Tichys Einblick
Twitter Files:

Biontech wollte sich mit staatlicher Hilfe gegen Kritik auf Twitter immunisieren

Neu veröffentlichte Twitter-Akten zeigen, dass sich auch der deutsche Pharmakonzern Biontech in Twitter-Debatten einmischte, unterstützt gar von einer Bundesbehörde für IT-Sicherheit. Dabei ging es auch hier wieder mal nur um Image- und Diskurskontrolle.

IMAGO / NurPhoto

Twitter steht nicht erst in der Diskussion, seit Elon Musk es übernommen hat. Aber nicht nur das Twitter von Musk wird von vielen (mit meist unklaren Argumenten) kritisiert, auch das alte Twitter wird nun in rhythmischen Abständen von beißender Kritik getroffen. Diese Kritik an seinen Vorgängern befeuert nicht zuletzt Musk mit der Serie „Twitter Files“, in der er verschiedenen Journalisten Einblick in die Aufzeichnungen, interne Kommunikation und Briefwechsel der alten Führung gewährt. Den neuesten Teil übernahm der Investigativreporter Lee Fang, der für The Intercept schreibt.

In seinen Twitter Files geht es Fang – ähnlich wie Alex Berenson in einer vorausgehenden Folge – um den Einfluss, den die Pharmaindustrie durch diverse Lobbyisten auf die Diskussion um die „Impfungen“ und damit am Ende auch auf „Impfpolitik“ der Staaten ausübte. So ging es auch der deutschen Biontech-Firma darum, sich in der Frühphase der „Impfkampagnen“ gegen Kritik und Sand im Getriebe abzuschirmen.

Am 12. Dezember 2020 schrieb die Biontech-Mitarbeiterin Jasmina Alatovic, zuständig für externe Kommunikation, an Twitter Deutschland, genauer an Nina Morschhäuser, die von 2018 bis 2022 als Head of Public Policy, Government and Philanthropy (!) in der Berliner Twitter-Dependance tätig war. Zuvor war Morschhäuser wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bundestags und Fraktionsreferentin für Medienpolitik (anscheinend bei der CSU). Wie die umständlichen Titel und die Viten der beiden Angestellten verraten, ging es um Öffentlichkeitsarbeit, um das öffentliche Bild von Biontech, vielleicht auch von Twitter. Inzwischen fühlt sich Morschhäuser bei Twitter nicht mehr wohl, es ist ihr zu „hardcore Elon“.

Für Morschhäuser hatte Alatovic einen Hinweis, den sie selbst erst am Tag zuvor vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erhalten haben wollte. Das Bundesamt, das 1991 aus einer BND-Dienststelle hervorging und weiterhin dem Innenministerium zugeordnet ist, hatte Biontech über bestimmte Aktivisten informiert, die angeblich für den 14. Dezember eine Online-Aktion für eine „‚gerechte‘ Covid-19-Impfstoffverteilung“ planten. Laut den zu nutzenden Hashtags ging es auch um das CTAP-Programm der US-Behörden, das neue Covid-Therapien schnell zu den Patienten bringen wollte. Ein anderer Hashtag lautete #PeoplesVaccine, was eher auf die Forderung nach einer globalen Patentfreigabe hindeutet. Man könnte von einer Kampagne für Therapiefreiheit sprechen.

Im Rahmen der geplanten Aktion, so Alatovic, sollten Biontech und seine Geschäftsführer gehäuft über die sozialen Medien angeschrieben werden. Alatovic bat Morschhäuser daher darum, den offiziellen Account der Firma „für zwei Tage zu ‚verstecken‘, sodass Kommentare etc. nicht mehr möglich sind“. Hier zeigt sich, dass Verstecktsein auf Twitter nicht immer ein Nachteil sein muss. Für Unternehmen wie Biontech kann die Unsichtbarkeit auch Vorteile bringen, etwa die Vermeidung eines Imageschadens durch öffentliche Kritik, egal aus welcher Ecke.

