Tichys Einblick
Traurig

Worms: „Allahu Akbar“ und ein Bürgermeister

Muss es bei einer Trauerveranstaltung zu einem Mord an einer Frau zuerst darum gehen, dass eine Partei danach eine Kundgebung abhalten will? Nein.

Kann das tatsächlich das eigentliche Problem des sozialdemokratischen Wormser Oberbürgermeisters Michael Kissel (SPD) sein, seine Bürger davor zu warnen, für Nazis gehalten zu werden, wenn diese an einer Mahnwache teilnehmen, die die AfD für Dienstag angekündigt hat? Ist das das eigentliche Problem nach einem Mord, das so ein Bürgermeister hat?

Nein, Worms hat ganz andere Probleme, als die reflexartigen ihres Oberbürgermeisters, der jetzt damit Schlagzeilen macht, dass gegen ihn Morddrohungen ausgesprochen wurden und er mittlerweile unter Polizeischutz steht. Nun muss man solche Drohungen selbstverständlich ernst nehmen, ahnden und mit allen nur möglichen Abwehrmaßnahmen reagieren. Aber im Fokus des Interesses muss etwas ganz anderes stehen: Der Mord an einer jungen Wormserin durch einen Tunesier – und die Trauer der Bevölkerung darüber.

Denn Freundinnen der Ermordeten organisierten einen Trauermarsch, dem fünfhundert Bürger der empörte Stadtbevölkerung folgten.

Die junge Frau war von Dienstag auf Mittwoch in ihrem Elternhaus in Worms mit zehn bis 15 Stich- und Schnittverletzungen im Rücken, am Hals, in der Lunge und an den Händen ermordet wurden. Ihr 22-jähriger tunesischer Freund sitzt nun wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft. Die mutmaßliche Tatwaffe, ein langes Küchenmesser, wurde sichergestellt. Seine Motive seinen noch unklar, eine psychiatrische Begutachtung würde in Erwägung gezogen. Aber was wird dabei heraus kommen? Wird der Psychologe einen Clash of Civilizations diagnostizieren oder sonst Strafmilderndes?

Vier Tage nach dem Mord nahmen am Samstagabend 500 Personen an einem Trauermarsch teil. „Vor dem Elternhaus des Opfers, in dem die Frau am Mittwochabend erstochen wurde, entzündeten die Teilnehmer Kerzen und legten Blumen nieder.“ Der Täter selbst soll bereits polizeibekannt und dort durch diverse Delikte aufgefallen sein. Dann marschierte der Zug zur Trauerfeier.

Und als wäre diese ganze Angelegenheit nicht schon furchtbar genug, rief beim anschließenden Trauergottesdienst ein Unbekannter „Allahu Akbar“ mit theatralisch ausgebreiteten Armen und sorgte damit für eine Panik unter den Gästen des Gottesdienstes, die Polizei musste hier helfend eingreifen. Immerhin schreien diesen Text islamistische Selbstmordattentäter und Killer, ehe sie die Mordwaffen sprechen lassen. Die Lobpreisung Allahs wurde zum Schrei des Todes.

Wie regiert nun der sozialdemokratische Oberbürgermeister? Ihm war es besonders wichtig, eine „Mahnwache” der Landtagsfraktion der AfD am Dienstag danach zu verhindern. Die Wormser Zeitung zitiert OB Kissel dahingehend: Teilnehmer müssten wissen, dass sie dort womöglich „mit braunen und rechtsextremistischen Leuten“ zusammenstehen würden, was als Beleg gewertet werden könne, dass auch sie „mehr rechtsextrem denn rechtspopulistisch sind.“ So schnell wird jemand also verdächtig gemacht. Ein Mord und das Entsetzen darüber wird von einem Bürgermeister also sofort politisierend missbraucht. Dabei ist so ein Bürgermeister vor der Wahl Partei; als Wahlbeamter aber allen Bürgern verpflichtet. Nicht nur den Mitgliedern seiner SPD. Aber mittlerweile rücken die Opfer ohnehin in den Hintergrund; agiert wird nur noch parteipolitisch. Nicht mehr Schmerz und Angst sind das Thema, sondern mögliche Wählerstimmen für die Wiederwahl.

Wenn eine Partei, hier die AfD, im Zusammenhang mit einem Mord zu einer Veranstaltung aufruft, betreibt sie – gewollt oder ungewollt – Parteipolitik. Das ist legal, legitim allerdings nicht. Dass der Oberbürgermeister sich das für seine Partei, die SPD, zunutze machen will, ist weder legal noch legitim. Denn als Oberbürgermeister hat er keine Partei zu ergreifen.