Tichys Einblick
Wie bitte?

Wolfgang Schäuble will keine Hoffnung „schüren“

In Ihrer Wendung gesagt, Herr Schäuble, schüren Sie mal nicht Hoffnungen bei den Einheimischen, dass Einwanderer in großer Zahl ihre Identität aufgeben.

John MacDougall/AFP/Getty mages

WeLT Online verdankt der Leser die Information, was Wolfgang Schäuble, der als Bundestagspräsident nach Staatsprotokoll Rang zwei nach Bundespräsident und vor Bundeskanzler einnimmt, im Interview mit WELT AM SONNTAG sagte:

»Wir sollten uns klar machen, wie schwer es ist, im Einzelfall abzuschieben. Deswegen sollten wir auch nicht allzu stark die Hoffnung schüren, dass wir die Großzahl dieser Menschen zurückführen können. Eher sollten wir alle Kraft dafür aufbringen, sie in unsere Gesellschaft zu integrieren.«

Dass Hoffnungen nicht geschürt werden, sondern geweckt, genährt usw., verrät Schäuble bereits semantisch. Das Wort schüren ist ihm rübergerutscht von Angst schüren, Glut, Wut, Hass und Neid schüren. Hätte er gesagt, keine falschen Hoffnungen wecken, wäre kein semantischer Warnton erklungen. Aber er hat schüren gesagt, weil er das meint.

In Anlehnung an einen von Angela Merkels berühmten Kurzsätzen, jetzt sind sie halt da, der ganz nüchtern ja stimmt, der aber so, wie sie es meinte, nicht legitim war, sagt Schäuble nun: Da wir die meisten nicht zurückschicken können (in Wahrheit nicht wollen), müssen wir sie halt integrieren.

Das ist kein semantisches Problem, sondern wahlweise eines der politischen Ignoranz, Unverschämtheit oder noch schlimmer: Unmenschlichkeit.

Wer schon so lange Berufspolitiker ist und wie Schäuble nicht im Rufe mangelnder Intelligenz steht, muss wissen: Menschen haben eine Herkunft, eine Identität, die gebettet ist in die Familie, aus der sie kommen, in die Kultur, in der sie aufgewachsen sind – und in die sie hier in ihren Parallelgesellschaften enger oder loser eingebunden bleiben.

Herr Schäuble, diesen real existierenden Einzelnen kann niemand eben so mal anordnen, nun integriert euch mal schön, hier habt ihr ein paar Kurse, hier Geld, hier, ich weiß nicht was, und nun integriert euch. Herr Schäuble, Sie sind ja nach Jahrzehnten auch nicht aus ihrer badischen Haut gekrochen und weder in Bonn, noch Berlin identitär angekommen. Auch wenn Sie sich in Berlin fast nur unter solchen befinden, denen es nicht anders geht.

In Ihrer Wendung gesagt, Herr Schäuble, schüren Sie mal nicht Hoffnungen bei den Einheimischen, dass Einwanderer in großer Zahl ihre Identität aufgeben. Das bedeutet nämlich integrieren in Wahrheit, integrieren ist doch nichts anderes als der semantische Schwindel von assimilieren light. Sie, Ihre Kanzlerin und all die anderen, haben zwar die Botschaft ausgesandt, kommt alle. Aber niemand hat dazu gesagt, dass von ihnen verlangt werden würde, ihre Identität abzulegen, weil die hier auch eine haben, eine andere. Sie waren und sind nicht fair zu denen, die kamen und kommen, und denen, die schon da waren und bleiben wollen. Denn beide haben das Recht zu bleiben, wie sie sind. Und die politisch korrekte Linke hat kein Recht, ihre pseudoglobale Identität Einwanderern UND Einheimischen zu verordnen.