Tichys Einblick
Die edle Linke

Bei Maischberger: Sahra Wagenknecht auf Abschiedtournee und Günther Jauch  

Drei Journalistendarsteller von der Maischbergertankstelle und eine Extrawurst reden über Bildung, ohne das Thema auch nur zu streifen. Und Wagenknecht macht aus ihrem Herzen keine Mördergrube: Immer das Gleiche.

imago images / Horst Galuschka

Schon wieder Mittwoch, schon wieder Sandra Maischberger mit ihrem neuen aufrechten Ganzkörperformat statt den jahrlangen Sitzungen in gemütlicher Runde ohne Claqueure – das war den Öffentlich-Rechtlichen unheimlich geworden, zu wenig Kontrolle, zu wenige Abbiegemöglichkeiten, wenn sich mal ein Studiogast auf dem rechten Sofa mit der politischen Korrektheit verkeilt hatte. 

Dieses Mal soll es die edle Linke Sahra Wagenknecht richten, die sich ja gerade auf Abschiedstournee durch alle Talkshows befindet. Die gerade erst bei Spiegel Online im verschlafenen Morgengruß von Markus Feldenkirchen unter Verdacht gestellt wurde, so was wie einen nationalen Sozialismus zu propagieren. Wagenknechts Newsletter werden mittlerweile mutmaßlich bei immer mehr Empfängern ungelesen entsorgt, nicht mit Ekel, mehr so aus Scham, still und heimlich in den Papierkorb gleich zusammen mit der neuesten Post von der Werteunion. Beides in den virtuellen Eimer. 

Die drei Journalistendarsteller von der Maischbergertankstelle sind dieses Mal recht hochkarätig besetzt: Der lustige Ratequizzi Günther Jauch gibt sich die Ehre, ebenso wie der in Ehren ergraute Sportreporter Marcel Reif und Christine Hoffmann vom Spiegel neben dem schon unvermeidbaren Robin Alexander, von dem man nicht sagen kann, ob er öfter oder weniger oft als Wagenknecht in Talkshows sitzt und wann es passiert ist, dass der zunächst so sympathisch bodenständig Wirkende diese merkwürdig unangenehm spießige Aura um sich verdichtet hat. Nun sind vier einer zuviel, wenn nur drei Journalisten am Tresen geltungsschlau die vergangene Woche kommentieren sollen. Na mal schauen, ob Jauch eine Extrawurst gebraten bekommt. Bekommt er tatsächlich. 

„Hier erfahren Sie, was los war die Woche“, sagt Maischberger zur Begrüßung fast marktschreierisch und startet gleich mit der AfD, mit dem abgewählten Ausschussvorsitzenden Stephan Brandner und der Frage, ob dessen Partei nun schon wieder in der Opferrolle wäre. Cristine Hoffmann stellt immerhin klar, dass eine solche Abwahl in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie vorgekommen ist und dass es dafür eine gewichtigen Grund geben müsse. Robin Alexander findet die Abwahl Brandners korrekt, aber welche furchtbaren Äußerungen da nun gefallen sein sollen, mag keiner so genau aussprechen – ja, es ging um irgendwas mit „Judaslohn“ gegen Udo Lindenberg. Wie schlimm ist das? 

Marcel Reif hat noch einen graden Rücken und weiß wohl, dass er nicht oft in solche Talkshows eingeladen wird, also nutzt er die Gelegenheit und erklärt den reaktionsschnell betroffen bedröppelt dreinschauenden Robin Alexander und Christine Hoffmann erst einmal, was 20-25 Prozent Wählerstimmen für die AfD bedeuten und das man die nicht ausklammern dürfe. 

