Tichys Einblick
"Experimente statt Experten"

Ein Plädoyer für eine Wiederbelebung der Demokratie

Das Buch "Experimente statt Experten" ist ein "Plädoyer für eine Wiederbelebung der Demokratie", ein Plädoyer für eine dem Wähler wieder zugewandte, rechenschaftspflichtige und verantwortliche Legislative mit direktdemokratischen Anteilen.

Ein gut geschriebenes, kenntnisreiches, informatives und mit Quellen belegtes Sachbuch zu lesen, ist heute eine der großen Chancen, sich in aller Ruhe mit verschiedenen Seiten eines Problems auseinanderzusetzen, die in den Mainstream-Medien „ausgelassen“ werden, in Talkshows gar nicht erst vorkommen – oder wenn doch einmal – prompt niedergeredet und unterbrochen werden.

Das vorliegende Buch „Experimente statt Experten“ ist ein „Plädoyer für eine Wiederbelebung der Demokratie“, ein Gemeinschaftswerk mehrerer Autoren und deren Bekenntnis zu der im Grundgesetz verbrieften Souveränität des Volkes und des grundlegenden Rechts auf Meinungsfreiheit; ein Plädoyer für eine dem Wähler wieder zugewandte, rechenschaftspflichtige und verantwortliche Legislative mit direktdemokratischen Anteilen. Hier ein Überblick:

Demokratie in Not – Entkoppelung von der Mehrheit

Der Einstieg in das Buch gelingt leicht: Man ist schnell drin in einer spannenden, hoch aktuellen und dringend notwendigen Debatte über den heute immer deutlicher werdenden Verfall der Demokratie. Eine Diskussion über den schwindenden Einfluss der Bürger auf politische Entscheidungen, über die zunehmende Dominanz von Medienkonzernen, von Netzwerken verschiedener Art, von NGOs, von Expertenteams, von „Apparaten“ und Kommissionen. Als Beispiel wird u.a. die kürzlich zusammengetretene Kohlekommission genannt, in der der geplante Kohleausstieg zulasten der dort Beschäftigten und „zugunsten von an der oberen Mittelschicht aufwärts orientierten Phantasien des globalen, vermeintlichen Klimarettens“ ausgekungelt wurde.

Im verfassungsrechtlichen Gefüge der BRD sei ein Grundmisstrauen in die intellektuellen Fähigkeiten des „einfachen Volkes“ angelegt, beklagen die Autoren. Auf vielfältige Weise sei – und das zeigt sich allein schon durch die Einführung einer repräsentativen Demokratie – von den Eliten schon immer daran gearbeitet worden, den Einfluss der Bürger zu minimieren. Elemente direkter Demokratie wie Volksabstimmungen sind auch in Deutschland auf Bundesebene bis heute kein Thema. Der Bürger sehe seine Interessen zunehmend kaum noch in der offiziellen Politik berücksichtigt und finde unter den immer weniger voneinander unterscheidbaren Parteien oft keine mehr, der er zutraue, seine Interessen zu vertreten. Wir erlebten eine Zweiteilung der politischen Klasse, heißt es: „Auf der einen Seite, die sich selbst als die Mitte sieht, stehen die Vertreter einer nach deren Selbstverständnis ‚liberalen Demokratie‘ von CDU, SPD, FDP, Grünen und Teilen der Linken. Auf der anderen Seite stehen die Schmuddelkinder von der AfD und von Teilen der Linken“.

Die Idee, dass Demokratie von einem leidenschaftlich geführten politischen Wettstreit unterschiedlicher Positionen und Interessen lebt, scheint verloren gegangen zu sein. Der Bürger hat es nicht nur zugelassen, sich das Bewusstsein, der Souverän zu sein, abtrainieren zu lassen, sondern er spricht sich bei Befragungen heute manchmal selber gegen eine Mitwirkung aus und stimmt damit – ohne es zu merken – der Einschätzung zu, dass er intellektuell nicht fähig sei, sich ein Urteil zu bilden. Plötzlich wird ihm dann bewusst, dass er z.B. keinen Einfluss mehr auf die Top-down entschiedene Energiewende und andere Wenden hat;  keinen Einfluss auf die von der Mehrheit nicht gewollte militärische Beteiligung an „humanitären Interventionen“ und UN-„Friedensmissionen“,  auf Bankenrettungsprojekte und auf das Einströmen von Migranten über offene Grenzen mit ernsten Folgen – besonders für die ärmeren Schichten – in punkto Kriminalität, Bildungschancen und wachsender Konkurrenz auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt. Er wird mit der Einführung der realitätsfernen, abgehobenen Gender- und Identitätspolitik überrascht  und muss sich derzeit mit lebensverändernden Maßnahmen zur sogenannten Klimarettung beschäftigen.

