Tichys Einblick
NetzDG im Feuer der Kritik

Schlappe für Maas: Wissenschaftlicher Dienst hält Netzwerkdurchsetzungsgesetz für europarechtswidrig

Schwerste Bedenken gegen das Netzzensurgesetz von Bundesjustizminister Heiko Maas notiert der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags.

© Adam Berry/Getty Images

Viele Juristen und Verbände haben sich auf den Standpunkt gestellt, dass das kontroverse „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“, mit dem Justizminister Maas die sozialen Medien zu reglementieren gedenkt, schweren verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Bedenken begegnet. Den Justizminister hat dies nicht weiter beeindruckt. Seit dem 31.05.2017 existiert nun eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages mit dem Thema: „Der Entwurf des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes – Vereinbarkeit mit dem Herkunftslandprinzip”. Diese Ausarbeitung liegt mir in vollem Umfang vor. Sie prüft die Vereinbarkeit des Entwurfs des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes mit Europarecht. Genauer: Mit Teilen der E-Commerce Richtlinie 2000/31/EG2. Die Wissenschaftlichen Dienste arbeiten nach eigenen Angaben parteipolitisch neutral und sachlich objektiv. Danach ist Maas’ Gesetz europarechtswidrig.

Neben weiteren, für sich allein durchgreifenden Bedenken ist insb. der letzte Absatz des Gutachtens vernichtend für den Justizminister. Dieser lautet:

Fraglich ist, ob eine unionsrechtskonforme Auslegung des NetzDG-E möglich ist, so dass das NetzDG-E für Netzwerkbetreiber aus anderen Mitgliedstaaten nur greift, wenn die Normen des betreffenden Mitgliedstaats vergleichbare Vorgaben postulieren und das deutsche Recht mithin nicht strenger ist als das Recht des Sitzmitgliedstaats oder im fraglichen Einzelfall eine Ausnahme vorliegt und die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 4 der E-Commerce Richtlinie erfüllt sind bzw. werden, sodass das NetzDG-E Anwendung finden kann. Dagegen sprechen Begründung und Formulierungen des NetzDG-E, welche eine Anwendung der Normen des NetzDG-E auf Betreiber aus anderen EU-Mitgliedstaaten vorsehen und dafür keine vergleichbaren Regelungen im Sitzmitgliedstaat oder ergänzende Anforderungen gemäß Art. 3 Abs. 4 der E-Commerce Richtlinie voraussetzen.“ (Hervorhebungen durch den Autor)

Ein weiteres Gutachten, das sich mit den verfassungsrechtlichen Implikationen des Gesetzesvorhabens befasst, wird in der nächsten Woche erwartet. Dem Vernehmen nach sind die Juristen über die fachliche Qualität des Gesetzes fassunglos und die Verfassungsrechtler des Wissenschaftliches Dienstes haben schwerste Bedenken.