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Windräder versus Flugsicherheit: angeblich nicht so gefährlich

Bisher gilt ein Verbot von Windrädern rund um Flugnavigationsanlagen. Das soll jetzt aufgeweicht werden – zur Freude der Windkraft-Branche.

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Bisher galt rund um Flugnavigations-Anlagen in Deutschland ein Verbot, Windkraftanlagen zu errichten. Grund: Windräder können das so genannte Drehfunk-Feuer stören, das für die Sicherheit im Luftverkehr eine entscheidende Bedeutung besitzt.

Die Deutsche Flugsicherung (DFS) hält einen Schutzbereich von 15 Kilometern um jedes Drehfunk-Feuer für notwendig – schon deshalb, weil die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) dazu die entsprechende Vorgabe macht. Im Umkreis von drei Kilometern zu den Navigationsanlagen sind keine Windräder erlaubt, im Radius von 10 bis 15 Kilometern entscheidet das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) von Fall zu Fall. In Streitfällen werteten die Gerichte – wenig verwunderlich – die Sicherheit der Luftfahrt regelmäßig höher als das Interesse eines Investors, ein Windrad zu errichten.

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Diese Regelung stellt für die Windkraftbranche schon länger ein Ärgernis dar: ihre Vertreter klagen darüber, das damit viele Anlagen „blockiert“ würden. Jetzt soll das Verbot von Windturbinen rund um Flugnavigationsanlagen offenbar aufgeweicht werden, um neue Flächen für Windräder zu schaffen. Im Auftrag des Bundeswirtschaftsministerium untersuchte die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) die Störungen von Drehfunkfeuern durch Windrotoren, und kommt zu dem Schluss, die Gefahren seien bisher „offenbar überschätzt“ worden. So jedenfalls deutet der Branchenverband BDEW die Ergebnisse.

BDEW-Chefin Kerstin Andreae kommentiert die Untersuchungsergebnisse so: „Selbstverständlich müssen für die Flugnavigation weiterhin höchste Sicherheitsstandards gelten. Es müssen allerdings auch realistische Grundlagen für die Bewertung der Flugsicherheit herangezogen werden um die Flächen für den dringend benötigten Ausbau von Windkraft an Land nicht unnötig zu beschneiden.“ Sie spricht von „zu restriktiven Vorgaben“ der Flugsicherung. „Angesichts des starken Einbruchs beim Ausbau von Windkraftanlagen aufgrund von Klageverfahren und Abstandsregelungen“, so Andreae, „müssen wir jede Chance nutzen, um hier wieder einen Schritt vorwärts zu kommen.“

Allerdings zeigen die bisherigen Auktionsergebnisse für den Neubau geförderter Windkraftanlagen, dass es überhaupt nicht an Flächen fehlt – sondern an Investoren, seit es keine pauschalen Einspeisevergütungen mehr gibt, sondern nur noch die günstigsten Anbieter zum Zug kommen. Im Oktober 2019 gab es beispielsweise überhaupt nur für 30 Prozent der ausgeschriebenen Kapazitäten Gebote.
Um so erstaunlicher wirkt es, dass der BDEW und offensichtlich auch das Bundeswirtschaftsministerium im Zweifel die Flugsicherheit beschneiden will, um an zusätzliche Flächen für den Windkraftausbau zu kommen.

Nach einer Übersicht der Bundesfachagentur Windkraft an Land spielt bei Klagen und Verhinderungen von Windrädern die Flugsicherheit nur eine marginale Rolle. Laut Statistik des Lobbyverbandes werden 48 Prozent aller Windkraft-Vorhaben wegen spezifischen Artenschutzes beklagt – etwa, weil Brutgebiete des Milan oder anderen seltenen Vögeln in dem vorgesehenen Gebiet liegen – , 24 Prozent wegen allgemeinem Artenschutz, 32 Prozent wegen Form- und Verfahrensfehler und 17 Prozent wegen Lärmschutz (Mehrfachnennung ist in der Erfassung möglich). Dagegen können aktuell gerade ein Prozent aller geplanten Anlagen wegen möglicher Radarstörungen nicht gebaut werden, ein weiteres Prozent wegen Tiefflugkorridoren und 0,3 Prozent wegen der potentiellen Störung von Drehfunk-Feuer.


Quelle: Fachagentur Windenergie

Die Flugsicherheit bremst den Windkraft-Ausbau mit Sicherheit nicht.

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