Tichys Einblick

Fundament unserer Demokratie: Der Rechtsstaat

Deutschland wirkt wie eine Nation, die eigentlich keine sein will und stand bereits vor der Corana-Krise vor immensen Herausforderungen. Salahdin Koban, Deutscher mit kurdischen Wurzeln und konservatives Mitglied der CDU, analysiert die deutsche Identitätskrise und fordert ein Umdenken.

Für westliche Demokratien und insbesondere für Deutsche hat der Rechtsstaat beinahe sakrale Bedeutung. Er ist das Ergebnis der Auseinandersetzung mit autoritären Regimen und basiert auf politischer Teilhabe und dem Prinzip der Vernunft. Wenn Deutsche auf nichts stolz sind – auf den Rechtsstaat sind sie es fast alle. Obwohl der Rechtsstaat auf den Prinzipien der Gleichheit, der Gewaltenteilung und des staatlichen Gewaltmonopols beruht, zeigt sich, dass er dennoch beeinflussbar ist von den Dogmen, die in der Gesellschaft wirken, etwa dem der Toleranz, und hier zeigt sich, wie dringend wir dieses ersetzen müssen.

Wie bereits zuvor [im Buch – Anm. d. Red.] ausgeführt, führt der nachsichtige Umgang mit migrantischen Straftätern, der sich zwar in »Einzelfällen« manifestiert, die aber eine dramatische Signalwirkung haben, zu einem Vertrauensverlust in den Rechtsstaat.

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Dieser Vertrauensverlust in rechtsstaatliche Prinzipien wird durch den subjektiven Eindruck verschärft, dass in anderen Bereichen, etwa bei den Steuern oder auch so banalen Dingen wie Falschparken, Schwarzfahren oder Rundfunkbeitrag, der Rechtsstaat seine Gesetze sofort und ohne Nachsicht durchsetzt.

Für den Einzelnen bleibt die Wahrnehmung, dass man ihn als »normalen« Bürger besonders hart knechtet, während man migrantische Straftäter mit Nachsicht behandelt. Um es an dieser Stelle ganz deutlich zu sagen: Die wenigsten Migranten werden kriminell. Proportional gesehen ist ihr Anteil an der Gesamtheit der Migranten nur bei einigen Straftaten höher als das Verhältnis deutscher Straftäter zur deutschen Gesamtbevölkerung.

Aber eine kleine Minderheit von Migranten begeht besonders hartnäckig Verbrechen gegen das Eigentum oder die körperliche Selbstbestimmung und Unversehrtheit. Meistens sind die Opfer dieser Verbrechen selbst Migranten, das trifft in besonderem Maße auf Asylbewerber zu, doch ich beobachte schon seit längerem, dass sich das organisierte Verbrechen migrantischer Gruppen nicht mehr länger nur auf andere Migranten konzentriert, sondern immer häufiger auch Deutsche ins Visier nimmt. Die Clanchefs fühlen sich sicher genug, um in die Expansion zu gehen.

Was bei den Deutschen entsteht, die selbst keine oder nur lose migrantische Wurzeln haben, ist das Gefühl, man lasse sie im Stich, damit sich die anderen, die Fremden, breitmachen können, um fast ungehindert die öffentliche Ordnung zu stören. Ich möchte an dieser Stelle klar formulieren, dass dieses Gefühl der Verunsicherung nicht als generelle Entschuldigung für deutschen Rassismus herhalten kann. Es trifft vielmehr nur auf einen Teil der Deutschen zu, deren Einstellung zu Migranten sich nachteilig verändert hat oder diesen Prozess gerade durchläuft. (…)

