Tichys Einblick
Lesetipp

Adele Spitzeder – oder von der unerträglichen Leichtigkeit des Reichwerdens

Das Versprechen, 10 Prozent Zinsen monatlich zu zahlen, und die sich verbreitende Nachricht, dass die Schauspielerin Spitzeder die versprochenen Zinsen tatsächlich zahlte, begründete eine Kreditlawine.

Mögen Sie Schneebälle? Jetzt in der Winterzeit? Vielleicht haben Sie ja Lust, sich auch mit einem Schneeballsystem zu beschäftigen. Adele Spitzeder hat bereits in den späten 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts gezeigt, wie man mit einfachen Zinsversprechen zu unglaublichem Reichtum gelangen kann.

Dabei hatte die Gute als gelernte Schauspielerin lange versucht, Ehre und Ruhm auf den Brettern dieser Welt zu erlangen. Zur größten Anlagebetrügerin ihrer Zeit, und damit der geistigen Mutter der Charles Ponzis und Bernard Madoffs dieser Erde, wurde sie erst, nachdem unbedachte einfache Menschen ihr das Geld zur Vermehrung quasi aufdrängten, als sie selbst abgebrannt war. Schnell war das System erdacht: Drei Monate Laufzeit, 10 Prozent Zinsen pro Monat und diese immer vorab ausbezahlt. Schon hatte Frau Spitzeder von 100 Gulden, die sie annahm, 70 in der eigenen Tasche. Und die Kapitalforderung nach drei Monaten, wenn sie nicht ohnehin prolongiert oder gar aufgestockt wurde, bediente sie locker aus neuen Einlagen neuer Kunden. Ein Märchen begann.

Dem Autor Julian Nebel ist es gelungen, ein wunderschönes Büchlein über diesen Münchner Krimi zu schreiben. Dabei kommen die lokalen Gegebenheiten und historischen Rahmenbedingungen ebenso detailverliebt zur Sprache wie die persönlichen Lebensumstände der Adele Spitzeder, die nach dem Ende des Spuks, nach drei Jahren Haft, nie wieder als Künstler Fuß fassen konnte. 1895 verstarb sie im Alter von nur 63 Jahren nahezu mittellos. Ein ebenso schönes wie nützliches Büchlein, das unter den Weihnachtsbaum gehört.

Adele Spitzeder: Der größte Bankenbetrug aller Zeiten
Julian Nebel, FinanzBuch Verlag, November 2017
Hardcover, 176 Seiten, 17,99 EUR