Tja, doof, wenn ausgerechnet der Sportonkel so ein Fairnessgen in die Sendung schleppt, anstatt die Klappe zu halten und rollengerecht nur über das Runde zu fabulieren, dass ja ins Eckige muss. Applaus für Reif, etwas weniger für Alexander, dessen irgendwann vor Jahren mal aufgeschriebener Unmut über Merkel sich mittlerweile aufgebraucht hat. Aber keine Sorge: In Deutschland reicht so ein One-Hit-Wunder, um noch in fünfzehn Jahren als vermeintlicher politischer Querdenker eingeladen zu werden, der man nie war, nie ist und wohl auch nie sein wollte.  

Und es ist wieder, wie es schon in den letzten Sendungen im neuen Maischberger-Format war: diese Quasselrunde ist gar nicht unterhaltsam. Wirklich nicht. Vielleicht auch deshalb, weil die Zuschauer auf die Pointe warten, die nicht kommen will, solche Ulks, wie man sie eben aus der Heute Show kennt. Also bleibt erneut das Interessanteste an dieser läppischen Startrunde dieser ewige Bernstein am Hals von Maischberger. Dann geht es noch um Männergesangsvereine, wo sich jetzt Frauen einklagen dürfen, was Alexander absurd findet und Hoffmann weniger und sowieso: Die Rente! Ok, Marcel Reif macht das noch ganz gut, wenn er mal fragt, wie das denn sein kann, dass diskutiert werden muss nicht wie, sondern ob Menschen, die in Deutschland 35 Jahre gearbeitet haben, eine vernünftige Rente bekommen sollen, die nicht unter Hartz4-Niveau liegt.

Die ehemalige Fraktionsvorsitzende der Linken sitzt im Publikum und geht wohl in Gedanken schon mal ihre kommende Abschiedsrede durch. Klar ist es schade um die Sozialistin mit dem neunationalen Einschlag, aber erst ist Günter Jauch dran, über Bildung zu reden. Eingeladen tatsächlich wegen der Moderation des Glücksrades oder wie diese Frageshow der potentiellen Millionäre heißt, die angeblich sogar in Indien ausgestrahlt wird. 

Jauch bekam eine schlechte Note in der Schule für seinen bestickten Turnbeutel. Himmel, wer will so was wissen um fast Mitternacht? Wird die Sendung früher aufgezeichnet? Live kann es ja nicht sein – das wird trotz des regulierten Formates nicht mehr riskiert im Öffentlich-Rechtlichen. Was soll das also werden? 

Wer 2019 über Bildung redet, kann doch das Problem des Clashs der Kulturen von der Kita bis zur Oberschule nicht völlig ausblenden, aber Maischberger spricht mit Jauch zum Thema Bildung lieber über dessen schlechte Noten von gefühlt vor einhundert Jahren. „Bildung heißt nicht Wissen“, gähnt Jauch – nein, der Zuschauer. Bildung wäre eher soziales Verhalten und Fleiß und dass man was mit seinem Leben anfangen kann. Um Himmelswillen, da bastelt schon einer an seiner Legende, bloß kein falsches Wort mehr auf der Zielgeraden da hoch auf den Olmyp zu Hans-Joachim Kulenkampff, jetzt bloß kein Scheiß mehr bauen, dann schafft man es später mit über 80 auch zum Vieraugengespräch mit Anne Will, auch ohne Kette zu rauchen. 

„Muss man wissen wie weit der Mond von der Erde entfernt ist?“, fragt Maischberger. Weiß die Moderatorin schon, wie weit ihre Sendung von der Zumutbarkeit entfernt ist und das schon seit mehr als einem halben Jahrzehnt? Hinter Jauch sitzt ein Gast, der sein Handy samt Kameralinse verdächtig aus der Hemdtasche schauen lässt – ob der heimlich das schüttere Haar des Lieblingsmoderators der Deutschen filmt für Youtube?

Sahra Wagenknecht ist immer noch nicht dran. Dazwischen kommen noch mal Alexander, Reif und Hoffmann. Aber lassen wir das gnädig weg und schreiben hier schon mal den Namen der gefallenen Linken hin wie ein Mantra oder der Refrain ihres Abgesangs und warten ab:

Sahra Wagenknecht  … Sahra Wagenknecht … Sahra Wagenknecht.

