Tichys Einblick
Bilanz des Statistischen Bundesamtes

Der Staat legt beim Schuldenmachen eine Atempause ein

Die Staatsschulden sind im zweiten Quartal deutlich langsamer gestiegen als im ersten. Trotz niedrigerer Steuereinnahmen. Das ist weniger ein Zeichen für bessere Zeiten - eher dafür, wie stark das Land mittlerweile von Sondereffekten abhängig ist.

IMAGO / Bildgehege
Die Schulden des Staates betrugen Ende Juni 2417 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt mitgeteilt hat. In der Rechnung kommen sowohl die Verbindlichkeiten des Bundes vor, als auch die der Länder, Kommunen und Sozialverbände. Zwischen 1. April und 30. Juni sind die Schulden des Staates demnach um rund 10 Milliarden Euro gestiegen. Im ersten Quartal waren es noch 39 Milliarden Euro zusätzliche Schulden.

Und selbst die 10 Milliarden Euro neuer Schulden sind zum größten Teil die Folge eines statistischen Effekts. Nach der Einführung des „Deutschlandtickets“ wertet das Statistische Bundesamt die Verkehrsbetriebe nicht mehr als private Unternehmen, sondern im Wesentlichen als Empfänger von staatlichen Transfers. Folglich lässt das Amt die Schulden der Verkehrsbetriebe in die Rechnung einfließen. Das sind 8 Milliarden Euro, sodass sich der Staat im zweiten Quartal eigentlich nur um 2 Milliarden Euro neu verschuldet hat – im ersten Quartal hat er die gleiche Summe innerhalb von weniger als sechs Tagen geschafft.

Dabei mussten die Bürger im zweiten Quartal weniger Steuern zahlen als im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor. Knapp 400 Milliarden Euro waren das laut Bundesfinanzministerium insgesamt. Zwei Prozent weniger als 2022. Erst im Juli und im August zog die Steuerschraube wieder an und mussten die Steuerzahler für die Ausgaben der Politik wieder heftiger bluten.

Die vergleichsweise erfreuliche Schuldenbilanz im zweiten Quartal ist kein Zeichen für eine wirtschaftliche Erholung. Alle Signale stehen weiterhin auf Stagflation: schrumpfender Wirtschaft trotz steigender Preise. Es zeigt eher, wie stark die Entwicklung der öffentlichen Haushalte mittlerweile von Sondereffekten abhängt. Das ist eine direkte Folge der heftigen staatlichen Verschuldung in Paketen wie dem „Sondervermögen“, dem „Doppelwumms“ oder den „Entlastungspaketen“.

Vor allem sind die Schulden aus dem „Wirtschaftsstabilisierungsfonds“ gestiegen. Experten kennen den Fonds unter dem Fachbegriff „Doppelwumms“. Zum Jahresende hatte der Bund über diesen Fonds 29,6 Milliarden Euro Schulden gemacht – Ende Juni waren es 59,8 Milliarden Euro. 30 der 39 Milliarden Euro neuen Schulden im ersten Halbjahr gehen also alleine auf Scholz‘ „Doppelwumms“ zurück. Diese Schulden dienen dazu, die Kosten für die verfehlte Energiepolitik der Ampel auszugleichen. Folglich stiegen sie von April bis Juni kaum – wenn bald die nächste Heizsaison einsetzt, dürfte sich das entsprechend ändern.

Die Entwicklung des „Sondervermögens Bundeswehr“ lässt zwei Schlüsse zu. Zum einen droht aus diesem Fonds eine weitere Schuldenwelle. Zum anderen kommt die Ampel mit ihrem Projekt der „Zeitenwende“ nicht voran. Mit 100 Milliarden Euro hatte Scholz das „Sondervermögen“ ausgestattet. Von dem Geld sollte die Bundeswehr aufgerüstet werden. Als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine. Und weil die Armee nicht verteidigungsfähig ist, wie es ihr eigener Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) einräumt.

Im März 2022 hat Scholz das „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro angekündigt. Bis Ende Juni 2023 – also nach 15 Monaten – waren davon abgerufen: 1,2 Milliarden Euro. Für mathematische Analphabeten und grüne Außenministerinnen: Das entspricht 1,2 Prozent. Scholz hat Christine Lambrecht (SPD) als Verteidigungsministerin entlassen, weil die mit der Aufgabe überfordert war. Ihr Nachfolger Pistorius ist deutlich beliebter – aber arbeitet ähnlich effektiv. Im zweiten Quartal konnte die Bundeswehr 0,4 Milliarden Euro des Geldes ausgeben, das für Aufrüstung bereitsteht.

Spätestens 2024 werden die Ausgaben aus dem Fonds aber steigen. Vielleicht auch, weil die Aufrüstung bis dahin besser funktioniert. Ganz sicher aber, weil Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Pistorius das „Sondervermögen“ zweckentfremden und den offiziellen Haushalt 2024 damit schönrechnen. Rund 5 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen werden dann für alltägliche Ausgaben der Bundeswehr genutzt. Da Lindner und Pistorius dieses Geld aus dem Haushalt rausgerechnet haben, taucht es direkt in der Schuldenbilanz auf.

Angesichts solcher Taschenspielertricks und angesichts schlechter Nachrichten aus der Wirtschaft drängen sich zwei Prognosen auf: Die Steuerzahler werden weiter bluten. Die Ampel erhöht zum Jahreswechsel die LKW-Maut um über 80 Prozent, die CO2-Steuer und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) lässt die Beiträge für die Krankenkassen steigen. Durch die Neuberechnung und durch höhere Sätze werden Hausbesitzer über die Grundsteuer gleich doppelt bluten. Das Schuldenmachen des Staates wird trotzdem weitergehen – das zweite Quartal 2023 dürfte nur eine Atempause bedeuten.

Anzeige