Tichys Einblick
Veranstaltung an Goethe-Universität Frankfurt

SPD-Politiker pöbeln gegen Wissenschaftsfreiheit

Ein hessisches Mitglied des Landesvorstandes würde der Uni Frankfurt am liebsten vorschreiben, was sie debattieren darf, ein Bundestagsabgeordneter wütet gegen Professoren, die den Atomausstieg kritisieren. Von Debattenkultur halten die Sozialdemokraten offenbar nichts.

IMAGO / Schöning

Am 28. April veranstaltet die Goethe-Universität Frankfurt einen Kongress unter dem Titel „Migration steuern, Pluralität gestalten“, zu deren Organisatoren die Islamwissenschaftlerin Susanne Schröter gehört. Die Veranstaltung, bei der es auch um die Ausbreitung islamistischer Organisationen in Deutschland gehen soll, passt offenbar dem Vorstandsmitglied der hessischen SPD Jan Pasternack nicht. Der Politiker kandidiert bei den anstehenden Landtagswahlen. Er forderte, Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) müsse der Konferenz seine Schirmherrschaft entziehen. Das Landeswissenschaftsministerium sollte seiner Meinung nach außerdem das Forschungszentrum Globaler Islam der Universität „überprüfen“.

Als Grund, die Wissenschaftsfreiheit derart frontal in Frage zu stellen, nannte Pasternack vor allem die Teilnehmerliste, von der er eine zu kritische Ausrichtung des Kongresses gegenüber der gegenwärtigen Migrationspolitik und dem politischen Islam erwartet. Die Sprecher der Konferenz, so Pasternack, verträten „politisch rechte Positionen“ – für ihn offenbar ein Skandal. Zu den eingeladenen Referenten zählen der Psychologe Ahmad Mansour, der Islamwissenschaftler Ralph Ghadban und der von linker Seite schon mehrfach attackierte Migrationsforscher Ruud Koopmans, der in mehreren Büchern und Interviews die These vertritt, Muslime integrierten sich in westlichen Ländern schlechter als andere Gruppen.

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Ist die Wissenschaftsfreiheit nun bedroht – ja oder nein?
Besonders erregte sich Pasternack über die Teilnahme des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer (Grüne), der als Praktiker aus der Kommunalpolitik seine Sicht der Dinge schildern soll. „Boris Palmer ist objektiv nicht qualifiziert, sich zu diesem Thema fachlich zu äußern“, tönte Pasternack. Warum sich der SPD-Politiker dagegen selbst für qualifiziert hält, den Veranstaltungsorganisatoren zu erzählen, wen sie einladen dürften, erklärte er nicht.

Das „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“, dem auch die angegriffene Professorin Schröter angehört, verwahrte sich gegen den Versuch, politischen Druck auf die Universität auszuüben. „Das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit verurteilt den Einschüchterungsversuch des SPD-Landtagskandidaten Jan Pasternack anlässlich der für den 28. April geplanten Konferenz an der Frankfurter Goethe-Universität zur Migrationspolitik“, heißt es in der Erklärung der Organisation.

„Das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit sieht in solchen übergriffigen Stellungnahmen einen Versuch, die Wissenschaftsfreiheit einzuschränken. Es obliegt nicht der Politik, angeblich ‚objektiv‘ die wissenschaftliche Qualität von Universitätsveranstaltungen zu beurteilen und Konsequenzen zu fordern. Deshalb fordern wir die Parteiführung der SPD in Hessen auf, sich von dieser Cancel Culture zu distanzieren, und die hessische Wissenschaftsministerin, den Angriff zurückzuweisen.“

Pasternack ist nicht der einzige SPD-Politiker, der in letzter Zeit mit Verachtung für Wissenschaftler auffällt, die ihm nicht passen. Der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Carsten Träger beschimpfte auf Twitter renommierte Physikprofessoren und Elektroenergie-Experten, die den Ausstieg Deutschlands aus der Atomkraft in einem Appell kritisierten, als „hasserfüllt“.

„Folge der Wissenschaft“ – diese Aufforderung gilt nach Ansicht der beiden Politiker offenbar nur dann, wenn die Wissenschaftler genehme Ansichten äußern.