Tichys Einblick
Neuer Zoff in der GroKo im Anmarsch?

Verteidigungsministerin AKK will neue Drohnen für die Bundeswehr

Es ist die Pflicht einer Verteidigungsministerin, alles für die Sicherheit ihrer Soldaten zu tun.

David Silbermann/Getty Images

Auf ihrer jüngsten Afghanistan-Reise von Anfang Dezember 2019 hat Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer („AKK“; CDU) die Bewaffnung der Bundeswehr mit neuen Drohnen ins Gespräch gebracht. Sie wünscht zum Schutz deutscher Soldaten eine Ausrüstung mit der neuen Drohne Heron TP. In Afghanistan wird derzeit die Drohne Heron 1 eingesetzt. Ein Wechsel zur moderneren, gegebenenfalls (!) bewaffnungsfähigen Drohne Heron TP mit längeren Flugzeiten und besseren Aufklärungsergebnissen ist geplant. Bei einer Ministerin, der die Fürsorgepflicht für ihre Soldaten im gefährlichen Auslandseinsatz obliegt, ist das mehr als nachvollziehbar, ja es ist deren Pflicht.

Auf einem anderen Blatt steht, ob AKKs Vorstoß koalitionär vermittelbar ist. Der Koalitionsvertrag der GroKo vom März 2019 sagt dazu auf Seite 159 unter Punkt „Für eine modern ausgerüstete Bundeswehr“ folgendes aus: „Wir werden im Rahmen der Europäischen Verteidigungsunion die Entwicklung der Euro-Drohne weiterführen. Als Übergangslösung wird die Drohne HERON TP geleast. Über die Beschaffung von Bewaffnung wird der Deutsche Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert entscheiden. Hierzu wird die Bundesregierung eine gesonderte Vorlage erstellen und dem Deutschen Bundestag zuleiten. Vor einer zukünftigen Beschaffung von bewaffnungsfertigen Drohnen sind die konzeptionellen Grundlagen für deren Einsatz zu schaffen. Völkerrechtswidrige Tötungen lehnen wir kategorisch ab, auch durch Drohnen.“

Nun greift die SPD AKKs Vorstoß mit sehr spitzen Fingern auf, und auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion scheint nicht amüsiert, denn es könnte ein neuer Spaltpilz in der GroKo heranwachsen. SPD-Vertreter gehen schon mal auf Distanz. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Wolfgang Hellmich (SPD) meint: „Es scheint an einigen Stellen in Vergessenheit geraten zu sein, was im Koalitionsvertrag zum Thema Einsatz bewaffneter Drohnen steht.“ Von einer Bewaffnung der Drohnen hatte AKK allerdings nicht gesprochen!

Derweil schickt sich die FDP-Bundestagsfraktion an, die GroKo mit einem eigenen Antrag zur Bewaffnung mit Drohnen vorzuführen. Es steht mittlerweile sogar schon die zweiten Lesung dazu an – mit Debatte und namentlicher Abstimmung! AKK droht aus der eigenen Koalition heraus eine Niederlage.

Drohnen grundsätzlich: Worum geht es überhaupt?

Drohnen gewinnen im zivilen und militärischen Bereich an Bedeutung. Im zivilen Umfeld werden Drohnen zum Beispiel zur Überprüfung von Energieleitungen oder von Migrationsbewegungen eingesetzt, zur Brandbekämpfung, zur Rettung aus Bergnot und Seenot oder zur Versorgung von Menschen in Not mit Medikamenten. Im militärischen Bereich dienen sie im Wesentlichen als Aufklärungs- oder Kampfdrohne, aber auch der Datenübertragung. Wobei Drohne nicht gleich Drohne ist – allein schon der Größe wegen: Sie reicht von wenigen Zentimetern bis zur Größe eines Verkehrsflugzeuges mit 40 Metern Spannweite.

Drohnen haben bei vergleichsweise geringem Kostenaufwand und sehr langen Flugzeiten eine hohe Effektivität auch auf große Entfernungen; sie können mit Datenlink ad hoc aktuelle Lageberichte liefern; sie sind ein Schutz für die eigenen Soldaten, denn sie helfen möglichen Angriffen vorzubeugen.

Die Bundeswehr verfügt derzeit über mehr als 630 Drohnen. Weitere sollen folgen, 2020 wird die Riesendrohne PEGASUS bestellt (PEGASUS = Persistent German Airborne Surveillance System). Sie wird in Schleswig-Holstein stationiert sein und basiert auf der GLOBAL HAWK, die im Rahmen eines NATO-Programms von Sizilien aus geflogen wird. Der eingemottete EURO HAWK bzw. seine Reste sollen an Kanada verkauft werden.

Die vorhandenen mehr als 630 Drohnen haben bereits mehr als 87.000 Flugstunden absolviert. Mit über 50.000 Stunden wurden die meisten Einsätze mit sechs israelischen Langstreckendrohnen vom Typ HERON 1 geflogen. Rund 18.000 Stunden war die deutlich kleinere LUNA in der Luft. Ab 2002 hatte die Bundeswehr 145 Exemplare des deutschen Herstellers EMT beschafft. Wie die HERON 1 wird LUNA auch in Afghanistan und Mali genutzt.

In Afghanistan setzt die Bundeswehr seit 2010 drei von Israel angemietete „Heron I“-Drohnen mit großem Erfolg ein. Mit diesen eigenen positiven Erfahrungen sowie auch vergleichbaren Erfahrungen der Bündnispartner ging man daran, mit der HERON TP eine noch leistungsfähigere Drohne einzuführen. Nach langem Hin und Her haben die zuständigen Bundestagsausschüsse diesem Vorhaben auf einer Miet-Kauf-Basis zugestimmt. Eine Bewaffnung für dieses System wurde abgelehnt. Ab 2025 soll eine von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien entwickelte – theoretisch – waffenfähige Drohne eingeführt werden.

Zuvor schon war die Beschaffung eines Prototyps der Signalaufklärungsdrohne Euro Hawk mit einer Gipfelhöhe von 20 Kilometern seitens der Politik am 15. Mai 2013 gestoppt worden. Das nunmehr favorisierte System heißt PEGASUS, es besteht aus drei Luftfahrzeugen; der Vertragsschluss ist für 2019 avisiert, die Kosten sollen bei zwei Milliarden Euro liegen. Am Systempreis von rund 700 Millionen hat sich demzufolge kaum etwas geändert.

Der Einsatz von Kampfdrohnen wird durchaus kritisch gesehen: Ihr Einsatz, gerade wenn er auf das Töten von Feinden reduziert ist, kann sehr niederschwellig sein, es sind keine ethisch neutralen Waffen. So steht die Bevölkerung dem Einsatz von Drohnen auch skeptisch gegenüber. Für Deutschland sind bewaffnete Drohnen bisher auch nicht vorgesehen.

Man sollte zur Kenntnis nehmen, dass Drohnen nichts mit einem automatischen Krieg zu tun haben, der der Einwirkung des Menschen entzogen ist. In beiden Fällen entscheiden Soldaten über den Einsatz der Waffe. Der bestmögliche Schutz der Soldaten darf jedenfalls nicht zweitrangig werden.