Tichys Einblick
„Kritik” am Aufruf gegen die Gender-Sprache

Schluss mit dem Gender-Unfug: Viel Anerkennung und schäumende Kritik

Zahlreiche Zeitungen – national und international – haben objektiv darüber berichtet: epd, BILD, FAZ, in Österreich Der Standard, die Neue Zürcher Zeitung, die New York Times. An vier Beispielen wird hier dargestellt, wie Gesinnungsbekenntnisse Argumente ersetzen sollen.

imago Images/Steinach

Seit Aschermittwoch nun läuft die Aktion gegen den Irrsinn der „Gendersprache“. Die Resonanz war und ist so überwältigend, dass der Server in der Geschäftsstelle des Vereins Deutsche Sprache (VDS) phasenweise wegen Überlastung den Geist aufgab. In knapp vier Tagen gab es – bei anschwellender Entwicklung – 25.000 Einträge, das heißt, tagsüber alle fünf Sekunden einen Eintrag, der dann erst an den Absender zurückging und von ihm verifiziert werden musste – um fingierte Einträge zu unterbinden.

Protest gegen Neusprech
"Schluss mit dem Gender-Unfug!"
Zahlreiche Zeitungen – national und international – haben objektiv darüber berichtet: epd, BILD, FAZ, in Österreich Der Standard, die Neue Zürcher Zeitung, die New York Times. Deutsche Regionalzeitungen brachten ausführliche Berichte und zum Teil ganze Seiten lang Leserbriefe. So zum Beispiel die Passauer Neue Presse mit 17 Leserbriefen zugunsten der Aktion. Offensichtlich trifft die Aufforderung, sich dagegen zur Wehr zu setzen, auf großen Widerhall.

In einer Petition hat der Verein Deutsche Sprache e.V. (VDS) nun „Schluss mit dem Gender-Unfug“ gefordert. Ich gehöre zu den Initiatoren. Wir warnen vor „zerstörerischen Eingriffen in die deutsche Sprache“.

Erfreulicherweise unterstützen eine Reihe prominenter Schriftsteller, Journalisten sowie Wissenschaftler die Petition als Erstunterzeichner, darunter Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff, „Sprachpapst“ Wolf Schneider, die Lyriker Reiner Kunze, Sabine Schöck und andere, der Bestsellerautor Prinz Asfa-Wossen Asserate, der TV-Moderator Peter Hahne, der langjährigen „BILD“-Chefredakteur Kai Diekmann, die Schriftstellerin Cora Stephan, die Kabarettisten Dieter Nuhr und Dieter Hallervorden, der frühere FAZ-Theaterkritiker Gerhard Stadelmaier sowie mehrere Dutzend Germanistik- und andere Professoren.

Natürlich gibt es Gegenwind. Über solche Veränderungen der Sprache muss hitzig debattiert werden – aber es kann an dieser Stelle freilich an vier Beispielen dargestellt werden, wie verbohrt pure Gegnerschaft ohne Argumente abläuft, und welche seltsamen Unterstellungen herhalten müssen, um das gewollte Gendersternchen zu verteidigen.

Die Süddeutsche (SüZ), die bislang ohnehin nur Fanatiker der gegenderten Sprache zu Wort kommen ließ, schickte Johan Schloemann los. Die Initiatoren des Aufrufs hätten sich, so Schloemann, in eine „trübe Gesellschaft“ und damit „in den Dunstkreis der AfD“ begeben. Namentlich genannt sind unter anderem der „dubiose Fernsehprediger Peter Hahne“ und der „wegen Verschwörungstheorien in den Ruhestand versetzte frühere Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen.“

Sachargumente? Fehlanzeige! Aber klar. Die Kritik an der Gender-Sprache könnte, so meint er also, irgendwie der AfD helfen und ist deshalb abzulehnen. Aber sollen wir deshalb alle verhunztes Deutsch sprechen und schreiben? Vernünftigen Argumenten darf sich jeder anschließen; und wer wegen von ihm ungewollter Teilnehmer oder angeblicher Nutznießer lieber Unsinn verteidigt – verteidigt eben Unsinn.