Die drohende Gefahr hieß Patentfreigabe

Im Hintergrund drohte aber eine noch schlimmere Gefahr für Biontech: Der öffentliche Diskurs könnte sich in Richtung Patentfreigabe drehen und damit kostengünstige Impfstoff-Generika wahrscheinlicher gemacht haben. Das galt es zu verhindern. Dass das Wort „gerecht“ von Alatovic wohlweislich in Anführungszeichen gesetzt wurde, zeigt, dass Biontech das eigene Gewinnstreben keineswegs aufs Spiel setzen wollte, auch wenn die Pandemie noch so sehr wütete und sogar die Kanzlerin sich implizit für die umgehende Impfung des globalen Südens ausgesprochen hatte.

Nina Morschhäuser kontaktierte umgehend die Support-Abteilung in den USA ebenso wie die sogenannte „Site Integrity“ und bat mindestens um erhöhte Wachsamkeit, etwa was bestimmte Hashtags anging. Es folgte eine Liste der Impfstoff-Hersteller-Accounts (Biontech, Pfizer, Moderna, AstraZeneca), die unter Beschuss durch diese Kampagne für „Impfgerechtigkeit“ kommen könnten.

Eines machte aber vor allem deutsche Beobachter stutzig: In ihrem Schreiben berief sich Morschhäuser nicht nur auf die Biontech-Mail, sondern daneben auf direkte Warnungen, mit denen die Bundesbehörde BSI an sie herangetreten sei. Zusätzliche Informationen in dieser Mail an das Twitter-Hauptquartier lassen auf parallele Behörden-Anschreiben schließen: „Die Behörden warnen uns … Die deutschen Behörden beziehen sich auch auf …“ Die Aktion könne demnach „ernste Folgen“ wie eine Flut von Kommentaren haben, die die Twitter-AGB verletzen würden. Die Übernahme von Nutzerprofilen sei zu erwarten. Fake-Accounts könnten erstellt werden, auch um die persönlichen Profile des Pharma-Managements ins Visier zu nehmen.

Und egal, wie man zur Idee der „globalen Impfgerechtigkeit“ stehen mag, ein reiner Fake war auch diese geplante Online-Aktion wohl nicht. Lee Fang weist darauf hin, dass einige der Profile, die sich in dieser Protestaktion engagierten und folglich von Twitter überwacht wurden, durchaus zu realen Personen gehörten.

BSI: Das Bundesamt, mit den beharrlich wachsenden Aufgaben

Offen bleibt nur noch, warum sich überhaupt eine Bundesbehörde in die Angelegenheit einmischte. In einer Antwort an das Portal Pleiteticker verglich das BSI die geplante Aktion mit einem DDoS-Angriff, kurz für „distributed denial-of-service attack“, also einem Cyberangriff auf eine Website, die von vielen verschiedenen Sendern gleichzeitig gestartet wird und so das Netzwerk überlasten kann. Die attackierte Website wäre dann nicht mehr erreichbar. Doch hier ging es ja nicht um die firmeneigene Website, sondern um ein Twitter-Profil, das eher Werbungszwecken als dem „Geschäftsbetrieb“ dient.

Aber das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik ist eben keine Bundes-Anti-Spam-Behörde, die bedrängte Twitter-Profile vor Shitstorms beschützt, sondern hat laut eigener Website den Auftrag, vor allem die Regierungsnetze und seit 2015 auch die kritische Infrastruktur zu schützen, um „dramatische Folgen für Wirtschaft, Staat und Gesellschaft“ zu verhindern. Nun ist zuzugeben, dass die Kompetenzen des BSI 2021 schon wieder erweitert wurden, diesmal in Richtung auf den digitalen Verbraucherschutz. Aber davon sollte ja eigentlich eher eine pharmakritische Bewegung für die Demokratisierung des Impfstoffs gedeckt sein, nicht der sicher legitime Anspruch der Pharma-Industrie auf ihre Patente.

