Tichys Einblick
Neue Kommissionspräsidentin: Zitterpartie

Von der Leyen: Lachen schockgefroren

Das Duo von "Die Partei" hielt von der Leyen den Spiegel der Wahrheit unangenehm vors Gesicht.

Screnprint: Youtube/Martin Sonneborn

Ja, am Ende hat es doch gereicht, Ursula von der Leyen wurde mit 327 Gegenstimmen zur neuen Kommissionspräsidentin der EU in Straßburg gewählt. Immerhin 383 von 747 Parlamentariern stimmten für die einst in einem Bezirk von Brüssel Geborene.

Abends dann, nach der geheimen Zettelwahl und einem Redemarathon tagsüber, fielen von der Leyen tatsächlich die Steine der Erleichterung sichtbar vom Herzen. Wenigstens hier lächelte die getreue Gefolgsfrau Merkels und Machtpolitikerin authentisch.

Experten meinten, ihre fulminante Rede habe sie gerettet. Aber wie wir bereits hier auf TE beschrieben haben, die Rede war ein buntes Sammelsurium an Versprechen – ganz gegen die alte Volksweisheit: allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.

Viele Wähler in EU-Europa jedoch schütteln sich noch immer über diese Politik, die einer Mogelpackung daherkommt, weil am 26. Mai, dem Wahltag der EU, Ursula von der Leyen überhaupt nicht als Kandidatin wählbar war.

Große Erleichterung verspürte die nun Ex-Verteidigungsministerin wohl auch deshalb, weil sie nun einem Untersuchungsauschuss zu den Ungereimtheiten von zu hohen Beraterhonoraren und Aufträgen im Verteidigungsministerium leichter aus dem Weg gehen kann. Die „Aufräumarbeiten“ kann nun Kollegin AKK übernehmen statt von der Leyen: die Kanzlerin und ihr Verschiebebahnhof treuer Höflinge.

Ihr wahres Gesicht des Tages aber zeigte von der Leyen bereits ein paar Stunden vor der Abstimmung, als ausgerechnet die 2,4-%-Gruppierung, nein, eher das Duo von „Die Partei“ Ursula von der Leyen den Spiegel der Wahrheit unerwartet unangenehm vors Gesicht hielt.

Martin Sonneborn, Initiator der „Spaß- und Satirepartei“, und Nico Semsrott, neu hineingewählt ins Parlament der EU, nutzten ihre kurze Redezeit, um etwas Wasser in den schweren staatstragenden Wein zu schütten. Normalerweise schenkt der Autor der „Partei“ kaum Aufmerksamkeit, weil ihm Erwachsene, die ihre (berechtigte) infantile Kunst auch in die Politik tragen, irgendwie suspekt sind.

Doch dieses Mal hatten Sonneborn und Semsrott ihre Daseinsberechtigung im EU-Parlament, denn die EU selbst hatte die ganze EU-Wahl im Nachhinein völlig ad absurdum geführt. Für eine wahre Farce hatten Staatenlenker und Kommissare selbst gesorgt: Macron und Merkel allen voran. Aus reinem Machtkalkül und mit keinerlei Scham gegenüber den EU-Bürgern, die wenige Wochen zuvor noch für die jeweils zur Wahl aufgestellten Kandidaten ihre Stimmen abgegeben hatten.

Nico Semsrott trat zwar ein wenig übertrieben als menschliche Litfasssäule oder Werbetafel auf, eine dunkle Sonnenbrille und überall am Körper Logos und Schriftzüge bekannter weltweit tätigen Unternehmen sowie Unternehmensberatungsfirmen, forderte er die Offenlegung und Transparenz „finanzieller Interessen“ und Auswahl von Beratern. Außerdem solle das Parlament prüfen, ob nicht auch ein „Interessenkonflikt“ vorliege – bei Ursula von der Leyen. Mit Geld um sich geworfen hat sie jedenfalls. Nur die Bundeswehr selbst hatte nicht viel davon, im Gegenteil, die leidet unter Materialermüdung.

Gar nicht zum Lachen fand von der Leyen weder Semsrotts Aktion (dafür die Grünen umso mehr, sie kugelten sich und pflegten ihre Social Media Kanäle ununterbrochen), noch deutlich weniger die 90-Sekunden-Rede wenig später von Martin Sonneborn, der Unernstes gekonnt mit peinlichen Fakten paarte.

Seine absichtlich gesetzte Kunst- und Überlegenspause schon zu Beginn, „Liebe Frau, von der … ähm, Leyen, herzlich willkommen“, es freue ihn sehr, dass nicht mehr nur er allein der unseriöseste Vertreter der EU-Demokratie sei. Nein, das „Personal-Tableau“, das der Rat vorgelegt habe, hätte es in sich – Sonneborn zählt mal kurz die Personen und deren Karrieren samt strafrechtlicher oder korrupter Aspekte auf, dass es einen nur so schüttelt. Ein grausiges Kabinet: Die EU wird von Politikern regiert, die daheim so viel angerichtet haben, um es nicht volkstümlicher zu fassen.

Und Sonneborn kennt da nichts, zählt alles auf, während sich von der Leyen fragend umschaut – ihr Gesicht spricht Bände, ist das hier immer so, ist das jetzt mein neues normal?

Auch Christine Lagarde kommt nicht ungestraft davon, die „wegen Veruntreuung von 400 Mio Euro öffentlicher Gelder schuldig gesprochen wurde“ und noch nie eine nationale Notenbank geführt habe, solle nun die EZB leiten? Ja, Herr Sonneborn, das trifft den Nerv der Frau von der Leyen und den ihrer EVP-Freunde (die sie wohl nicht alle gewählt haben).

Und dann, nach einer belgischen Personalie, knöpft sich Sonneborn von der Leyen direkt vor: „… und dazu Sie, Frau von … der … Leyen: eine europapolitisch völlig kenntnisfreie Politikerin“, die lediglich durch einen „irren Hang zu überteuerten Beratern, Missmanagement, und Euphemismen“ aufgefallen sei, und nun, um eine Parade der Inkompetenz und moralischer Wurstigkeit abzusichern, auch mit den Orbans und Salvinis paktiere.

Leise vorgetragen, ging Sonneborns laute Anklage zu Ende.

Und von der Leyen? Es war interessant zu beobachten, wie selbst eine geübte und erfahrene Machtpolitikerin wie sie, die immer Contenance zu wahren sucht, hier zu einer übertriebenen Ersatzhandlung griff: dem aufgesetzten Lachen, als fände sie diesen Frontalangriff belustigend und gelungen. Bei Ansicht spürt man jedoch unmittelbar, dass es ein schockgefrorenes Lachen ist.

(M)eine Prognose: Mit Ursula von der Leyen wird diese EU-Kommission zur Parodie verkommen, von einer Krise in die nächste. Mit dieser skurrilen Wahl hat sich die EU schon in der ersten Runde im Ring selbst angezählt.

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