Tichys Einblick
Agora-Affäre im Wirtschaftsministerium

Was wusste Habeck über Graichens Verstöße?

Einen Tag vor der Anhörung wusste Robert Habeck bereits, dass sein Staatssekretär Patrick Graichen in eine pikante Überweisung verwickelt war. Das Endergebnis der Prüfung wartete der Minister nicht ab, sondern stellte sich hinter Graichen.

IMAGO / penofoto
Nach der Demission seines Staatssekretärs Patrick Graichen kommt das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck nicht zur Ruhe. Denn offenbar hat Habeck bereits vor der Anhörung hinter verschlossenen Türen davon gewusst, dass Graichen in wenigstens einem Fall angreifbar war.

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Graichen ist weg – was jetzt passieren muss
Am 9. Mai, einen Tag vor der Anhörung, bei der Habeck seinen Staatssekretär verteidigte, war der Minister über Ungereimtheiten informiert worden. „Der Sachverhalt zum BUND Landesverband Berlin hat Bundesminister Habeck im Rahmen der internen Prüfungen erstmals am 9. Mai 2023 erreicht. An diesem Tag lag eine erste rechtliche Einschätzung im BMWK vor, die zu dem Ergebnis kam, dass keine rechtlichen Fehler vorliegen, aber weiter geprüft werden sollte“, heißt es in einer Antwort an die Bild-Zeitung.

Heißt: Habeck ging am 10. Mai in die Anhörung, obwohl er wusste, dass es mindestens ein Verfahren gab, bei dem das Ergebnis noch ausstand. Trotzdem stellte er sich vor seinen Staatssekretär, sprach sogar von einer „böswilligen“ Kampagne gegen Graichen. Auch später stärkte Habeck dieses Narrativ, indem er davon sprach, dass rechtsextreme und pro-russische Accounts „Lügen“ verbreitet hätten. Dabei war es genau dieses Verfahren um 600.000 Euro an den BUND, dem Graichens Schwester Verena als stellvertretende Vorsitzende angehört, das später zur Entlassung des Staatssekretärs führte.

Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Julia Klöckner, forderte eine Verschärfung der Verhaltensgrundsätze im Ministerium (Compliance-Regeln). Das dürfte nur ein Anfang sein. Denn auch Habecks eigene Zukunft als Minister steht mittlerweile infrage. Eine erste rechtliche Einschätzung ist schließlich kein Ergebnis. Habeck hätte zumindest Vorsicht walten lassen müssen, statt sich kompromisslos hinter den Beamten zu stellen. Die Opposition dürfte deswegen die berechtigte Frage stellen: Hat Habeck den Ausschuss getäuscht?

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