Tichys Einblick
Berliner Polizisten ungleich behandelt?

Wenn ein Antidiskriminierungsgesetz diskriminiert

In Berlin gilt seit kurzem eine Regelung, die Polizeibeamte unter Rechtfertigungszwang setzt. Aber nur eigene Beamte – nicht Kollegen aus anderen Ländern. Ein FDP-Politiker sieht darin eine rechtswidrige Ungleichbehandlung

imago images / Marius Schwarz

Seit Juni 2020 gilt in Berlin das von der rot-rot-grünen Regierung beschlossene Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG), das in seiner Form deutschlandweit einmalig ist: es ermöglicht nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Verbänden, wegen einer vorgeblichen Diskriminierung gegen die Polizei vorzugehen. Die Behörde – und in der Konsequenz der einzelne Beamte – muss dann nachweisen, jemand nicht diskriminierend behandelt zu haben, etwa bei einer Drogenrazzia oder als Teilnehmer einer Demonstration.

Innenminister mehrerer Bundesländer kündigten zunächst an, keine Polizisten mehr in Amtshilfe nach Berlin zu schicken, um sie diesem Generalverdacht nicht auszusetzen. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verfügte, vorerst könnten keine Bundespolizisten via Amtshilfe in der Hauptstadt eingesetzt werden. Darauf gab es eine „Einigung“ zwischen Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) und Seehofer mit der Klarstellung, das LADG gelte nur für Berliner Beamte.

Der fraktionslose Berliner Abgeordnete Marcel Luthe (FDP) fragte den Senat nach dem Geltungsbereich des Gesetzes. Und bekam zur Antwort: Es galt von Anfang an ausschließlich für Berliner Beamte. Etwas anderes lasse die Gesetzgebungskompetenz des Bundeslandes gar nicht zu.

„Der Aufstand der CDU-Innenminister war ein Popanz“, spottet Luthe nun. Auch die Meldungen über eine „Einigung“ zwischen Seehofer und Geisel zum LADG seien irreführend, da es die Rechtsunsicherheit für Beamte anderer Länder in Wirklichkeit nie gab. Dafür sieht Luthe ein ganz reales Problem: Stehen Polizisten aus Berlin und Kollegen anderer Bundesländer bei einem Einsatz – beispielsweise am 1. Mai – Seite an Seite, dann werden sie rechtlich ungleich behandelt.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
„Der Berliner Landespolizeibeamte am 1. Mai ist durch das LADG gebunden, der neben ihm stehende Kollege aus Brandenburg nicht“, so der Abgeordnete. „Am Hauptbahnhof ist der Beamte der Bundespolizei nicht an das LADG gebunden, der fünf Meter weiter stehende Berliner Landesbeamte schon. In beiden Fällen muss der Berliner Beamte mit einem Disziplinarverfahren rechnen und darin die Richtigkeit seiner Handlung darlegen, die Kollegen dagegen nicht – und wenn, muss ihnen ein Fehlverhalten nachgewiesen werden.“

Das Berliner Landes-Antidiskriminierungsgesetz, argumentiert der Politiker, führe also paradoxerweise zu einer Diskriminierung – nämlich der eigenen Beamten. Auch nach dieser Konsequenz fragte Luthe die Senatsverwaltung. Die Antwort:
„Dass das LADG nur für öffentliche Stellen Berlins gilt, auch wenn Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte anderer Länder oder des Bundes in Berlin dienstlich tätig sind, ist Ausfluss der auf die öffentlichen Stellen Berlins begrenzten Gesetzgebungskompetenz des Berliner Landesgesetzgebers. Eine Diskriminierung kann darin daher nicht erblickt werden.“

Diese Sicht der Berliner Regierung überzeugt den Freidemokraten nicht. Er rät betroffenen Berliner Polizeibeamten, die sich nach einer vorgeblichen Diskriminierung rechtfertigen müssen, wegen Ungleichbehandlung zu klagen – unter ausdrücklicher Berufung auf das LADG, Artikel 3 des Grundgesetzes und Artikel 10 der Berliner Verfassung: „Es kann nicht sein, dass Gleiches – die Ausführung einer Polizeivollzugsaufgabe – ungleich behandelt wird, je nachdem wer diese in Berlin ausführt. Das LADG wendet sich also gegen sich selbst.“

Ändern würde sich die Rechtslage erst dann, wenn andere Bundesländer und der Bund das Berliner Antidiskriminierungsgesetz übernehmen. Es spricht allerdings nichts dafür, dass das so schnell passiert.

Anzeige