Tichys Einblick
Tichys Lieblingsbuch der Woche

Der Selbstmord der bürgerlichen Gesellschaft

Murray untersucht die extremen und gewalttätigen Formen von Feminismus, Schwulenbewegung und Bewegungen gegen Rassendiskriminierung. Ihre Radikalität wächst - weil die Mehrheitsgesellschaft sich freiwillig unterwirft.

Ganz normale Lebensweisen werden mittlerweile kriminalisiert. Nicht nur von den öffentlich-rechtlichen Medien wird man aufgefordert, sich gefälligst fürs Autofahren, Fliegen, Fleischessen – ja sogar fürs Kinderkriegen zu schämen. Was mit denjenigen in unserer Gesellschaft passieren wird, die sich nicht schämen oder gar mit diesen Verhaltensweisen nicht aufhören wollen, darüber können historische Berichte aus Calvins Genf, Savonarolas Florenz oder Cromwells England Auskunft geben: Ein Tugendstaat entsteht, in dem jede Form von Luxus und abweichendem Lebensstiel auf dem Scheiterhaufen endet.

Murray untersucht vier verschiedene Bewegungen von ihren Anfängen bis zu den heutigen Formen: die Bewegung der Schwulen, die Frauenbewegung, die Trans-Bewegung und die Bewegung gegen Rassendiskriminierung. Am Ende zeigt sich, dass das Entwicklungsmuster der Bewegungen überall das gleiche ist. Während es am Anfang um berechtigte Anliegen der Gleichberechtigung ging, die von der gesellschaftlichen Mehrheit akzeptiert wurden, geht es ihnen heute darum, zu beweisen, dass Schwule, Frauen, Nichtweiße und Transmenschen die besseren Menschen sind. Sie stehen einer sexistischen, rassistischen von Weißen dominierten Gesellschaft gegenüber, die sie gnadenlos unterdrückt.

Foucault und Co
Identitätspolitik, Sprachpolizei und Meinungsterror – ist die postmoderne Theorie schuld?
Ein Leser von „Wahnsinn der Massen“ kommentiert das so: „Im Namen des Antirassimus wird die Gesellschaft rassistischer. Weil alle toleranter werden sollen, zerfällt Zusammenleben ins Intolerante. Weil Beziehungen gerechter werden müssen, wird alles ungerechter. Frauenquoten lassen Frauen hinter ihren Möglichkeiten zurück. Diese Widersprüche sind keine, sondern der Ausfluss einer völlig enthemmten, faschistischen Bessermenschengesellschaft, die sich vor allem von Deutschland aus hegemonial auf der ganzen Welt ausbreiten möchte.“

Genau diese Entwicklung erleben wir in allen Bereichen. Die Kampfzonen weiten sich ständig aus, die gesamte Gesellschaft ist zum Konfliktfeld geworden. Anstelle der klaren Frontlinie des Klassenkampfs tritt eine Art Kampf jeder gegen jeden und aller gemeinsam gegen die „herrschenden Mächte“.

Denn die Anzahl der als unterdrückt identifizierten Gruppen nimmt täglich zu und erzeugt stets neue Anspruchsberechtigte. Zwangsläufig geht das auf Kosten der vermeintlich Mächtigen, also der alten weißen Männer und deren Verbündeter. Da die ihre vermeintliche Macht nicht freiwillig abgeben werden, ist die Szene auf „Kampf“, letztlich also auf gewaltsamen Umsturz eingestellt. Die Aktivitäten, die wir an Universitäten und in Szenevierteln erleben, zeigen dies überdeutlich. Das ganze Denken der Social Justice Warriors ist auf eine Spaltung der Gesellschaft ausgerichtet. Wie bei der Sage vom Vogel Phönix hoffen sie, dass durch die simple Zerstörung des Alten automatisch etwas Neues, Besseres entsteht.

Aus dem Maschinenraum des Nonsens
Konservativer Philosoph dekonstruiert die Lieblingstheorien der Linken
Murrays Analyse ist schonungslos – und sie erfüllt sich jeden Tag mehr. Mittlerweile gehört die gezielte Benachteiligung im öffentlichen Dienst von weißen Männern zum Gesetzestatbestand, der mit dem Tarnwort „Inklusion“ daherkommt und erfaßt auch weiße Frauen, die nicht wenigstens Homosexualität oder eine der vielen anderen neuen Formen sexueller Besonderheit als Entlastung für ihr Weißsein anführen können.

Brutal wird hier Anti-Rassismus zum Rassismus gegen Weiße von Weißen exekutiert.  Die Mehrheitsgesellschaft macht sich selbst zum Underdog, zum Unterworfenen. Jüngstes Beispiel: die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock leugnet die berechtigte Furcht von Frauen vor zunehmenden Gewalttaten im öffentlichen Raum mit der Aussage, dass Frauen in ihren eigenen Wänden viel bedrohter seien: Sexuelle Straftaten von Zugewanderten sollen so in der Wahrnehmung verharmlost und die Partner und Ehemänner weiter diskreditiert werden.

Es ist ein neuer Kolonialismus ohne Gewehre, der über Medien und Unis und willfährige Parteien transportiert wird. Es ist unterdrückende Macht, die mit Worten und Begriffen über Menschen ausgeübt wird, die aufgegeben haben, sich zur Wehr zu setzen – und bei ihrer eigenen Unterwerfung sogar eifrig mithelfen. Kurz: Es ist der Wahnsinn der Massen.

Douglas Murray, Wahnsinn der Massen. Wie Meinungsmache und Hysterie unsere Gesellschaft vergiften. Edition Tichys Einblick im FBV, 352 Seiten, 24,99 €


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