Tichys Einblick
Urgrund aller Übel: toxische Männlichkeit

Glosse: „Je höher Einkommen und Bildungsgrad, umso aggressiver sind Männer gegenüber Frauen“

Die niedersächsische Sozialministerin Daniela Behrens erklärt in einem NDR-Interview nicht nur, dass Nationalität, Herkunft oder sozialer Stand nichts mit häuslicher Gewalt zu tun hätten, sondern Männer umso aggressiver seien, je mehr sie verdienten. Einziger Grund für Gewalt sei „toxische Männlichkeit“.

IMAGO / Metodi Popow

Kennen Sie Niedersachsens Sozialministerin Daniela Behrens? Dann spätestens ab heute! Seit März 2021 hat die SPD-Politikerin das Amt übernommen, weil ihre Vorgängerin Carola Reimann sich aus persönlichen Gründen zurückzog (um wenige Monate später zur Vorsitzenden des AOK-Bundesverbandes gewählt zu werden). Zuvor war sie von 2019 bis 2021 Abteilungsleiterin für Gleichstellung im Bundesfamilienministerium. Nach der Landtagswahl in Niedersachsen wurde sie im Amt bestätigt.

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Behrens gab am Freitag, am „internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“, dem NDR ein Interview. Folgerichtig war das Thema „Gewalt in Beziehungen“. Stichwort: Gewalt ist kein Problem einer Schicht. Das kann man sicherlich so unterschreiben. Spannend wird es aber, wenn aus der vermeintlichen Differenzierung ein umso größerer Vorschlaghammer wird: Gewalt ist schlicht ein Problem toxischer Männlichkeit!

Schon bei der ersten Frage geht der NDR-Moderator in Beugehaltung. „Etwas stimmt nicht mit uns Männern“, konstatiert er, „wenn so viele Frauen zu Hause, wo es ein geschütztes Leben geben sollte, gefährdet sind. Was kann man tun?“ Behrens: „Wir müssen Männer, die Gewalt ausüben, viel mehr verpflichten, an diesem Problem zu arbeiten, wir müssen sie bestrafen und wir müssen in der Jungenarbeit mehr auf das Thema Geschlechterrollen gucken, also was lebt man eigentlich in der Familie jungen Männern und Jungs vor, wie es dazu kommt, dass man glaubt, nur mit Gewalt seine Probleme lösen zu können. Und das ist eine große gesellschaftliche Aufgabe für alle.“

Wieder bietet sich der Moderator als nützlicher Stichwortgeber an. „Wie sehr spielen – nach Erkenntnissen der Polizei, aber auch nach ihrem Eindruck – Herkunft und Nationalität, wie sehr soziale Verhältnisse eine tragende Rolle bei dem Phänomen oder ist es der Mann als Mann, der das Problem ist?“ Behrens:

„Wir haben ja in Niedersachsen auch eine Dunkelfeldstudie gemacht zum Thema häusliche Gewalt und in dieser Dunkelfeldstudie ist herausgekommen: Das ist kein Problem von Nationalitäten, das ist kein Problem von sozialer Schicht, sondern ganz im Gegenteil. In der Dunkelfeldstudie in Niedersachsen ist rausgekommen, dass je besser der Bildungsgrad und je höher das Einkommen ist, umso aggressiver sind die Männer gegenüber ihren Frauen. Und daher ist es kein Schichtenproblem, es ist auch kein Problem der Nationalität, es ist ein Problem der toxischen Männlichkeit, wie man zu sagen pflegt, und daher geht es darum, dass wir am Männerbild in der Gesellschaft arbeiten und dass wir ganz klar Strategien entwickeln, um mit Männern an diesem Problem zu arbeiten.“

Was hier akademisch kapriziert wird, heißt im Grunde nur: Ja, Männer sind das Problem, nein, andere Faktoren spielen da gar keine Rolle, wenn, dann führt nur noch ein höheres Einkommen und eine größere Bildung dazu, dass ein Mann seine Frau umso mehr vermöbelt. Behrens hätte auch schlicht sagen können: Männer sind Schweine. Das hätte uns viele Dunkelfeldstudien und dieses Interview erspart.

Spaß beiseite: Natürlich sollte man die Dunkelfeldstudie nicht einfach als erfunden abtun. Denn tatsächlich verhalten sich Männer mit hohem Einkommen und hoher Bildung aggressiver – weil sie sich häufig in einer höheren Position mit mehr Druck und Berufsstress befinden, den sie bei zu hoher Belastung ausgleichen müssen. Im Vergleich dazu ist ein mittelmäßig verdienender Teilzeitjobber natürlich entspannter.

Daraus aber zu folgern, dass der erfolgreiche calvinistische Unternehmer häufiger oder mindestens genauso häufig zur Gewalt greift wie der marokkanisch-muslimische Arbeitslose, ist nicht nur statistisch und semantisch unzulässig, sondern geradezu absurd. In Behrens’ Welt ist der von einer Tagung über langweilige Präfixe kommende Sprachprofessor eben genauso gemeingefährlich wie ein aus dem Suff zurückkehrender Arbeitervater.

Daraus die Erkenntnis abzuleiten, dass Männer bzw. toxische Männlichkeit als solches ein Problem ist, hilft neuerlich, die eigenen ideologischen Befindlichkeiten zu beruhigen, aber sicher keiner einzigen Frau, die mit häuslicher Gewalt konfrontiert ist, in welcher Art und Weise und vonseiten welchen Mannes auch immer. Lebensumstände und Differenzierung sind schließlich immer nur dazu da, um die eigenen kognitiven Dissonanzen abzumildern, und nie, um Probleme zu lösen.

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