Das Imageproblem des deutschen Rechtsstaats

Hier wirkt erneut die Lücke, die der fehlende, positive Bezug zur eigenen Herkunft hinterlässt. Die meisten Deutschen schätzen den Rechtsstaat zwar, aber sie empfinden für ihn nicht den gleichen patriotischen Enthusiasmus, wie man ihn in den USA überall sieht. In den USA wird der Verfassung eine ehrfurchtsvolle Verehrung entgegengebracht, die für kein anderes Prinzip in Frage gestellt wird. Es ist diese Unantastbarkeit des übergeordneten Prinzips des Rechtsstaats, das ihm seine normierende und einende Macht inklusiv Symbolcharakter verleiht. In der amerikanischen Tradition garantiert die Verfassung jedem die Freiheit, sein Glück zu versuchen und dabei möglichst wenig gestört zu werden. Auf der Schattenseite bedeutet das allerdings auch, dass es im Falle eines Scheiterns keine oder nur sehr gering ausgeprägte Strukturen gibt, die einen tiefen, sozialen Sturz verhindern. Für Deutschland heißt das, dass der Staat mehr Führsorge- und Sozialausgaben übernimmt, dafür aber eben auch mehr Einfluss auf das Privatleben hat.

Das Prinzip des »Pursuit of happiness« schlägt sich in dieser Einstellung nieder. Es wird flankiert von einem weiteren Prinzip, das uns in Deutschland nahezu fremd ist: »Freedom of Speech«, der Redefreiheit. Die Gesellschaft in den USA ist sehr viel diverser als die deutsche. Radikale Überzeugungen werden dort mit Nachdruck verfolgt und führen zu heftigen Debatten, etwa, wenn es um die Waffengesetze geht. Doch kein Amerikaner käme auf die Idee, ganz gleich, wie sehr ihm die Gegenseite zuwider ist, dieser das Recht abzusprechen, ihre Meinung zu äußern, oder dieses Recht durch öffentliche oder subtile Beeinflussung einzuschränken. In den USA sind selbst extremste Aussagen durch den Primat der Meinungsfreiheit geschützt. Sie ist ein so hohes Gut, dass eine auch nur latente Einschränkung einem Angriff auf das amerikanische Selbstverständnis und die persönliche Freiheit gleichkommt.

Seid ihr noch ganz bei Trost?!
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In Deutschland ist das undenkbar. Wenn ich Debatten in den sozialen Netzwerken zu polarisierenden Themen verfolge, bemerke ich immer wieder, wie schnell versucht wird, der Gegenseite das Recht abzusprechen, ihre Meinung überhaupt zu äußern. Der tausendfach missbrauchte »Rassismus«-Vorwurf ist da nur ein Instrument von vielen, um den anderen mundtot zu machen. Meinungsfreiheit ist zwar Bestandteil des deutschen Demokratie-Verständnisses und einer freiheitlichen Gesellschaft, sie ist aber nicht wie in den USA ein Wert an sich, der unabhängig vom politischen Standpunkt anerkannt und gegen Angriffe verteidigt wird.

Meinungsfreiheit stößt nach deutschem Rechtsverständnis sehr schnell an ihre Grenzen, etwa wenn es um persönliche Gefühle geht oder die Ausübung dieser Freiheit auch nur die latente Möglichkeit von Diskriminierung irgendeiner Gruppe bedeutet. Der Schutz der persönlichen Würde und des Einzelnen steht im deutschen Verständnis über der Meinungsfreiheit, auch das ist ein Ergebnis der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, dessen Verbrechen mit der systematischen Zerstörung der Würde von Juden im öffentlichen Raum begannen und mit dem Holocaust endeten. Es zeigt sich hier, dass rechtsstaatliche Prinzipien nicht nur interkulturell vermittelt, sondern auch sehr viel lebendiger im öffentlichen Bewusstsein verankert und diskutiert werden sollten, damit sie über das Recht hinaus zu einem Wert an sich werden, dem man sich nicht nur beugt, sondern gerne unterordnet. Wir brauchen Begeisterung für den Rechtsstaat als beste Form des Zusammenlebens, um in aller Vielfalt an einer Stelle doch gleich zu sein: vor dem Gesetz.


Salahdin Koban ist gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann und studiert Politikwissenschaft. Seit 2010 ist er Mitglied der CDU & Jungen Union. Sein Hauptpolitikfeld ist die Außenpolitik, Schwerpunkt Naher und Mittlerer Osten.


Leicht gekürzter Auszug aus:
Salahdin Koban, Deutschlands freiwilliger Untergang. Identitätskrise eine Nation die keine sein will. Mit einem Vorwort von Arye Sharuz Shalicar. FBV, 160 Seiten, 18,99 €