Tichys Einblick
Selbst verschuldeter Fachkräftemangel

SPD-Ministerium: Leiharbeiter verdienen 1.000 Euro weniger im Monat

Deutschland fehle es an Fachkräften, klagt etwa die Logistikbranche. Doch allein diese Branche beschäftigt 240.000 Leiharbeiter und bezahlt sie deutlich schlechter. Dank der SPD ist die Leiharbeit ein missbrauchtes Instrument

IMAGO / Future Image

Die Hartz-Reformen haben unterm Strich der deutschen Wirtschaft Schwung verliehen. Aber die sozialdemokratischen Gesetze haben auch zu einer Verrohung des Arbeitsmarktes geführt – etwa indem die Sozialdemokraten die Befristung auf Leiharbeit abgeschafft haben. Gedacht ist diese als sinnvolles Mittel, um kurzfristigen Bedarf am Arbeitsmarkt zu decken – unter sozialdemokratischer Führung wurde sie zum dauerhaften Mittel, Löhne zu drücken.

788.000 Menschen sind in Deutschland in der Leiharbeit gemeldet und führen Beiträge zu den Sozialversicherungen ab. Zu diesen gehören Renten- oder Krankenkasse. Damit sind 2,3 Prozent der insgesamt 33,8 Millionen Beschäftigten Leiharbeiter. Das ergab eine Anfrage der Partei Die Linke an die Bundesregierung. Die Zahlen entsprechen dem Stand vom 30. Juni des zurückliegenden Jahres.

Interessant: Nicht einmal ein Drittel der Leiharbeiter hat keinen Berufsabschluss. Nämlich 225.000 Arbeitnehmer, wie aus der Antwort der Bundesregierung hervorgeht. 407.000 Leiharbeiter hatten aber demnach einen anerkannten Berufsabschluss. Einen akademischen Abschluss haben 74.000 Leiharbeiter gemacht. Wie es zu der Lücke von rund 80.000 Leiharbeitern hin zur Gesamtzahl kommt, erklärt das Arbeitsministerium in der Antwort nicht.

Dafür räumt es ein, wenn auch in Beamtendeutsch, dass die Leiharbeit ein Mittel ist, Arbeitnehmer zu drücken. Gerade qualifizierte: „Üblicherweise kann angenommen werden, dass Beschäftigte mit einem anerkannten Berufsabschluss, die eine Helfer-Tätigkeit ausüben, und Beschäftigte mit einem akademischen Abschluss, die eine Helfer- oder Fachkraft-Tätigkeit ausüben, unterhalb ihres Qualifikationsniveaus eingesetzt werden“, schreibt das Arbeitsministerium in seiner Antwort. Von den 407.000 Leiharbeitern mit Berufsabschluss treffe das auf 188.000 zu. Von den 74.000 Akademikern seien es 36.000 Menschen.

Der Bereich Verkehr und Logistik ist mit 240.000 Leiharbeitern die Branche, die am stärksten auf das Instrument zurückgreift. 11,1 Prozent – also mehr als jeder Zehnte – sind in dieser Branche nur als Leiharbeiter beschäftigt. Ein festangestellter Mitarbeiter dieser Branche verdiente laut Arbeitsministerium im „Median“ 2705 Euro zum 31. Dezember 2021. Bei den Leiharbeitern waren es 1731 Euro – Verkehr und Logistik gehört zu den Sparten, die sich am lautesten über Fachkräftemangel beklagen. Die Berechnung nach dem Median nimmt extrem hohe und extrem niedriger Gehälter aus, um ein realistisches Bild vom Durchschnitt zu erhalten.

2017 hat die große Koalition das „Arbeitnehmerüberlassungsgesetz“ reformiert. Kurz vorher war Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Talkrunde damit konfrontiert worden, dass Menschen unbefristet in Leiharbeit gehalten werden können. Dass sie im gleichen Betrieb arbeiten, aber nicht über die gleichen Rechte oder das gleiche Gehalt wie ihre festangestellten Kollegen verfügen. Merkel erklärte, das habe sie gar nicht gewusst. Nach zwölf Jahren Kanzlerschaft. Die Leiharbeit wurde nun wieder zeitlich befristet. Davor lag der Anteil der Leiharbeit an der Gesamtbeschäftigung noch bei 3,0 Prozent, seitdem ist er auf 2,3 Prozent zurückgegangen.

Doch dieses Gesetz hatte eine bewusst gelassene Lücke, um Gehälter weiter drücken zu können, wie die Linke in ihrer Anfrage formuliert: „Zu diesem Zweck wurden sogenannte Tariföffnungsklauseln in das Gesetz aufgenommen, die es ermöglichten, die neu geschaffenen gesetzlichen Schutzmechanismen zur Höchstüberlassung und zum Equal Pay durch Tarifverträge zu unterlaufen.“ Ob diese deutsche Sonderregelung mit der EU-Leiharbeitsrichtlinie „2008/104/EG“ vereinbar sei, klärt laut Linke derzeit der Europäische Gerichtshof.

Die Reform unter Merkel mag die Situation etwas verbessert haben. Doch die Leiharbeit bleibt durch die SPD-Gesetze ein verrufenes Instrument. Wieso das so ist, belegt die Frankfurter Rundschau. Das Blatt kämpfte mit klarer Haltung gegen die Ausnutzung der Leiharbeit. In den Texten. Im eigenen Unternehmen beförderte die Rundschau vor der Merkel-Reform die Gründung einer Leiharbeits-Gesellschaft, drängte alle häufig beschäftigen freien Mitarbeiter in diese Gesellschaft und lieh sie dauerhaft aus. Bei deutlich niedrigerer Bezahlung und mit weniger Rechten. „An den Taten sollt ihr sie erkennen“, Jesus von Nazareth.

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