Tichys Einblick
Leserbriefe nachgecheckt

Tafel und Küchentische

Im Streit um die Essener Tafel ergriff bei Illner auch eine Frau der Berliner Tafel das Wort - gegen den Essener Chef Jörg Sartor. In diesem David-gegen-Goliath-Streit musste David verlieren.

Screenprint:ZDF/illner

Den Besprechungen der TV-Talkshows geht in der Regel eine gewisse Vorbereitung voraus. Zwar sind die meisten Gäste der Tafelrunden durch ständige Wiederkehr bekannt, aber gelegentlich wird auch die politische Zweitbesetzung geladen, sogenannte Experten oder gegebenenfalls Kronzeugen der jeweiligen Anklage – schließlich sind die Sendungen in erster Linie ein Tribunal. Deshalb werden – meistens – die jeweiligen „Neuen“ einem eher kurzen Hintergrundcheck unterzogen. Da bei Illner oder Will das eigentliche Thema in der Regel eher Fassade ist, liegt das Hauptaugenmerk der Besprechung von daher auf den Gästen und ihrer mehr oder weniger verdeckten Agenda, oder der Agenda der Moderation.

Bei der Illner-Sendung „Streit um die Tafeln“ ging es um das beliebte Thema angeblicher „Ausländerfeindlichkeit“, weil die Essener Tafel eine bestimmte Klientel wegen fortgesetzten rüpelhaften Verhaltens vorübergehend ausgeschlossen hatte. Wir wollen das hier nicht wieder aufkochen, der Chef der Essener Tafel hat unter Druck von inszenierter Öffentlichkeit und von unpassenden Kommentaren höchster Merkelkreise inzwischen widerrufen. In der Illner-Sendung hatte Jörg Sartor wohl aus nachvollziehbaren Gründen seine Mitwirkung als Angeklagter verweigert – er hätte als „Entschuldigung“ lediglich eine von der Sendeleitung dann auch wieder nicht erwünschte Aufzählung der Unverschämtheiten der Gebannten anführen können.

maybrit illner
Schwafel, Schwafel an Illners Tafel
Was nicht zum Illner-Bild der verfolgten Unschuld der Neubürger passen würde. Deshalb war, quasi als Nebenklage gegen Sartor, eine Vertreterin der Berliner Tafel zugelassen. Friederike Sittler. Als Theologin und Religionsredakteurin beim rbb darf man sie wohl als den Idealtypus des noch herrschenden Zeitgeistes sehen. Fehlt nur noch die Parteimitgliedschaft bei wahlweise Die Grünen, SPD oder Die Linke. Mehr geht nicht! Aber Frau Sittler war in unserer Besprechung lediglich eine Randfigur. Uns interessierte mehr der Auftritt von Annalena Baerbock, der neuen Biene Maja der Grünen und Quotenfrau von Robert Habeck. Sittler und ein kauziger Ruhrpottler von der Essener Caritas wurden im Text mit den Worten „Die Ehrenamtlichen wussten wenigstens, wovon sie sprachen und werden in den Himmel kommen“ abgehandelt.

Einer der zahlreichen Kommentatoren des Textes („Ruhrler“) gab dann allerdings einen interessanten Hinweis in der Tafelsache.

„Verehrter Herr Paetow, warum gerade die Dame von Laib und Seele (aka Berliner Tafel) eingeladen wurde, kann ich nicht nachvollziehen. Dieser Verein verballert 55% der Spenden an Gehältern (in 2016 ca. 500.000 €, nachzulesen im Jahresbericht) und sucht gerade eine PR-Managerin auf Teilzeitbasis, also nix mit ehrenamtlich. Die Essener Tafel (auch der Vorstand) arbeitet rein ehrenamtlich und lässt sich für die Hilfe nicht bezahlen. Zudem hat die Berliner Tafel nur ca. 10% Ausländer, die Essener Tafel aber 75%. Da werden Äpfel mit Birnen verglichen.“

Seine angefügten Links bestätigten seine Aussagen. Aber wir wollten auf Nummer sicher gehen und schickten der Essener und Berliner Tafel entsprechende Nachfragen. Die Antworten geben durchaus einen Einblick in die Welt des Sozialen in der Bundesrepublik Deutschland – gerade auch, wenn sie mal nicht im plötzlichen Scheinwerferlicht steht. Hier die Fragen und Antworten:

