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Der Riss durch Deutschland

Der Riss durch Deutschland wird immer tiefer, befördert durch eine Bundesregierung, die damit ihre bröckelnde Mehrheit retten will. Zwei Karikaturisten versuchen keine Brücke zu bauen - aber zeichnen wenigstens gegeneinander an.

»Nein, mit dem reden wir nicht mehr.« »Wenn die dabei sind, kommen wir nicht!« Der Riss, der durch Deutschland geht, ist tief und heftig. Er teilt mittlerweile sogar Familien.

Der Dialog wird schonungslos – versprechen Christiane Pfohlmann und Bernd Zeller. Beide haben sich einst in F.W. Bernsteins Zeichenschule kennengelernt. Der Platz neben Bernd Zeller war frei, heute weiß Christiane Pfohlmann auch warum.

Denn Bernd Zeller ist der Karikaturist des kritischen Lagers. Christiane Pfohlmann ist eine liebe, weil linksgewandte Karikaturistin, aber die beiden sind Freunde geblieben. Das ist nicht einfach in den neuen Zeiten und in deren Medium.

Denn Karikatur lebt von der Zuspitzung, vom Klischee, von der Überzeichnung. Ein guter Karikaturist ist geradezu berufsbedingt bösartig: Seine Gesichter sind Fratzen, in dem sie nicht das Schönheitsideal griechischer Helden und die Ebenmäßigkeit der Büsten aus Marmor zu Papier bringen, sondern das Nicht-Ebenmäßige, die zu kleinen Augen, die zu schmalen Lippen, das pompöse Doppelkinn oder die Glatze – eben das, was den Charakter eines Menschen überzeichnet und ihn dadurch kenntlich macht. Eine Karikatur zu ertragen, verlangt von dem buchstäblich Gezeichneten Toleranz ab. Viele Gezeichnete fühlen sich auch gar nicht beschimpft – sie betrachten es als Ehre, von den Meistern des Fachs überzeichnet zu werden.

Konflikt und Auseinandersetzung gehören zur öffentlichen Sphäre. Aber jetzt sind die Zeiten des Meinungsstreits wohl vorbei. Alle Menschen sind gleich schön (außer sie gehören gerade der derzeit zur Verfolgung vorgesehenen Gruppe an), sie sind ideal, wer ihre Eigenarten karikiert, setzt sich dem Vorwurf aus, er sei rassistisch, antifeministisch oder Träger einer anderen Phobie: gegenüber Muslimen, Homosexuellen, Arabern, People of Color.

Die -ismen töten die Debatte oder lenken sie in den breiten Mainstream erlaubter Aussage. An die Stelle des Fechtens mit dem Florett tritt Wattebausch-Wettwerfen; jedenfalls, was die Gruppe der durch -ismen geschützten, selbstdefinierten Minoritäten mit ihrem totalitären Anspruch betrifft. Die Karikatur ist damit nicht mehr zeitgemäß. Die „New York Times“ veröffentlicht auch in ihrer internationalen Ausgabe keine Karikaturen mehr; in der US-Ausgabe sind die Zeichnungen schon seit etwa einem halben Jahr verschwunden. Der Grund sind die Proteststürme, die immer wieder ausgelöst wurden – gegen das Wesen der Karikatur.

Jetzt versprechen also Pfohlmann und Zeller einen »schonungslosen Dialog in Cartoon und Text wegen des einseitigen Grabens durch die sozialen Perspektiven vermeintlicher Milieus über verheerende Folgen mangelnden Anscheins innergesellschaftlicher Demokratie«, wie sie so ausgewogen, wie es ihnen möglich ist, formulieren. Wenn befreundete Gegner aufeinandertreffen, regiert die Sprachdiplomatie. Herausgekommen ist ein sehr erfrischend zu lesendes, farbiges Büchlein mit wunderbaren Karikaturen.

Christiane Pfohlmann, Jahrgang 1968, geborene Oberfränkin und gelernte Oberbayerin, macht Karikaturen, weil sie »es kann«, wie Finanzminister Scholz formulieren würde. Sie selbst sagt, weil sie »will«, arbeitet überwiegend für die Tagespresse (z.B. Neues Deutschland, Fränkischer Tag und andere).

