Tichys Einblick
New Normal ein Jahr nach dem Brüssel-Anschlag

Terror in London und Erdogan droht mit Terror

Für London mayor Sadiq Khan gehört Terror zu einem "gewöhnlichen" Teil des Lebens in einer Großstadt. Hat man etwas erst einmal zum New Normal erklärt, ist es nur noch eine Management-Aufgabe.

Armed Police patrol around Westminster Bridge and the Houses of Parliament on March 22, 2017 in London.

© Jack Taylor/Getty Images

Die Toten und Verletzten in London sind zufällige Opfer eines Terrors, dem weniger wichtig ist, wen es trifft, sondern dass es trifft. Wie bei jedem Anschlag teilen sich die Meinungen in zwei Lager. Das erste Meinungslager zeigt auf den Zusammenhang mit dem Islam, die einen unterscheiden Islamismus und Islam, die anderen sagen, den Unterschied gibt es nicht. Das zweite Meinungslager sagt, Terroristen sind psychisch gestörte, mit Religion hat das nichts zu tun. London mayor Sadiq Khan repräsentiert jene coolen Politmanager, die sich auf solche Fragen nicht einlassen, indem sie den Terror zu einem „gewöhnlichen“ Teil des Lebens erklären.

Schon im September 2016 berichtete der INDEPENDENT darüber unter dem Titel (Snapshots Independent):

In die Meinungskluft unter dieser Oberfläche führen die Leserposts, die nur insofern anders aussehen als bei deutschen Medien, weil etliche dabei sind, die hierzulande nicht durch die Moderation kämen.

Im Deutschlandfunk findet sich das passende aktuelle Versatzstück zum Independent vom letzten Jahr.

Der DLF berichtet, dass Scotland Yard von „einem islamistischen Hintergund“ ausgehe und die Identität des Täters kenne. Interessant finde ich diese Passage:

In Großbritannien verwendet die Polizei die Wendung „Internationaler Terrorismus“ als „Codewort für islamistische Anschläge“. Wir können also am sprachlichen Unterschied zwischen „Terrorismus“ und „Internationaler Terrorismus“ erkennen, ob es sich um „islamistische“ und „nicht-islamistische“ Anschläge handelt. Faszinierend, wie der öffentliche Sprachgebrauch die „gefühlte“ Lage beeinflusst und beeinflussen soll.

Sadiq Khan dürfte hier pars pro toto sein für die meisten Anführer in Politik und Wirtschaft, Kultur und Medien. Hat man etwas erst einmal zum New Normal erklärt, ist es eine Management-Aufgabe. Und wenn sich etwas nicht ändern lässt, lohnt auch die Debatte über Ursachen und Zusammenhänge nicht, ist ein Denkfaden, der mir immer wieder begegnet, spreche ich mit Zeitgenossen, die sich selbst als „Liberale“ verstehen – einem Sammelbegriff für alles und nichts.

Aber ich habe keinen Zweifel daran, dass die kurz charakterisierten zwei Meinungslager tatsächlich das New Normal unserer westlichen Gesellschaften sind und mindestens dieses Wahljahr prägen werden. Unter der Oberfläche gärt es in einem Spannungsbogen zwischen jenen, die fatalistisch das Ende des freien Westens besprechen und jenen, welche die ihrer Meinung nach Schuldigen zum Tempel hinausjagen wollen.

Und nun also Recep Tayyip Erdogan. Hatte sich die Bundesregierung gerade noch gefreut – einige setzten schon zu Triumphgebaren an – , dass türkische Wahlkampfveranstaltungen in Deutschland abgesagt wurden, holte der türkische Präsident aus und schlug neu zu, geben die Welt, der Stern und andere einen DPA-Bericht wieder:

„Wenn ihr euch weiterhin so benehmt, wird morgen kein einziger Europäer, kein einziger Westler auch nur irgendwo auf der Welt sicher und beruhigt einen Schritt auf die Straße setzen können.“

Mit dem „Benehmen“ der Europäer meint Erdogan einfach alles, was ihm nicht passt. Wie lange eigentlich werden deutsche Medien überhaupt noch aus der Türkei berichten? Dass es nicht mehr als die Nachricht von Erdogans Drohung gibt, geht in der Berichterstattung über den Terroranschlag in London unter, zu dem Erdogan kondoliert, als hätte er niemandem gedroht.