Tichys Einblick
Ein Schiff geht unter

Wer die CSU zum Freund hat, braucht keinen Feind mehr

Der Machtkampf zwischen Armin Laschet und Markus Söder über die Kanzlerkandidatur eskaliert. Ihre Spielzüge sind unterhaltsam und werden zeigen, ob die Kandidaten sich trauen, Merkels Rockschoß loszulassen. Eine Charakteranalyse der Kandidaten

IMAGO / Sven Simon

Ach, wie süß haben am Wochenende „der Armin“ und „der Markus“ übereinander gesprochen. Armin Laschet und Markus Söder haben sich darauf verständigt, dass sie respektieren, wer auch immer Kanzlerkandidat der CDU/CSU wird. Und Söder erklärte, er wolle nur Kandidat werden, wenn die CDU das auch wolle. Das wurde in der ersten Runde so interpretiert, dass das CDU-Präsidium letztendlich den Kanzlerkandidaten bestimmt, wenn es sich für Armin Laschet ausspricht. 

Söder betonte weiter, er wolle nur kandidieren, „wenn die CDU bereit wäre, mich zu unterstützen“. Andernfalls bleibe er „ohne Groll“ zurück.

Also alles klar?

Das Präsidium habe Laschet deutlich gemacht, erklärte Mitglied und Hessen-Ministerpräsident Volker Bouffier, dass „wir ihn für außergewöhnlich geeignet“ halten, und ihn gebeten, „mit Markus Söder jetzt gemeinsam den weiteren Weg zu besprechen, wie wir das machen“. 

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Überhaupt nichts ist klar. Denn was gelten schon Erklärungen in Zeiten des Machtkampfes? Söder antwortete aus München umgehend, nachdem ihm sein Präsidium, das der CSU, den Rücken gestärkt hatte. Es waren lauter Gemeinheiten, voller Groll ausgespuckt Richtung Berlin. Als zentrales Kriterium nannte der bayerische Ministerpräsident die Chancen des jeweiligen Kandidaten: „Am wichtigsten sind die Chancen in der Bevölkerung.“ Faktisch stellt er damit Laschet als den Favoriten der Funktionäre dar, und sich als Liebling der Wähler. Denn Umfragen seien ein deutlicher Hinweis darauf, was die Bevölkerung denke. Sie seien zwar nicht alles, „aber sie sind ein deutlicher Maßstab.“ Denn: „Wir können uns nicht abkoppeln von einer Mehrheit der Menschen im Land.“ Das ist ein mehr als deutlicher Hinweis auf seine wesentlich besseren Umfragewerte als Laschet. Und für den, der es noch immer nicht kapiert hat:

 „Personen spielen eine zentrale Rolle, Personen ziehen die Parteien – nicht umgekehrt.“ Und: „Wahlen gewinnt man nur mit einer aktiven Mitgliederschaft, die bereit ist zu kämpfen.“ Denn auch bei erfolglosen Wahlen seien zuvor Kandidaten einstimmig nominiert worden.

Es gebe noch „viel Diskussionsbewegung“, unter anderem in der Bundestagsfraktion von CDU und CSU. Da gelte es in den nächsten Tagen „hineinzuhorchen“. Erstmal spielt er auf Zeit, bis zum Ende der Woche, und diese Zeit bedeutet Konflikt: „Wir werden in dieser Woche ein Ergebnis haben, aber die brauchen wir noch.“

Horchen und Zuhören ist ja nicht das, was man von Söder so kennt.

Wie auch immer: Laschet ist noch nicht Kanzlerkandidat, und er hat in der Partei und der Bundestagsfraktion hinreichend viele Feinde mit dem Dolch im Gewande. Selbst wenn er sich durchsetzt – er ist dann Kandidat von Söders Gnaden. Wer solche Freunde hat, wie die CSU einer ist, der braucht keine Feinde.

Man kann sich also zurücklehnen und einen Machtkampf erster Güte genießen. Es ist ein Krieg der Gladiatoren. Das Bild passt, weil Söder schon erklärt hat, auf wessen Daumen es ankommt: Auf den von Angela Merkel. Nur mit ihr sei der Wahlkampf erfolgreich zu bestreiten. Söder will also Muttis Kandidat sein.

