Tichys Einblick
Interview

„Zusatzeinkommensteuer durch die Hintertür“

Der Bund der Steuerzahler feierte am 10. September sein 70-jähriges Bestehen. Präsident Reiner Holznagel macht im Gespräch über Soli und Staatsschulden deutlich, warum dessen Arbeit so wichtig ist.

Reiner Holznagel, Praesident Bund der Steuerzahler

imago/photothek

Tichys Einblick: Das Bundeskabinett hat die weitgehende Abschaffung des Solidaritätszuschlags ab 2021 beschlossen. Warum sind Sie damit unzufrieden?

Holznagel: Zunächst ist das natürlich besser als nichts. Aber die Teilentlastung sollte auf jeden Fall schon 2020 beginnen – mehr noch: Der Soli sollte in diesem Gesetz für alle Steuerzahler bis 2022 abgeschafft werden. Deshalb unterstützen wir die aktuelle Klage eines Ehepaares aus Bayern. Natürlich wissen wir, dass Steuern nicht zweckgebunden sind – aber bei der Einführung des Solidarpakts im Jahr 1995 wurde die Soli-Abschaffung versprochen, sobald die Hilfen für die neuen Bundesländer auslaufen. Genau das geschieht am Jahresende. Deshalb steht die Politik im Wort, die Menschen müssen sich auf solche Zusagen verlassen können.

Das Argument von Herrn Scholz lautet, dass 90 Prozent der Steuerzahler entlastet werden und die starken Schultern weiter zahlen. Was spricht dagegen?

Dagegen spricht der Gleichbehandlungsgrundsatz. Man kann aus einer allgemeinen Ergänzungsabgabe nicht durch die Hintertür eine Zusatzeinkommensteuer einführen. Hier sollte die Politik mit offenem Visier kämpfen und im Parlament für einen neuen Einkommensteuertarif streiten. Wie dann die Besserverdiener wirklich mehr belastet werden sollen, wird sich dann deutlicher zeigen. Übrigens: GmbHs und Sparer werden den Soli weiterzahlen müssen. Wenn Herr Scholz meint, diese Gruppe gehöre zu den „sehr, sehr reichen“ Steuerzahlern, überrascht das dann schon.

Täglich werden derzeit neue Steuern ins Spiel gebracht: Eine CO2-Steuer, um das Klima zu retten, die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch und Wurst, um den Fleischkonsum zu senken. Ist das alles sinnvoll?

Zunächst sollten wir uns in Erinnerung rufen, dass Steuern in erster Linie dazu da sind, den Staat zu finanzieren – und nicht, um das Verhalten der Leute zu lenken oder Leistung zu bestrafen. Die CO2-Reduktion ausschließlich über eine Steuer zu erzwingen ist naiv. Insgesamt halte ich die CO2-Steuer schlicht für ein Kassenverbessungsprogramm; denn wenn der Ausstoß hoch bleibt, sind auch die Einnahmen hoch! Hier denke ich gleich an die Tabaksteuer: Unter dem Vorwand, die Leute vor sich selbst schützen zu müssen, hat man mehrfach die Steuern erhöht, mit der Folge, dass der Fiskus höhere Einnahmen hatte. Weniger geraucht wurde tatsächlich erst, als das Rauchverbot in Gaststätten und Restaurants eingeführt wurde. Und die Diskussion um die Mehrwert- steuererhöhung auf Fleisch und Wurst ist so abstrus, dass mir dazu nichts mehr einfällt. Jedenfalls wird ein höhe- rer Umsatzsteuersatz auf Fleisch nicht das Tierwohl verbessern.

Der Vizekanzler denkt laut über ein Konjunkturprogramm im Volumen von 50 Milliarden Euro nach und will dafür gegebenenfalls auch feststellen, dass die konjunkturelle Lage so weit von der Normallage abweicht, dass die schwarze Null fallen gelassen wird und gegebenenfalls sogar die Schuldenbremse, die eine Neuverschuldung von bis zu zehn Milliarden Euro zulässt, dann nicht mehr eingehalten werden muss. Unterstützung erhält er von Nobelpreisträger Paul Krugman, der Deutschland auffordert, Schulden zu machen …

Diese ganze Diskussion finde ich in höchstem Maße erschreckend. Wir haben es immer noch mit einer sehr robusten Wirtschaft zu tun, die Steuereinnahmen steigen. Ich kann keine Notwendigkeit für neue Schulden erkennen. Und der Handelsstreit mit den USA oder die Themen, die uns aus der Digitalisierung erwachsen, werden nicht durch mehr Staatsschulden gelöst. Unser Problem ist nicht das Geld.

Sondern?

Wir müssen entbürokratisieren, wir brauchen eine straffe Organisationsstruktur, müssen den Föderalismus unter die Lupe nehmen und damit auch das Planungsrecht verbessern.

Etwas genauer bitte.

Wir alle wollen sicher keine chinesischen Verhältnisse, aber die vielen Mitwirkungsrechte gehen schon sehr weit. Das macht die Planungsverfahren in Deutschland äußerst langwierig und teuer – und den Autobahnkilometer zu einem der teuersten in der Welt. Die Bürger wollen zwar schnelles Internet, aber keine Antennen in ihrer Nachbarschaft, sie wollen fliegen, aber keine Flughäfen, sie wollen mit dem ICE reisen, aber keine Trassen. Auch die Energiewende ist problematisch: Zwar wird durch Wind Strom erzeugt, doch die Leitungen zu den Abnehmern fehlen zum Teil komplett. Da wird über viele Jahre durch alle Instanzen geklagt. Dass in der öffentlichen Verwaltung die Digitalisierung noch kaum Einzug gehalten hat, macht die Dinge auch nicht leichter. Da wird viel geredet, aber wenig gehandelt.

Noch ein Blick auf das kommende Jahr. Die GroKo verabschiedet immer neue und teure Leistungen, doch ob die in den Steuerschätzungen prognostizierten Einnahmenzuwächse tatsächlich erreicht werden, steht in den Sternen. Ist der Haushalt 2020 solide?

Mir ist wichtig, dass die schwarze Null gehalten wird. Die hat eine überragende, auch symbolische Bedeutung. Dafür werden wir uns weiter einsetzen.