Die Jamaikaner bilden – so es überhaupt so weit kommt – eine Koalition der Verlierer. Im Bund verlor die Union 8,6 Prozent, in Niedersachsen die CDU (Hochrechnung von 23.13 Uhr) 2,4 Prozent. Die Grünen haben im Bund gerade eben 0,5 Prozent zugelegt, in Niedersachsen 5,0 abgeben müssen. Nur die FDP konnte wenigstens einmal jubeln, hatte sie im Bund doch um 5,9 Prozent zugenommen; getrübt wurde dieser Sprung jedoch in Niedersachsen von einem Verlust von 2,4 Prozent.
Da muss sich ein Seehofer – mit seinem Drehhofer-Kurs gegenüber Merkel einer der großen Verlierer – gut überlegen, ob er mit der CSU eine solche Verliererkoalition mitmacht. Da Merkel (noch) als sakrosankt gilt, auch wenn sie längst der Mühlstein um den Hals der CDU ist, steht für Seehofer derzeit am meisten auf dem Spiel. Er muss nach den ersten Attacken gegen ihn aus seinen Parteibezirken Oberpfalz, Oberfranken, Mittelfranken und München um seinen Parteivorsitz bangen. Am 17./18. November 2017 oder womöglich bei einem wegen der Koalitionsverhandlungen in den Dezember verlagerten CSU-Parteitag könnte sich sein politisches Schicksal entscheiden. Klar, Seehofers parteiinterne Gegner bangen um die absolute Mehrheit der CSU bei den Wahlen zum Bayerischen Landtag im Herbst 2018.
Wie „Jamaika“ zustandekommt, und ob überhaupt, hängt also von der CSU ab. Von der CDU, der FDP und Grünen wohl weniger, denn dort ist man um des Erhalts bzw. des Erringens der Macht willen wohl zu allen möglichen faulen Kompromissen bereit, zum Beispiel in Sachen Familiennachzug. Und Merkels Prinzipennihilismus kennt man ja.
Ob das verantwortungsbewusst ist und dem Land dient, werden auch in Bayern manche fragen. Mit gleichem Recht kann man aber die Frage stellen, ob es dem Land dient, wenn weitergemerkelt wird wie bisher.
Also braucht er eine ganz große Trophäe. Das wäre der kurze Zügel, mit dem Seehofer eine von der CSU geduldete Minderheitsregierung mal länger, mal kürzer laufen ließe. Seine CSU-Granden haben diese Option durchaus im Kopf. Deshalb wären sie von allen guten Geistern verlassen, zögen sie ihren Parteichef jetzt zurück. Nur er kann aus Berlin eine solche Trophäe mitbringen. Ein solches Muskelspiel würde ihm im Freistaat im Herbst 2018 bestimmt honoriert. Denn „unter ferner liefen“ fühlen sich die Bayern nicht wohl.
Politik wird ansonsten ja nicht nur aus dem Kopf, sondern auch aus dem Bauch heraus gemacht. Und da hat Seehofer vermutlich ein Hühnchen zu rupfen. Aus engsten Kreisen um Merkel herum ist ihm zu Ohren gekommen, dass man sich dort am Wahltag des 24. September mehr über Seehofers miserables Bayernergebnis amüsiert hat, als sich um das nicht weniger miserable CDU-Ergebnis zu sorgen.