„Sehr geehrte Damen und Herren,
auf der Website der Berliner Tafel, bzw. LAIB und SEELE las ich, dass ca. 50% der Einnahmen (etwa 1 Million Euro) für „Gehälter“ ausgegeben werden. Ist das bei Ihnen ähnlich? Vielen Dank für eine Antwort,
Stephan Paetow / Redaktion TICHYs EINBLICK“

Die Antwort folgte auf dem Fuße:

„Nein. Wir haben nur 2 Beschäftigte im niedrigen Lohnbereich und das nur aus sozialen Aspekten, weil die 2 über Förderung des Arbeitsamts bei uns waren und die Förderung plötzlich entgegen der Zusage eingestellt wurde Sodass wir der Meinung waren, die zu übernehmen Sonst arbeiten 120 Ehrenamtliche (inclusive Vorstand) für uns. (Jörg Sartor)“

Parallel die Frage an „Berlin“:

„Sehr geehrte Damen und Herren,
Nach dem Auftritt von Frau Sittler bei „Illner“ und einem Blick auf Ihre Website habe ich zwei Fragen:
1. Sind LAIB und SEELE und die Berliner Tafel e.V. identisch? Und beziehen sich Ihre Einnahmen/Ausgaben-Aufstellungen damit auf ein und diesselbe Organisation?
2. Bezieht Frau Sittler in der(bzw. den) Organisation(en) ein Gehalt?
Vielen Dank für Ihre Antwort, der ich bis Mittwoch gerne entgegen sehe,
Stephan Paetow / Redaktion TICHYs EINBLICK

Die Antwort traf am Dienstag ein:

„Sehr geehrter Herr Paetow,

vielen Dank für Ihre Mail und Ihre Fragen.

Zu 1: Die Arbeit der Berliner Tafel e.V. besteht aus drei Säulen:

1) Klassik: Die Belieferung von sozialen Einrichtungen mit Lebensmitteln.

2) LAIB und SEELE: Die Ausgabe von Lebensmitteln an Privathaushalte. LAIB und SEELE ist eine Aktion der Berliner Tafel e.V., der Kirchen und des rbb.
Die Berliner Tafel unterstützt die Arbeit der LAIB und SEELE-Ehrenamtlichen vor allem mit Lebensmitteln für die Ausgabestellen und durch zwei Mitarbeiter*innen für die Koordination der LAIB und SEELE-Arbeit.

3) KIMBA: Der Kinder- und Jugendbereich der Berliner Tafel e.V.. Hier werden Kochkurse für Schulkinder angeboten, die Teilnahme ist unabhängig von den finanziellen Verhältnissen der Eltern.

Die Finanzen (http://www.berliner-tafel.de/berliner-tafel/der-verein/finanzdaten/) umfassen die Daten aller Arbeitsbereiche der Berliner Tafel e.V.

Zu 2: Bei der Berliner Tafel engagieren sich rund 700 Menschen ehrenamtlich, bei LAIB und SEELE sind es rund 1.300 Menschen – Frau Sittler ist eine von ihnen.

Mit freundlichen Grüßen
Antje Trölsch
Geschäftsführerin
Pressesprecherin“

Wer nun wie viel von den 500.000 Euro („Gehälter“) erhält, wird leider nicht ersichtlich. Aber es scheint, dass wir, wie „Ruhrler“ schrieb, wirklich Äpfel mit Birnen verglichen haben, oder einen kleinen Autoschrauber mit VW. Den Menschen an der jeweiligen Tafel in Essen oder Berlin dürfte das Wurscht sein. Auch die Ehrenamtlichen in Berlin sollen damit in keiner Weise diskreditiert werden. Aber Jörg Sartor scheint gut daran getan zu haben, nicht in die Sendung zu gehen – und auch zu „widerrufen“ – er hätte keine Chance gehabt.

http://www.berliner-tafel.de/berliner-tafel/der-verein/finanzdaten/

http://www.berliner-tafel.de/fileadmin/redakteure/01_BT_Portal/03_Die_Praxis/03_Verein/05_Stellenangebote/Stellenausschreibung_MA_Oeffentlichkeitsarbeit.pdf

http://www.essener-tafel.de/spenden-helfen/

http://www.berliner-tafel.de/laib-und-seele/die-idee/