Folgenreiche Einbindung in supranationale Strukturen – die EU

Die Autoren stellen im Folgenden dar, warum die vom Establishment selbst immer wieder gepriesene EU kein demokratisch aufgebauter Staatenverband ist, sondern ein dem Außenstehenden unzugängliches, undurchschaubares Machtzentrum; ein Elitenprojekt, in dem es sich ein Kollektiv von Spitzenpolitikern, Beamten, Lobbyisten und Juristen bequem und gut abgesichert  eingerichtet hat. Zuletzt zu beobachten bei der „Wahl“ von Ursula von der Leyen zur Präsidentin der Europäischen Kommission, die selber mit dem undemokratischen Prozedere völlig im Einklang zu stehen schien: Die vormalige, für den beklagenswerten Zustand der Bundeswehr verantwortliche deutsche Verteidigungsministerin als Prototyp für die Art von willfährigen, bürgerfernen Politikern, die in diesen Strukturen gebraucht werden. 

Während das Establishment ständig mit dem Begriff „Demokratie“ hausieren geht, seien – so die Autoren – mit der Begründung, die großen globalen Probleme seien heutzutage nur supranational zu lösen, inzwischen dauerhafte Strukturen geschaffen worden, die eine immer größere Distanz zum normalen Bürger und seinen Interessen erzeugt haben. Veränderungen, die ohne uns entschieden werden, führen  letztendlich in die Resignation.

In Institutionen, in denen ständig das Grundrecht auf Gleichbehandlung im Mund geführt wird, wird „das einfache Volk“ gleichzeitig für unfähig gehalten, „komplexe“ Zusammenhänge durchschauen zu können. Das geschieht besonders dann, wenn es um Entscheidungen  geht, die der Obrigkeit missfallen – wie z.B. das Votum für einen Austritt Großbritanniens aus der EU. Auch die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der Vereinigten Staaten, über die man immer noch nicht hinweggekommen zu sein scheint, habe bestätigt, dass man dem Wähler derart schwerwiegende  Beschlüsse keinesfalls überlassen dürfe.

„Die Eurozone bietet ein extremes Beispiel für ein politisches System, in dem die Menschen das Gefühl haben, immer weniger mitreden zu können“, wird der Politologe Yascha Mounk zitiert; der Mann, der in der Tagesschau vom 20.12.2018 zum großen Erstaunen vieler Zuschauer von einem historisch einzigartigen Experiment sprach, mit dem eine monoethnische, monokulturelle Demokratie in eine multiethnische verwandelt werden solle, wobei es allerdings zu vielen Verwerfungen kommen werde. Eine Äußerung, über die in der Öffentlichkeit bezeichnenderweise nie wieder ein Wort verloren wurde.

Erziehung statt Repräsentation

Um die „Große Transformation„, den geplanten Komplettumbau von Wirtschaft und Gesellschaft zu einer klimaverträglichen Gesellschaft ohne Nutzung fossiler Brennstoffe voranzutreiben, ist es nötig, den als unmündig angesehenen Bürger zugunsten der Belange der oberen Schichten Top-down auf den richtigen Weg zu bringen. Der als vorurteilsbeladen, homophob, xenophob, rechtsradikal, ewiggestrig – und was sonst noch alles – angesehene Bürger soll zu einem tolerierenden Teilnehmer einer multikulturellen Ökogesellschaft erzogen werden – (siehe „A European Framework National Statute for the Promotion of Tolerance“).

