Tichys Einblick
Sagen, was ist

Stefan Aust über Wahrheit und Wahrheiten

Kollegen, die nach dem Staat rufen, wenn sie "Lügenpresse" genannt werden, empfiehlt Stefan Aust mehr Selbstbewusstsein.

Länger nichts vernommen von Stefan Aust: einem der wenigen deutschen Journalisten, der sich eine eigene Meinung leistet, wo andere Gleichschritt bevorzugen. Im Deutschlandfunk bei in@mediasres sprach er nun aber mit Brigitte Baetz und sagte in Richtung seiner Branche Sätze wie: „Wer sich verschrecken lässt durch Begriffe wie ‚Lügenpresse‘, der hat nicht genügend Selbstbewusstsein.“ Aust rät Kollegen, auf unsachliche Vorwürfe nicht hysterisch zu reagieren. Leicht ironisch, aber sehr praktisch fügt er an: „Ich hab‘ bei meinem Computer eine kleine Taste, die sieht aus wie ein Papierkorb, da stecke ich das rein und dann ist das weg.“

Dem „fast religiösen Begriff“ Wahrheit widmet er die nüchterne Feststellung: „Der Begriff Wahrheit ist häufig eine Anmaßung. Es gibt viele Informationen, die man unterschiedlich interpretieren kann – es liegt immer im Auge des Betrachters.“ Aust erinnert seine Zunft, aber auch die vielen Nicht-Journalisten im Internet daran, dass es völlig ausreicht, das zu sagen, wie jemand etwas sieht und den Weg zu dieser Erkenntnis möglichst transparent zu machen. Dann kann auch jeder andere seine Meinung bilden und ausdrücken.

Aust ruft in Erinnerung, was viele in ihrer täglichen Erregung chronisch zu vergessen scheinen (oder wollen?): „Es wird eine immer größere Tsunami-Welle, wenn irgendetwas passiert. Manche Informationen, die nicht wirklich überprüft sind, kriegen eine gewaltige Bedeutung – aber häufig ist es so, dass nach ein paar Stunden schon eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird.“

Viel schlimmer als diese Wellen findet er es, dass nun im Netz Kontrollen eingeführt, Kontrollinstanzen installiert und Ministerien angeschlossen werden (sollen). Frau Baetz fragt ihn, ob Journalisten zu empfindlich geworden sind, das ganz gewiss, antwortet Aust. Kollegen, die nach dem Staat rufen, wenn sie „Lügenpresse“ genannt werden, empfiehlt er – wie eingangs zitiert – mehr Selbstbewusstsein.

Schlechter Rollentausch
"Wie die Medien zu Parteien wurden"
Da trifft sich der Herausgeber der Weltgruppe mit Springer-Vorstandschef  – und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger – Mathias Döpfner, der vor noch nicht langer Zeit in Berlin vor Deutschlands wichtigsten Grossisten formulierte: „Ich glaube, dass die Tendenz, die man in vielen politischen Eliten, in vielen Wirtschaftseliten und leider auch in immer mehr Medieneliten beobachten kann, dass wir alles immer so vorsichtig und so korrekt und so brav und so unangreifbar wie möglich ausdrücken, dazu führt, dass unser Publikum Schritt für Schritt Interesse an uns verliert oder uns eben einfach auch nicht mehr glaubt“.

Döpfner zog dort seiner Aufgabe entsprechend die Verbindungslinie zwischen ängstlichen Journalisten und sinkendem Publikumsinteresse, das sich nicht zuletzt in Verkaufszahlen niederschlägt: „Verschüchterte Zeitungsjournalisten, verschüchterte Verlage die sagen, im Grunde will unsere Sachen ja sowieso keiner, und deswegen liefern wir es euch lieber kostenlos, online und überhaupt, das ist komplett unattraktiv.“

Stattdessen postuliert Döpfner: „Wir brauchen selbstbewusste Journalisten, selbstbewusste Verlage und selbstbewusste Vertriebspartner für die Verlage. Und wir brauchen gleichzeitig natürlich auch eine gewisse Demut und Bodenständigkeit.“

Ich bin versucht, wie in der Kirche zu sagen: Worte des Herrn. Amen.