Tichys Einblick
Märchen von den reichen Deutschen

Wie der Staat den Traum vom eigenen Häuschen zerstört

In keinem anderen Staat der EU gibt es so wenig Immobilieneigner wie in Deutschland. Statt Vermögensbildung zu unterstützen, hebt der rot-grüne Senat in Hamburg nun die Grunderwerbssteuer um 22 Prozent an. Und es gibt noch mehr Ideen, Bürgern den Besitz zu vermiesen

Deutschland gehört, anders als es viele Politikern gern suggerieren, nicht zu den reichen Ländern in Europa und der Welt. Mit durchschnittlichen Vermögenswerten pro Kopf – also Sparvermögen, Immobilien, Lebensversicherungen – von 85 367 Euro rangieren die Bundesbürger weit hinter den Schweizern (313 259 Euro), den Amerikanern (260 582 Euro), den Niederländern (181 930) und den Franzosen (94 986 Euro). Ein wesentlicher Grund neben der Aktien-Skepsis: Deutschland weist die geringste Immobilieneigentümer-Quote der EU auf. Nur etwa die Hälfte der Menschen in Deutschland wohnen in den eigenen vier Wänden. Auch Österreich findet sich übrigens in der Eigentümerstatistik sehr weit hinten.

Screenprint via Twitter / Monika Köppl Turyna

Statt den Immobilienerwerb gerade in Zeiten der anziehenden Inflation wenigstens zu erleichtern, geht das rot-grün regierte Hamburg jetzt voran, um die Vermögensbildung noch weiter zu erschweren. Der Senat der Hansestadt beschloss, die Grunderwerbssteuer ab 2023 von 4,5 auf 5,5 Prozent des Immobilienwertes anzuheben – also um gut 22 Prozent. Da schon die Immobilienpreise in den Ballungsräumen in den letzten Jahren stark nach oben gingen, verteuert sich der Kauf durch den staatlichen Zugriff noch weiter. Der Erwerb einer Immobilie für 500 000 Euro würde dann ab 2023 durch die höhere Steuer noch einmal um 5000 Euro kostspieliger.

Die Steuererhöhung sei nötig wegen der corona-bedingt angespannten Haushaltslage, so Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) – vor allem durch die Steuereinbrüche wegen der verhängten Lockdowns. Der Zugriff bei der Grunderwerbssteuer soll Hamburg 123 Millionen Euro mehr pro Jahr bringen. Allerdings: Da die Grunderwerbssteuereinnahmen auch bei einem gleichbleibenden Satz durch die Immobilienpreise steigen, profitierte der Staat ohnehin schon von dem Preisauftrieb. Im Jahr 2009 kassierte der Hamburger Fiskus noch 270 Millionen Euro in dieser Steuerart. Im vergangenen Jahr waren es schon 600 Millionen Euro. Der Finanzsenator verspricht zwar eine minimale Erleichterung für jüngere Familien. Käufer unter 45 Jahren mit mindestens einem Kind sollen in Zukunft 3,5 Prozent Grunderwerbssteuer abführen – also gerade einmal einen Prozentpunkt unter dem aktuellen Satz.

Anders als etwa die Niederlande, wo der Staat seine Bürger beim Vermögenserwerb unterstützt, indem er jüngeren Käufern die Grunderwerbssteuer ganz erlässt, greifen die deutschen Bundesländer beim Grunderwerb fast alle kräftig zu. In Brandenburg und Nordrhein-Westfalen liegt die Grunderwerbssteuer sogar bei satten 6,5 Prozent, in Berlin bei sechs Prozent. Bundesweit gibt es nur eine Ausnahme: Sachsen verlangt seinen Immobilienkäufern nur 3,5 Prozent ab. 

Die Kombination aus der höchsten Steuerbelastung in Europa, hohen Immobilienpreisen und kräftiger Erwerbssteuer macht den Eigentumserwerb gerade in dem Land besonders schwer, das eigentlich im Immobilienbesitz gegenüber allen anderen EU-Staaten aufholen müsste. Dazu kommen noch weitere Belastungen. Ab 2025 soll nach dem Willen der Berliner Ampel-Koalition in allen Gebäuden der Einbau von Heizanlagen zur Pflicht werden, die zu mindestens 65 Prozent nicht mehr fossil betrieben werden. In den meisten Fällen bleibt als einzige Möglichkeit die elektrisch betriebene Wärmepumpe – nicht nur für Neu- sondern auch für Bestandsbauten. Nach der jetzt schon existierenden EU-Vorgabe sollen Öl- und Erdgasheizungen in mehreren Stufen mit Milliardenkosten für Hauseigentümer und Mieter verdrängt werden. Der Haus- und Grundbesitzerverband schätzt, dass spätestens ab 2033 drei Millionen Gebäude in Deutschland nicht mehr genutzt werden können – weil der Einbau teurer neuer Systeme plus Dämmung so teuer wird, dass er den Wert vor allem älterer Häuser auf dem Land übersteigen würde. Auf alle Immobilieneigner – egal ob Selbstnutzer oder Vermieter – kommt ein gewaltiger Kostenschub zu. 

Als wäre das noch nicht genug, schlugen Mitarbeiter des regierungsnahen Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vor kurzem die Einführung einer Hauszinssteuer vor – also eine Extrasteuer für Mieteinnahmen, die bekanntlich ohnehin schon der Einkommensteuer unterliegen. Das passt zu der demonstrativen Verachtung, die im linken Spektrum der Vermögensbildung entgegengebracht wird. Von dem heutigen SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert stammt der Satz, den er noch als Juso-Chef äußerte, aber nie zurücknahm, dass seiner Ansicht nach überhaupt niemand mehrere Immobilien besitzen sollte – sondern maximal das Wohneigentum, das er selbst nutzt. Für die Frage, wie sich Bürger gegen die auch staatlich angeheizte Inflation schützen sollen, fühlen sich Politiker wie Kühnert nicht zuständig. 

Der Chef des DIW Marcel Fratzscher weist zwar darauf hin, dass die Mittelschicht in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich schrumpfte. 

Helfen sollen nach Ansicht seiner Forscher aber nicht Steuersenkungen, sondern vor allem staatliche Umverteilung. Neben der Hauszinssteuer schlugen sie kürzlich ein staatlich zugeteiltes „Grunderbe“ von 20 000 Euro für jeden jüngeren Bürger vor. Das Geld dafür, so ihre Idee, sollte der Fiskus bei den Reichen abkassieren. Allerdings: Nur gut vier Prozent der Deutschen besitzen überhaupt mehr als 500 000 Euro, alle Vermögenswerte zusammengerechnet. Auf diesen Wert kommt durch die stark gestiegenen Immobilienpreise beispielsweise schon ein Facharbeiter, der sich vor dreißig Jahren ein Haus in einem damals wenig attraktiven Stadtteil von München leistete. Auf Twitter hielten viele Nutzer Fratzscher entgegen, dass 500 000 Euro heute meist noch nicht einmal reichen, um eine bescheidene Wohnung in der bayerischen Hauptstadt oder einer anderen teuren Metropole zu kaufen. Der DIW-Chef erregte auf Twitter einiges Aufsehen mit seiner Reaktion, als ihm der bekannte Kolumnist Rainer Mayer alias Don Alphonso vorhielt, wie wenig Wohneigentum sich Kaufwillige mittlerweile für 500 000 Euro in Städten leisten können. 

Fratzscher riet dem Autor („ungefragte Empfehlung“) zum Grunderwerb – und zwar in Polen.

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