Dass sich das BSI in dieser Sache direkt an Twitter wandte, ist also durchaus merkwürdig und scheint den Auftrag der Bundesbehörde zu überdehnen. Die Behauptung, dass es aufgrund vieler Anschriften über Twitter zu „Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb“ kommen könnte, ist nicht überzeugend, soweit es um Biontech geht. Auch die Meinungsplattform Twitter müsste mit einem entsprechend „stürmischen“ Geschehen, das dort alle Tage und wahllos diverse Personen und Organisationen betrifft, klarkommen. Die Schreiben des BSI, selbst wenn sie nur indirekt über die Biontech-Mitarbeiterin liefen, überschreiten insofern relativ eindeutig den Handlungsrahmen der Behörde. Es ging vermutlich um Einmischung in Meinungsströme, um die nun schon altbekannte Diskurshoheit der Impfstoff-Industrie und verbündeter politischer Kreise – nicht um IT-Sicherheit oder digitalen Verbraucherschutz.

Pfizer und Moderna starten Anti-Impfkritiker-Kampagne: Gebrauchsanweisung für die Online-Denunziation

So weit der Ausflug der „Twitter Files“ nach Deutschland und seine Mainzer mRNA-Goldgrube. Daneben taten sich laut Fangs Thread auch Pfizer und Moderna zusammen, um direkt auf die US-Führungsebene von Twitter Einfluss auszuüben und auf diesem Wege wiederum die Diskussion über die Impfstoffe zu beeinflussen. Es war genauer gesagt eine Kampagne gegen Impfkritiker, die unter dem Namen „Stronger“ firmierte, und die ließ man sich satte 1,275 Millionen Dollar kosten. So wurde auf der Stronger-Website erklärt, wie jedermann Posts bei Facebook, Instagram und Twitter wegen „Falschinformationen“ melden kann.

Gebrauchsanweisung für die Online-Denunziation: Website der Pfizer-Moderna-Partnerschaft „Stronger“

In der Folge wurden auch viele seriöse Diskussionsbeiträge, etwa zur Unsinnigkeit von Impfpässen angegriffen, teils unterdrückt. Das erinnerte an die Sperrung des Profils des US-Finanzblogs Zero Hedge in der Frühzeit der Pandemie, als Zero Hedge einen chinesischen Forscher als Urheber des Virus bezeichnet hatte. Inzwischen halten es viele für wahrscheinlich, dass das Wuhan Institute of Virology am Ursprung des Ausbruchs steht. Die Twitter-Vertreibung von Zero Hedge wurde wenige Monate später mit einer Entschuldigung wieder aufgehoben.

Kritischer Diskussionsbeitrag zu Impfpässen und Übertragbarkeit auf Twitter

Die deutsche Versicherungsstudie, die schwer zu widerlegen war

Schließlich mischte sich auch eine Non-Profit-Organisation mit dem Schwerpunkt auf öffentlicher Gesundheit, „The Public Good Projects“ (PGP), in die Diskussion ein. Ein Mitarbeiter schrieb unter anderem den wichtigsten Twitter-Mann in Washington Todd O’ Boyle an, um auf einen „missbrauchten“ Artikel aus der New York Times hinzuweisen. In dem Artikel wurde auf vom CDC vorenthaltene Informationen über die „Impfstoffe“ hingewiesen. Natürlich führte das zu einer Diskussion über die Glaubwürdigkeit der US-Bundesbehörde. In derselben Mail wies der hochrangige PGP-Mitarbeiter auf die Nebenwirkungsstudie einer deutschen Versicherung – es dürfte die BKK Pro Vita sein – hin, die schwer zu widerlegen sei, weil darin sämtliche Nebenwirkungen, nicht nur die schwersten behandelt worden waren.

Das waren (und sind) also die „Nöte“ der Pharma-Riesen, zu denen auch die deutsche Biontech samt ihren superreichen Gründungseigentümern nun gehört. Nicht nur musste man die eigenen Pfründe gegen „globale Gerechtigkeitskampagnen“ zur Patentaufweichung verteidigen. Auch die kritische Diskussion um Impfpässe, die unweigerlich auf den schwachen Wirkungsgrad der Impfstoffe abstellen musste, sollte abgeblockt werden. Man möchte beinahe meinen, dass im Umfeld einer „globalen Pandemie“ und dem damit in Gang gesetzten Spiel globaler Wirtschaftsinteressen unabhängige Meinungen generell unerwünscht waren, weil sie „Sand im Getriebe“ der pandemischen Ideologie ebenso wie der damit zu erzielenden Gewinne waren. Darin trafen sich die ideologischen Politiker mit den nach Gewinn strebenden Unternehmern.

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