Tichys Einblick
Über Fehler reden

Zahl der Rechtschreibfehler soll nicht mehr erfasst werden

Mit Schleswig-Holstein zieht nun eines der letzten verbliebenen Bundesländer bei der Abschaffung des Fehlerquotienten nach. Das Zählen von Rechtschreibfehlern gehört somit bald der Vergangenheit an. Das mag die orthographischen Leistungen zwar nicht zwingend verschlechtern, verbessern aber auch nicht.

IMAGO / blickwinkel

Bereits seit Jahren beklagen verschiedene Instanzen den Niedergang der Rechtschreibung bei deutschen Schulabgängern. Anstatt hierauf aber mit einer Rechtschreiboffensive zu reagieren, entschloss man sich im Land Schleswig-Holstein, ab dem kommenden Schuljahr eine bahnbrechende Neuerung einzuführen: Rechtschreibfehler sollen nicht mehr gezählt werden und somit nicht mehr direkt in die Benotung einfließen.

Stattdessen sollen Schüler „zukünftig eine qualitative Rückmeldung erhalten über Fehlerschwerpunkte und über die Systematik ihrer Fehler“, so Bildungsministerin Karin Prien von der CDU. Prien betont, dass „die Bewertung der Rechtschreibung und Zeichensetzung weiterhin wichtiger Bestandteil der Note“ bleibe. An die Stelle der reinen Quantifizierung sollen Lehrer die Rechtschreibkompetenzen nun „gerechter“ bewerten.

„Basis ist ein differenzierter Analysebogen, den das Ministerium aktuell entwickelt und den Lehrkräften zum neuen Schuljahr zur Verfügung stellt. Also: Differenzierte Rückmeldung an die Schülerinnen und Schüler statt bloßes Fehlerzählen.“

Nur in Hessen werden Fehler gemessen

Mit diesem Vorstoß steht Schleswig-Holstein allerdings nicht alleine da. Bereits in den meisten Bundesländern ist der sogenannte Fehlerquotient abgeschafft worden, außer in Schleswig-Holstein zählt man nur noch in Hessen die Rechtschreibfehler. Die Abschaffung im Norden der Bundesrepublik wird mit einer bundesweiten Vereinheitlichung der Prüfungsbedingungen begründet.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Stefan Düll, begrüßte die Maßnahme. „Die Streichung des Fehlerquotienten ist kein Problem, wenn weiterhin gezielt eine korrekte Rechtschreibung von klein auf gelehrt und eingefordert wird“, so Düll. „Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit sind daher weiterhin zu kennzeichnen und auch angemessen in die Bewertung einzubeziehen.“

Dem pflichtete auch der Vorsitzende der Hamburger Gymnasialschulleitervereinigung, Christian Gefert, zu und bezeichnete die Abschaffung als „den richtigen Schritt“. „Der sprachliche Ausdruck macht sich nicht allein daran fest, sich ganz ohne Fehler auszudrücken“, betonte Gefert und bot sogleich ein Beispiel. „Ein Zeichensetzungsfehler kann die Bedeutung eines ganzen Satzes verschieben oder aber nur schlicht ein fehlendes Komma sein. Natürlich müssen wir Fehler weiter anstreichen, aber wir müssen sie auch im Hinblick auf ihre Bedeutung gewichten.“

Orthographieschwache Schicksale bei Richtern und Arbeitslosen

Diese Erkenntnis kommt für Akif Pirinçci, der vor kurzem wegen eines falsch interpretierten Kommas zu 9 Monaten Haft wegen Volksverhetzung verurteilt wurde, zu spät. Andererseits waren die Richter im damaligen Prozess wohl der lebende Beweis dafür, dass auch das Zählen der Rechtschreibfehler kein Garant dafür ist, dass selbst die höchsten Ämter der Bundesrepublik mit Personen besetzt werden, die der deutschen Sprache mächtig sind.

Der Unternehmer Wolfgang Grupp warnt hingegen, dass nicht jeder es trotz mangelnder Orthographie so weit bringen kann. „Wir dürfen uns nicht beschweren, dass folgende Generationen keine Leistung mehr bringen wollen, wenn wir sogar schon bei der Rechtschreibung nachgeben. Wir bewerten Bewerber schon nach dem Anschreiben. Wenn da einer viele Fehler drin hat, dann fliegt er aus der Auswahl. Das ist ein Manko für den Einzelnen – da verbaut man den Kindern doch die Zukunft.“

Ob es sich bei der Abschaffung des Fehlerquotienten nur um eine weitere Nachjustierung nach unten handelt oder nicht, auch mit dem Fehlerquotienten waren die Rechtschreibfähigkeiten deutscher Schüler und Abiturienten seit Jahren rückläufig. Einer Umfrage der DPA aus dem Jahr 2020 zufolge scheiterten 30 Prozent der Bewerber für den Polizeidienst nicht an den sportlichen Anforderungen, sondern am Diktat. Ein Drittel dieser Kandidaten waren Abiturienten.

Warum nur die Rechtschreibung? Alles abschaffen!

Doch die Probleme zeichnen sich bundesweit auch schon in den Grundschulen ab, 2016 verfehlten bundesweit 22,1 Prozent der Viertklässler den Mindeststandard im Bereich Orthographie. Das Bundesland mit den durchgehend besten Ergebnissen ist – trotz abgeschafftem Fehlerquotienten – Bayern, wo nur 12,5 Prozent den Mindeststandard nicht erreichten. Bremen ist mit 40,2 Prozent unrühmlicher Spitzenreiter beim orthographischen Versagen, dicht gefolgt von Berlin, Niedersachsen und Hamburg.

Während also die Abschaffung des Fehlerquotienten nicht zwingend zu einem Absturz der Orthographie führt, scheint er bundesweit auch keinen positiven Effekt zu haben. Dennoch begrüßt der grüne Ministerpräsident Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann, die Abschaffung und stellte die Frage, wie wichtig Rechtschreibung für Schüler heutzutage noch sei, „wenn das Schreibprogramm alles korrigiert“. Damit noch nicht genug, meldete Kretschmann auch Zweifel am Nutzen des Fremdsprachenunterrichts: „Wenn das Handy Gespräche in fast jede Sprache der Welt in Echtzeit übersetzen kann – brauchen wir dann noch eine zweite Fremdsprache in der Schule als Pflichtfach?“

TE sagt: alles abschaffen! Zwischen Taschenrechnern, Computern, Robotern und KI kann alles besser von Geräten erledigt werden, was früher noch Domäne der Menschen war. Endlich mehr Zeit für die Schulfächer „Gender Diversity“ und „White Guilt“. In diesen Fächern wäre Deutschland im internationalen Vergleich zumindest wieder eine Spitzenposition sicher!

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