Der Mensch als autonomer Bürger, der in der Lage ist, vernünftig und ethisch zu handeln, das Menschenbild der Aufklärung, war den Mächtigen schon immer ein Dorn im Auge und scheint auch den Fridays-for-Future-Jüngern kein Begriff mehr zu sein. Dass die „kids“ das Klimadiktat genau so begrüßen wie einst die Willkommensbewegten die „Flüchtlinge“, kann man auf einem ihrer Schilder lesen: „Verbietet uns endlich etwas!“

Abgrenzung und Spaltung

Populismus – so die Autoren- sei ein Symptom der Spaltung der Gesellschaft und nicht – wie vom Establishment immer wieder behauptet – die Ursache dafür. Unter der Überschrift „Immer Ärger mit dem Volk“ (Teil 2) gehen sie auf die in den letzten Jahren entstandenen sogenannten populistischen Parteien ein, die sich der als „Pack“ (Sigmar Gabriel) und „Dunkeldeutsche“ (Joachim Gauck) ausgegrenzten Teile des Volkes angenommen haben, während selbsternannte Moralapostel, die sich unter Slogans wie „Wir sind mehr“ und „Die Vielen“ versammeln, heute – zu Zeiten der 68-er Bewegung undenkbar – kritiklos die Ziele des Staates unterstützen. Sie verdienen sich das Lob der Kanzlerin und die Unterstützung der ehemaligen Justizministerin Katarina Barley für ihr rechtswidriges Schulschwänzen und nennen es geschichtsvergessen „streiken“. Schon  2000 hatte Gerhard Schröder in Berlin zu einer großen Staatsdemonstration, einem „Aufstand der Anständigen“ aufgerufen und damit schon zwischen Anständigen und Unanständigen unterschieden.

Nationalstaat

Für die Autoren ist der von den Eliten verunglimpfte Nationalstaat auch heute noch der wahre Ort der Demokratie, den sie erhalten wissen wollen, weil es ohne dessen integrative Kraft auch keinen Sozialstaat gebe. Dieser einen Schutzraum bietende und durch Grenzen gesicherte Rechtsstaat, der ungeachtet aller sozialen Unterschiede auf die Solidarität einander vertrauender Bürger angewiesen ist, werde jedoch durch die wachsende Tribalisierung und Atomisierung der Gesellschaft, durch eine unkontrollierte Einwanderung und durch die immer groteskere Formen annehmende Identitätspolitik zerstört. Die Autoren stimmen Yascha Mounk zu, wenn er den Nationalstaat als ein halbwildes Biest, das domestiziert werden müsse, beschreibt und dann fortfährt: „Wir müssen uns stärker auf diese kollektive Identität besinnen – sie dabei aber auf offene Weise prägen. Wir müssen sagen: Ja, wir haben etwas gemeinsam als Deutsche. Aber nicht nur als Biodeutsche, sondern als Deutsche, egal, ob sie christlich oder muslimisch oder jüdisch oder hinduistisch oder gar nicht religiös sind. Es gibt etwas, das uns vereint. Und dieses Etwas besteht schlicht und einfach darin, dass man gemeinsam ein Gebiet bewohnt und gemeinsam ein Staatsvolk konstituiert und damit in einer Demokratie gemeinsam der Souverän ist. Das sind Gemeinsamkeiten, die weit mehr Potenzial für ein harmonisches Zusammenleben bieten als neotribalistisch gehypte Attribute wie Geschlecht, Religion, sexuelle Ausrichtung etc.“

Die Geschichte der Demokratie und ihrer Feinde

Ein informativer und weitreichender Gang durch die lange Geschichte der Demokratie (Teil 3) rundet die Bestandsaufnahme ab. Dass Regierende noch nie ein wirkliches Interesse an einer echten Demokratie hatten, bleibt kein Geheimnis. Die Autoren zitieren z.B. Edward Bernays, der in seinem 1928 erschienenen und inzwischen zum Standardwerk gewordenen Buch „Propaganda“ (dessen sich auch Joseph Goebbels bedient hat) schreibt: „Die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen ist ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften. Organisationen, die im Verborgenen arbeiten, lenken die gesellschaftlichen Abläufe. Sie bilden eine unsichtbare Regierung, welche die wahre Herrschermacht unseres Landes ist.“ (1975 veröffentlichte die „Trilaterale Kommission“ den Bericht „The Crisis of Democracy“, in dem festgestellt wird, dass sich Demokratie nur effektiv und planungsorientiert im Sinne der Eliten handhaben lasse, wenn ein gerüttelt Maß an Apathie und Nichteinmischung der Bürger bestehe.) Was wir im Moment erleben, nämlich Dauerwiederholungen und Schüren von Ängsten, gehört übrigens zu den ältesten Manipulationstechniken à la Edward Bernays.