Sahra Wagenknecht trägt helles Hellbau oder ist es schon reinstes Weiß? So eine Modegeschichte darf man dieses eine Mal ausnahmsweise erwähnen, wenn ihre roten Kleider bisher schon so oft den Eindruck erweckt hatten, sie wolle politisch ein Zeichen setzen in solchen Runden. Aber wofür steht hellblau? Für ein klein bisschen blau? Ob Ehemann Lafontaine zuschaut? Ob die Ehe selbst nun Teil einer gescheiterten Strategie ist, wenn es beide Partner zusammen dann doch nicht geschafft haben, bei der Machtverteilung bedacht zu werden? 

Lafontaine immerhin kann sich im Alter am Niedergang der SPD aufrichten, wenn ihm die müden Knochen weh tun – wer die beiden mal im Wahlkampf auf den deutschen Marktplätzen erlebt hat, der weiß, wie die sich reingeschafft haben, Oskar Lafontaine fast noch mit mehr Schweiß als seine eher unterkühlte Gattin. Und beide im positiven Sinne begnadete Populisten auf der politischen Bühne.

Sahra Wagenknecht wird von Maischberger als „die politische Personalie der Woche“ anmoderiert. Wie tragisch, wenn man vor Jahrzehnten angetreten ist, die Republik umzukrempeln und dann als traurige Gestalt der Woche zum Schluss so einer Sendung abmoderiert wird von einer öffentlich-rechtlichen Bernsteinträgerin. 

Achje, es ist schon ein Jammer, eine große Frau hier Abschied nehmen zu sehen aus der ersten Reihe der Politik ausgerechnet auf diesen Ikea-stylischen milchweißen Möbelchen bei Maischberger um kurz vor Mitternacht. Wenn man Politik auch als Marktplatz von Positionen sieht, wenn man erst an der Schärfe und der Unterschiedlichkeit dieser Positionen den Ist-Zustand der Demokratie erkennen will, dann ist dieser Abschied gleichzeitig auch eine weitere Entwertung der Demokratie, und dass Wagenknecht trotzdem aufsteckt, ist sicher Hinweis darauf, dass es viel gewichtigere Faktoren gibt, die heute Demokratie abbauen. 

Sahra Wagenknechts Burnout wird besprochen. „Das Schlimme in diesem Hamsterrad: Man läuft Gefahr zu vergessen, warum man das macht.“, erklärt die für lange Zeit wohl letzte größere Linke der Republik – wenn man Katja Kipping hier noch keine Erbschaft zutraut. Aber wer weiß, was in der mitunter so sektiererisch wirkenden Dresdnerin in Wahrheit noch alles steckt, wenn die Bahn erst einmal frei ist. 

Wagenknecht macht hier aus ihrem Herzen keine Mördergrube: Sie hätte die Empfindung gehabt, sich zu wiederholen, den Menschen „immer das Gleiche zu erzählen.“ Aber wirklich erhellend und schon gar nicht befriedigend für die, die noch große Erwartungen an die große Linke hatten, ist natürlich auch diese Aussage nicht. Und es wirkt über diese Minuten des öffentlich-rechtlichen Abschiednehmens auch auf merkwürdige Weise irritierend, wenn hinter Wagenknecht zufällig drei ältere Herren sitzen. So etwas bemerkt man, wenn alles schon gesagt ist und trotzdem weitergeredet wird, weil eben noch Sendeminuten über sind. 

Also mach es halt gut, liebe Genossin Sahra, ähm, also bis zur nächsten Talkshow halt, also dann, wenn sich Sahra Wagenknecht nicht an die Empfehlung von Maischberger hält, jetzt, wo sie Zeit hätte, doch mal ihren verschollenen Vater zu suchen, also in den Iran zu fahren. Wie bitte?

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