Tichys Einblick
Kolonialismus wichtiger als Klimawandel?

Thunberg kämpft gegen die Windräder des Kolonialismus

Greta Thunberg will keine Windräder – zumindest nicht bei den indigenen Samen in Norwegen, denn da bedeuteten sie "Kolonialismus". So absurd das auch klingt: Der Kampf gegen den Klimawandel scheint für sie nicht mehr absolute Priorität zu haben.

Greta Thunberg und Aktivisten der Samen-Vereinigung Nougat demonstrieren gegen Windräder in der Region Fosen vor dem norwegischen Energieministerium in Oslo, 27.02.2023.

IMAGO / NTB

Es ist nicht das erste Mal, dass die berühmteste Klimaaktivistin der Welt sich auch als Kämpferin gegen den Kolonialismus (und den Kapitalismus sowieso) inszeniert. In einem Interview in London erklärte sie etwa die schwedischen Auswanderer in den USA als Kolonialisten. Aber das hat für sie längst nicht nur historische Relevanz. Auch alles, was wir heute für „normal“ hielten, sei „ein System definiert durch Kolonialismus, Imperialismus, Unterdrückung und Völkermord vom so genannten globalen Norden zur Anhäufung von Wohlstand, das immer noch unsere gegenwärtige Weltordnung bestimmt.“

Nun ist Thunberg auf ihrer Suche nach Kolonialismus in der ganz normalen Gegenwart fündig geworden. Nicht etwa im „globalen Süden“, sondern ganz im Gegenteil: in Nordnorwegen. Genauer gesagt bei der dortigen ethnischen Minderheit der Samen, die früher, aber teilweise auch heute noch als halbnomadische Rentierzüchter leben. Wirklich brisant wird es aber dadurch, dass ausgerechnet das Heilmittel gegen die von ihr beklagte Klimakatastrophe, nämlich Windkraftanlagen, von ihr nun zu einem Instrument des Kolonialismus gegen die Samen gedeutet werden. So protestierte sie mit Mitstreitern vor dem Osloer Energieministerium gegen die Errichtung von Windkraftanlagen in der Heimat der Samen in der Region Fosen.

Letztere hatten übrigens vor Gericht schon Recht erhalten, weil die Windparks ihre Kultur der Rentierzucht bedrohe. Allerdings sind die Anlagen noch nicht abgerissen, was die mit Thunberg Demonstrierenden fordern.

Für die Zukunft von Thunbergs Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“ und den gesamten Klima-Diskurs könnte die Begründung von Thunberg für ihre Teilnahme an der Demonstration umwerfende Bedeutung haben: „Wir können die sogenannte Klimawende nicht als Deckmantel für Kolonialismus benutzen“, sagte Thunberg vor den Türen des Ministeriums. „Eine Klimawende, die die Menschenrechte verletzt, ist keine Klimawende, die ihres Namens würdig ist“, sagte sie dem Sender TV2.

Das heißt nichts anderes, als dass Thunberg ihre Prioritäten verschoben hat. Ihr bislang mit legendärem Eifer („How dare you!“) vorgetragener Kampf gegen den Weltuntergang durch CO2-Emissionen ist offenbar nicht mehr absolut zu verstehen. Aber wie will sie jetzt noch für radikale Maßnahmen eintreten, die das Leben von vielen Millionen Menschen beeinträchtigen werden, wenn ihr die Viehwirtschaft von ein paar Tausend samischen Rentierzüchtern so wichtig ist?

Auch Antiwindkraft-Aktivisten in anderen Ländern könnten sich nunmehr nicht nur auf das norwegische Gerichtsurteil, sondern auch auf Thunberg berufen. Warum sollten nicht zum Beispiel auch Milchbauern im bayrischen Alpenvorland auf ihre Jahrhunderte oder gar Jahrtausende alte Wirtschaftsweise aufmerksam machen, die von Windenergiebetreibern aus dem Norden in kolonialistischer Manier beeinträchtigt wird?

Anzeige