Tichys Einblick
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SPD wagt doch keinen richtigen Flüchtlings-Wahlkampf

Beim Vergleich der Wahlkampagnen verdient die SPD das Prädikat solide. Den pfiffigsten Auftritt legt die FDP mit ihrer Christian-Lindner-Superstar-Show hin. Pfiffig wollte auch die CDU sein. Das mit #fedidwgugl war aber wohl nix.

Gut sieben Wochen vor dem Wahltag startete die SPD in die heiße Phase des Wahlkampfs. Mit fünf Themenplakaten setzt sie ihre inhaltlichen Schwerpunkte: Zeit für mehr Gerechtigkeit. Darunter versteht die SPD: Lohngleichheit für Frauen, bessere Bildung, höhere Renten, Förderung von Innovationen, mehr Zeit und Geld für Familien. Es sind klassische SPD-Themen. Sie scheinen eher geeignet, die eigene Basis zu mobilisieren, als Wechselwähler in der Mitte der Gesellschaft zu überzeugen. Auch der Schulz-Slogan „Deutschland kann mehr“ ist nicht sonderlich originell. Den hat die CDU zu Oppositionszeiten schon verwendet.

Zweierlei fiel bei der Vorstellung der Kampagne durch Hubertus Heil auf: Der SPD-Bundesgeschäftsführer sprach vom eigenen Wahlprogramm, nicht mehr wie Kanzlerkandidat Martin Schulz von einem Regierungsprogramm. Und: Auf das  kürzlich von Schulz aufgegriffene Thema „Flüchtlinge“ scheint die Partei doch nicht allzu sehr zu setzen. Jedenfalls gibt es kein Flüchtlings-Plakat. Schließlich zeigen alle Umfragen, dass die Thematisierung der Flüchtlingskrise der SPD nichts gebracht hat. Nur die AfD hat – was zu erwarten war – zugelegt. Ohnehin kann die SPD mit Blick auf die unkontrollierte Zuwanderung 2015/16 nicht punkten: Damals fanden die Genossen den staatlichen Kontrollverlust nicht weiter schlimm, im Gegenteil.

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Die SPD rangiert in den Umfragen unverändert zwischen 23 und 25 Prozent, also zwischen Frank-Walter Steinmeiers 23,0 Prozent von 2009 und den 25,7 Prozent mit Peer Steinbrück von 2013. Bliebe die SPD mit Schulz unter 23 Prozent, wäre Schulz der große Verlierer; es wäre das schlechteste SPD-Ergebnis seit 1949. Sollten Schulz und die SPD dagegen auf 25,8 Prozent kommen, wäre das das beste SPD-Ergebnis seit 2005. Merke: In der Politik kann sich auch der als Sieger fühlen, der nicht so hoch verliert wie seine Vorgänger. Da können 0,1 Punkte den Unterschied machen. Logisch? Politische Logik!

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Beim Vergleich der verschiedenen Wahlkampagnen verdient sich die SPD das Prädikat solide. Den pfiffigsten Auftritt legt zweifellos die FDP mit ihrer Christian-Lindner-Superstar-Show hin. Pfiffig wollte auch die CDU sein. Das ging mit #fedidwgugl (Für ein Deutschland in dem wir gut und gerne leben) gründlich schief.

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Manche links-liberale Kommentatoren klagen darüber, wie langweilig der Wahlkampf sei. Ihr Vorschlag für mehr Spannung: SPD, Grüne und Linke sollten knallhart auf Rot-Rot-Grün setzen. Dann gäbe es einen Lagerwahlkampf wie einst samt der dazugehörigen Polarisierung und Spannung. Das mag so sein.

Mich stört jedoch das Argument der Langeweile. Die spannendste, dramatischste Wahlkampf-Konstellation, die wir in Deutschland je hatten, war die letzte, halbwegs freie Reichstagswahl am 5. März 1933. Es gab eine extrem hohe Wahlbeteiligung. Viele saßen auf gepackten Koffern, weil sie wussten: Wenn Hitler und die Nazis gewinnen, dann ist die Demokratie zu Ende. Sie hatten ja auch Recht mit ihrer Befürchtung. Auf diese Art von Spannung kann ich verzichten. Da hab‘ ich lieber eine stabile Demokratie, die ein bisschen langweilig ist.

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Wahlkampfweisheit zum Tage: Jede Wahlkampagne läuft in sechs Phasen ab – 1. Begeisterung, 2. Ernüchterung, 3. Panik., 4. Suche nach den Schuldigen, 5. Bestrafung der Unschuldigen, 6. Auszeichnung der Nichtbeteiligten.