Tichys Einblick
Zahlen zeigen: Es wird weniger gebaut

Wohnungs(bau)not in Deutschland: Bauaufträge gehen stark zurück

Bauunternehmen bauen weniger. Sie stornieren ihre Projekte oder verschieben sie langfristig. Somit erreicht die Bundesregierung dieses Jahr wieder nicht ihr Ziel, 400.000 Wohnungen zu bauen.

IMAGO / Winfried Rothermel

Keine guten Aussichten für den Wohnungsbau: Bauunternehmen bekommen weniger Aufträge rein, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. So seien die Aufträge im Februar im Vergleich zum letzten Februar um mehr als 15 Prozent zurückgegangen. Das heißt nichts Gutes mit Blick auf das politische Ziel der Ampel, 400.000 Wohnungen jedes Jahr bauen zu wollen.

Laut einer Studie von Professor Dietmar Walberg vom Kieler Wohnungs- und Bauforschungsinstitut hängt dies mit den stark gestiegenen Baukosten zusammen: Durch gestiegene Zinsen, Errichtungskosten und neuerdings Klimastandards ergeben sich nach der Studie Miet- und Kaufpreise, die am Markt kaum mehr durchsetzbar sind. Demnach lohne es sich für Bauunternehmen nicht mehr, neue Wohnungen zu bauen. Das zeigt auch eine jüngste Umfrage von Bauunternehmern, die das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung der Universität München durchgeführt hat: Demnach würden viele Bauunternehmen mit geringeren Investitionen rechnen. Gleichzeitig mangele es immer mehr Wohnungsbaubetrieben an Aufträgen. Das liege mitunter an vermehrten Stornierungen in den letzten Monaten: Laut der Umfrage meldeten für den vergangenen Februar rund 15 Prozent der Unternehmen abgesagte Aufträge.

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Stornieren Unternehmen ihre Bauaufträge, ist es laut Walbergs Studie kaum möglich, dass die Regierung ihr Ziel erreicht, jährlich 400.000 Wohnungen zu bauen. Im letzten Jahr hat die Ampel dieses Ziel bereits verfehlt. In diesem Jahr sei wieder davon auszugehen, wie aus der Studie hervorgeht: In dieser führt Professor Walberg Prognosen auf, die zeigen, dass Bauunternehmen im nächsten Jahr sogar „deutlich“ weniger als 400.000 Wohnungen fertigstellen werden. „Somit wird die Zielmarke zur Bedarfsdeckung an Wohnraum in Deutschland nachdrücklich verfehlt“, kritisiert er.

Dabei könne die Regierung das Ziel durchaus erreichen, zeigt die Studie. Immerhin „dürfte der Bauüberhang Ende letzten Jahres einen neuen Rekordwert erreicht haben“. Als Bauüberhang gelten Gebäude, die zwar genehmigt, aber noch nicht fertiggestellt sind. Lange Zeit galt dieser als Umsetzungsprognose für den Bau. Walberg glaubt aber nicht daran, dass all die genehmigten Bauprojekte tatsächlich umgesetzt werden: Gut ein Drittel der Bauüberhänge sind laut der Studie noch nicht begonnen, aktuell würden Bauunternehmen diese Projekte aber langfristig verschieben oder sogar vollständig auf sie verzichten. Auch hier wieder die Gründe: hohe Zinsen, hohe Errichtungskosten, hohe Qualitätsansprüche an die Energieeffizienz eines Gebäudes.

Durch die neuen Normen und Standards, die die Regierung für den „Klimaschutz“ fordert, erschwere und verteuere sich die Situation für den Bau noch weiter, kritisieren Experten des „Verbändebündnis Wohnungsbau“ – ein Verband aus sieben führenden deutschen Verbänden in diesem Bereich. All diese „Kostentreiber“ sorgen dafür, dass sich das Bauen für die Unternehmen schlichtweg nicht mehr lohne. Das beweisen ebenfalls die Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Der Umsatz im Bau ist innerhalb eines Jahres um rund 7 Prozent gesunken.

Wenn Unternehmen aber keine Aufträge mehr bekommen und aufhören, zu bauen, dann komme es in Deutschland nicht nur zu einem problematischen Wohnungsmangel, sondern auch dazu, dass die Kapazitäten für den Bau abgebaut werden, betont Walberg: Ohne Aufträge braucht man eben keine Mitarbeiter. Sind die Kapazitäten laut Walberg erst einmal heruntergefahren, wird es schwer, sie wieder hochzufahren. Dann hat Deutschland also den Salat – muss ihn aber wohl auf der Straße essen, weil es zu wenige Wohnungen gibt, dass jeder Bürger ein Esszimmer besitzt.

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