Bernd Zeller wiederum ist Lesern von Tichys Einblick wohlbekannt. Der Cartoonist betreibt seine Online-Satirezeitung zellerzeitung.de, ist Senior-Influencer auf Youtube, war eine Woche Redakteur beim Eulenspiegel und ein Jahr bei Titanic, Wiedergründer von pardon, ehemals Gagmacher für die Harald-Schmidt-Show und macht ehrenamtlich die Jenaer Seniorenzeitung.

»Es ist daher sehr unterstützenswert, dass Christiane Pfohlmann und Bernd Zeller sich bereitgefunden haben, den Riss, der angeblich durch die Gesellschaft geht, karikaturistisch zu behandeln«, heißt es im Vorwort.

Zeller zeichnet trotzdem weiter
Bernd Zeller: Die Sprache des Grünen Reiches
Wie man sich den Beginn des neuen Buches »Der Riss durch Deutschland« vorstellen muss, zeigt eine Karikatur von Christiane Pfohlmann, die im Lehnsessel sitzend mit Zeller telefoniert: »Jeder eine Seite – immer abwechselnd.«

Ihre Hausgans auf dem Bild denkt: »Hoffentlich sagt sie nicht »BUNT«, sonst landet sie immer auf der undankbaren linken Seite.«

Die Ausgewogenheit wird bis ins Detail perfekt betrieben: Nach etwa der Hälfte des Büchleins tauschen sie die Seiten, freilich erst nachdem Pfohlmann darauf gedrängt hat: »Was ist jetzt mit dem Seitentausch? Muss man Dich alles zweimal fragen?«

»Einen Konflikt mit den Mitteln des Cartoons auszutragen, ist zweifellos ein zivilisationshistorischer Fortschritt, der sogar schon älter ist, als man zunächst meinen möchte. Schon in der Steinzeit zogen es die kultivierteren Horden vor, lieber Höhlenwände mit Jagdmotiven zu bemalen, statt tatsächlich die blutige Tradition der Treibjagd zum Erbeuten von Fleisch zu pflegen. Leider wurden die Faustkeile, die als Schreibwerkzeug sehr gut in der Hand liegen, als Hieb- und Stichwaffen zweckentfremdet. Auch die Bronzezeit ist ein unrühmliches Kapitel in der Geschichte, weil das Metall nicht feinmechanisch bearbeitet werden konnte und darum nicht zur Herstellung von Stiften, sondern Schwertern verwendet wurde. Von Wilhelm Busch ist bekannt, dass er viele seiner gezeichneten Figuren zu Tode gebracht hat, dafür keinen seiner Mitmenschen. Als Begründer der Kunsttherapie wird er immer noch unterschätzt.«

Beide rühmen ihre Cartoon-Kunst sogar als friedensstiftendes Projekt: »Papier und Zeichenstift ließen sich auch als Schnitt- und Stichwaffen einsetzen, wenn nicht die Befähigung und Lust zum Zeichnen die Aggressivität ins Produktive leitete. Historiker sind sich darin einig, dass der Erste Weltkrieg nicht ausgebrochen wäre mit einem Cartoonisten als Kaiser.«

So kommen die beiden Cartoonisten zu dem unwiderlegbaren Schluss: »Auch der Kalte Krieg hätte einen besseren Ruf, wenn er auf dem Gebiet der Zeichnerei ausgetragen worden wäre. Für Trump und Kim Jong-un ist die gegenseitige Begiftung auf Twitter auch nur ein Ersatz für fehlende Befähigung zum Zeichnen von Cartoons.«

Und für Deutschland wäre es ganz sicher besser gewesen, die Auseinandersetzungen mit den Zeichenstiften anstelle der Schlägermethoden der Antifa auszutragen. Das Cartoonbüchlein kann helfen, zumindest darüber zu lachen. Und das ist ja schon mal was.


Christiane Pfohlmann/Bernd Zeller, Der Riss durch Deutschland. Ein schonungsloser Dialog in Cartoon und Text. Neusatz Verlag, 104 Seiten, vierfarbig, 15,00 €


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