Das lässt hoffen: Die Abstimmung über den Kanzlerkandidaten ist damit auch eine Abstimmung über Merkel: Wird die CDU unter Söder ihre Politik fortsetzen – oder kann sie sich davon befreien? Man darf auf den nächsten Zug gespannt sein, den jetzt Laschet macht. Führt der ihn ein Stück weit weg von Merkel, oder kriecht er wieder unter? Viel Vergnügen.  

Nun kann man sich ja bei Laschet nicht so sicher sein, was er wirklich vorhat. Er wirkt ja etwas weich, der rheinische Singsang schleift die Schärfe der Worte ab. Wie Adenauer kann er so die allergrößten Gemeinheiten aussprechen, und die protestantisch-norddeutschen Politiker denken noch darüber nach, während sie längst abgemurkst werden. Politik täuscht und mordet. Laschet ist härter, als er aussieht.

Sein Privatleben sei eine „einzige Konstante“, hat der Spiegel abfällig bemerkt, weil er Frau, Familie und Heimatort treu geblieben ist. Aber ist das wirklich nachteilig? Bei Söder jedenfalls spürt man unwillkürlich, dass Schein und Sein nicht zusammenpassen. Vermutlich ist er nicht weniger verschlagen als Laschet, aber die Verschlagenheit steht Söder ins Gesicht geschrieben und gilt vollumfänglich. In jeder Hinsicht. Es sind diese „Schmutzeleien“, die Horst Seehofer an ihm bemerkt hat. Söder spielt gern den harten Maxe. Fährt man durch Bayern spürt man, wie das Land unter seiner Corona-Politik leidet. Der Mittelstand verendet. Die Innenstädte einst noch blühender Mittelstädte wirken wie ein Gebiss, in dem die Hälfte der Zähne verfault sind: Handwerk und Gewerbe geben auf, vernageln ihre Ladengeschäfte. „Gott behüte Deine Fluren, schütze Deiner Städte Bau“ heißt es in der Bayern-Hymne – unter Söder leiden die Fluren wie die Städte unter einer Politik, die nicht mehr rationalen Erwägungen folgt, sondern das Land zum Instrument seines Machtwillens missbraucht.

Unter Armin Laschet hat sich NRW nach den unglücklichen Jahren der SPD-Regierung Kraft sichtbar erholt und regenerieren können. Das mag daran liegen, dass er sein Ego zurücknehmen kann, statt herumzutrampeln wie Söder. Auch in der Coronapolitik hat er immer wieder versucht, etwa mit der Heinsberg-Studie, einen vernünftigen Kurs zu fahren. Das wäre ihm hoch anzurechnen, wenn er nicht immer wieder umgefallen wäre, weil er auch so knallhart wirken will wie Söder – zuletzt mit seinem albernen „Brückenlockdown“.

Und er demonstriert gelegentlich Abweichung von der Kanzlerin, um dann wieder geflissentlich den Kopf vor ihr zu neigen und politisch korrekt bis zur offenen Lächerlichkeit von „Macher+innen“ zu sprechen und Quoten für sein mögliches Kabinett zu versprechen, wonach Kompetenz nichts, Gefälligkeit gegenüber Merkels Zeitgeistpolitik alles ist. Söder hat von vornherein diese Verbeugung bis zum Kuss der Zehen der Kanzlerin gepflegt.

Das stößt ab. Wahlkampf dient der Wahrheitsfindung. Wir werden in dieser Woche sehen, wie sich die Kandidaten präsentieren. Zur Wahrheit gehört auch: Die Chancen für das Amt stehen für beide schlecht. Wer grün angehaucht ist, wählt das Original, und ständige Beteuerungen und Verbeugungen der beiden Kandidaten vor den Grünen sind die beste Wahlkampfhilfe für die Grünen. Die CDU wie auch die CSU haben sich als eigenständige inhaltliche Kraft aufgegeben. Insofern viel Spaß beim Zuschauen, wenn das Schiff im grünen Teich versinkt sinkt und dabei hübsche Blasen blubbert. Das mag schlimm für das Land sein, nicht für die Kandidaten. Falls Laschet im September die Wahl verliert, bleibt er zur Belohnung MP in NRW und seine Konstante pflegen.  Söder wird erklären, er habe es ja immer gesagt und Bayern wird besonders leiden. Und Merkel, dass ihre Nachfolger inklusive AKK es halt nicht konnten.

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