörten Manspreading abgesehen worden, wäre es etwas anderes. So ist das aber nicht zu tolerieren. Naja gut, tolerieren muss man es ja, man kann offenbar sowieso nichts dagegen tun. Aber gut finden wirs nicht! Dududu, Clanchef, lass es, bitte. Bitte, bitte …

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