Die Krise als Chance

Zum Schluss gehen die Autoren noch einmal ausführlich auf die Abhängigkeiten zwischen Ökonomie und Politik ein. Sie wünschen sich eine Repolitisierung von gesellschaftlichen Bereichen, die, wie die Wirtschaftspolitik, dem Einfluss der normalen Menschen weitgehend entzogen worden seien und fahren fort: „Diese Repolitisierung erfordert, dass die heute vom Einfluss der Bürger als Wähler weitgehend losgelösten Entscheidungen zum Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen werden und nicht mehr als alternativlose und unpolitische Sachzwänge erscheinen, denen mit staatlichen Verwaltungsakten nachgegeben wird.“  Dabei sollten wir nicht auf Experten setzen, sondern uns unserer Rolle als Souverän bewusst werden, der Gesamtheit unserer Mitbürger in all ihrer Unterschiedlichkeit vertrauen und – anstatt die Entscheidungen einigen Wenigen zu überlassen –  jeden Einzelnen dazu ermutigen, im fortwährenden Wettstreit der Meinungen und Ideen an vernünftigen und mehrheitsfähigen Lösungsprozessen mitzuwirken.

Die Darstellung, das Durchschauen und Durchleuchten der heutigen Entwicklungen und der neu entstehenden Machtstrukturen sind der erste Schritt in diese Richtung, und dazu leisten die Autoren einen willkommenen Beitrag. Das Buch bietet jedem, der sich ein Bild von der Situation heute machen und sich damit auseinandersetzen möchte, damit auch einen Anstoß, sich nicht zum Untertanen degradieren zu lassen, die Geschehnisse zu hinterfragen und sich – abseits der heute so außer Rand und Band geratenen „Vielen“ –  einen Überblick zu verschaffen und misstrauisch gegenüber den Plänen der Regierung zu sein, sich beispielsweise die genannten wissenschaftlichen Studien und Veröffentlichungen mal selber anzusehen  und nicht zuzulassen, dass alle, die nicht mitmachen wollen beim Spiel der Mächtigen, an den Pranger gestellt werden.  Niemand im Mainstream scheint uns informieren zu wollen, dass die Klimawissenschaften hoch komplex sind, dass es z.B. Wissenschaftler gibt, die einen menschengemachten Klimawandel in Frage stellen, dass in Deutschland nur etwa zwei Prozent der energiebedingten weltweiten CO2-Emissionen ausgestoßen werden, dass es wieder nur wir Bürger und Steuerzahler sind, die „gegängelt und geschröpft“ werden, wie ein Leser schreibt. Oder auch, dass Kinder schon immer für die eigensüchtigen Ziele von Erwachsen instrumentalisiert worden sind. Dass so merkwürdige Begriffsblüten wie „Klimaprotest“ (Protest gegen das Klima?), „Klimavertrauen“, „Klimapaket“, „Klimagerechtigkeit“ (Gerechtigkeit für das Klima?)  und schließlich auch noch „Klimaleugner“ (wer, um Himmelswillen, könnte das Klima leugnen!) ihr Unwesen treiben.

Der gesunde Menschenverstand, ein hohes Gut, steht schließlich auf dem Prüfstand, und man muss sich vor allem die Frage stellen, was die höchst beunruhigenden Entwicklungen für unsere einst freiheitliche, das Recht achtende demokratische Gesellschaft,  für das gesellschaftliche Klima unserer Tage bedeutet. Dazu gehört, dass wir erst mal „runterkommen“, uns informieren und uns in Bücher wie das vorliegende vertiefen sollten.


„Experimente statt Experten – Plädoyer für eine Wiederbelebung der Demokratie“ – bestellbar hier >>>