Beim Münchner Merkur (MM) schrieb Florian Naumann. Eigentlich ist der MM ja das ärmere Konkurrenzblatt der SüZ und müsste pfiffiger gegen die übermächtige Konkurrenz anschreiben. Aber als ob er bei der SüZ abgeschrieben hätte, wird auch hier über den „unter dem Vorwurf des Verbreitens von Verschwörungstheorien abgetretenen früheren Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen“ als Unterstützer der Aktion fabuliert. Abgesehen davon, dass dieser Satz in seiner Kompliziertheit schwer nachzuvollziehen und sachlich falsch ist: Auch ansonsten bemüht der MM-Schreiber ohne namentliche Benennung „Sprachwissenschaftler“, die den VDS als „ein Musterbeispiel für einen intoleranten, unaufgeklärten Sprachpurismus“ mit „immer wieder nationalistischen Tendenzen“ bezeichnen. Wo sind „nationalistische Tendenzen“ zu befürchten, wenn das Gender-Sternchen kritisiert wird? Ist Nationalist, wer „Radfahrer“ statt „Radfahrende“ sagt? So schnell geht das mit dem Nationalismus, wenn ein ahnungsloser Dahinschreiber nachdenkensfrei in die Ismen-Kiste greift und irgendetwas hervorzieht.

Aufruf
Schluss mit der Sprach-Vergenderung
Auf die Deutsche Presseagentur (dpa) beziehen sich die t-online-Nachrichtenseite und andere Medien. Man spricht von einem „Brandbrief“. Es ist die Rede von „Verbohrheit“. Dann lässt man den Anglisten Anatol Stefanowitsch von der FU Berlin zu Wort kommen. Und der liefert das Gewünschte: Hinter der Aktion stünden ein „reaktionäres Weltbild“ und „deutschlandzentrierte reaktionäre Kulturvorstellungen.“

Was der Kritiker zu vergessen scheint: Deutsch wird auch in Österreich und der Schweiz und vielen andern Ländern gesprochen. Was ist daran „deutschlandzentriert“, wenn man sich über Veränderungen der Sprache Gedanken macht oder ist der Genderstern völkerverbindend? Es ist sinnfreie Kritik, die dröhnend daherkommt. Bemerkenswert daran ist eigentlich nur das Vorgehen der Nachrichtenagentur: Zuerst wird langatmig  Kritik formuliert – die Nachricht kommt – verkürzt – erst am Ende des Textes.

Der Leser soll wohl „geframed“ werden, wie das heute heißt, also manipuliert. So soll sichergestellt werden, dass sein Denken in gewünschten Bahnen verläuft.  Dagegen formuliert guter Nachrichtenjournalismus zunächst die Nachricht, und stellt die Meinung getrennt dazu, damit sich der Leser seine eigene Meinung bilden kann. dpa betreibt, was ein früher führender Mitarbeiter als manipulativen Haltungsjournalismus beschrieben hat; eine unprofessionelle Vorgehensweise, die letztlich die Demokratie gefährdet.

Getoppt hat das Ganze die „taz“ mit ihrem Chef vom Dienst Daniel Kretschmar. Er wünscht den Erstunterzeichnern des Aufrufes, sie mögen „in ihren eigenen Ausscheidungen … ertrinken“. Der intellektuell gigantische Beitrag des Chefs vom Dienst endet mit dem Satz: „Aber wenn ihr fragt, wem die Zukunft gehört: Ich tippe auf Genderstern, nicht Stehpinkler“.

Nicht einmal ignorieren, sollte angesichts solcher Qualitätspresse eigentlich das Motto lauten. Wundern kann einen das schon lange nicht mehr, sind erhebliche Teile der Gemeinwohlmedien doch zu Phrasendrescherei und Gesinnungsbekenntnissen verkommen. Sie fühlen sich einer höheren Ordnung, einem zwischen den Gendersternen herumirrenden Zeitgeist verpflichtet. Es wäre besser, sie fühlten sich dem Leser verpflichtet wie auch einer gepflegten, verständigen und verstehbaren Sprache statt einem verkomplizierten, unaussprechlichen und unverständlichen Kunstprodukt mit kaum übersehbarer Manipulationsabsicht.


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