Tichys Einblick
Medien-Genörgel

Putin: Einmal Moskau-Graz-Berlin und zurück

Was über die Teilnahme von Wladimir Putin an der Hochzeit der österreichischen Außenministerin Kneissl so alles geschrieben wurde, stellt keine Ansprüche an die Leser.

Austrian Foreign Minister Karin Kneissl and Russian President Vladimir Putin dance during Kneissls wedding on August 18, 2018 in Gamlitz, Styria, Austria.

ALEXEI DRUZHININ/AFP/Getty Images

Na, das ist doch standesgemäß, was DER STANDARD schreibt: „Sollte Kurz je heiraten, mit welchem Gast könnte er Kneissl standesgemäß übertrumpfen. Zu fürchten ist: Es bleibt nur Trump.“

Der Kronenzeitung blieb es vorbehalten zu melden: »Bundeskanzler Sebastian Kurz nutzte den Weg von Gamlitz zum Flughafen Graz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in dessen Präsidentenlimousine, um bilaterale Fragen sowie die „aktuelle politische Lage und Krisenherde wie die Ukraine, Syrien, Energiepolitik und das Verhältnis EU-Russland“ zu besprechen.«

Manchmal sind ja kurze Gespräche besser als lange, denn die Strecke von Gamlitz nach Thalerhof ist eher 40 als die von den Medien unisono gemeldeten 50 km kurz und dauert 30 Minuten.

Was über die Teilnahme von Wladimir Putin an der Hochzeit der österreichischen Außenministerin Kneissl so alles geschrieben wurde, stellt keine Ansprüche an die Leser. Dass Putin die Möglichkeit ergriff, der Welt zu sagen, seht ihr, mich mögen sie in Österreich und sonstwo, mit einem Abstecher auf dem Weg nach Berlin zu Frau Merkel, gehört zur Welt der Bilderbotschaften. Ein Tänzchen mit der Hochzeiterin, eine kleines Grußwort in deutscher Sprache, allemal freundlicher anzusehen als Juncker, dessen Küsschenattacken nur entgehen kann, wer deutlich größer ist als er. Der österreichischen Regierung stehen die Bilder zu Beginn des Ratsvorsitzes in der EU genauso gut.

Merkwürdig nörgelig kommen Medienberichte daher, WELT online an der Spitze mit dem Titel: „Die schräge Putin-Show auf einer Hochzeit in der Steiermark“: „Die Hochzeit von Österreichs Außenministerin Kneissl wird zum semimonarchischen Ereignis. Der Opec-Chef ist da, Ehrengast Wladimir Putin auch. Er brachte als Gastgeschenk einen Donkosakenchor.“

Was an dieser PR-Einlage „schräg“ gewesen sein soll oder „Dirty Dancing“, erschließt sich dem entspannten Beobachter nicht. Gott, wie kleinkariert. Als ob nicht jedermann wüsste, dass ein Gutteil der Politik wie alles Öffentliche den Regeln im Showbusiness folgt.

Wer sich ein unabhängigeres Bild von Österreichs Außenministerin machen will, findet es in der NZZ nach der Einleitung: „Eine Unangepasste im Tanz mit Putin“.

Ach so, was ist eigentlich das Wochenend-Treffen Putin-Merkel auf Schloss Meseberg bei Berlin? Sie reden über Syrien, Ukraine und die Gas-Pipeline Nord Stream 2 – nicht zum ersten und nicht zum letzten mal, ohne Ergebnisse, nicht zum ersten und nicht zum letzten mal. Na, das haben Putin und Kurz in der schwachen Stunde Zeit der Autofahrt in der Steiermark auch geschafft.

Nachdem dieser Text fertig war, hagelte es Stimmen aus den Medien, denen ich kopfschüttelnd bis lachend entnahm: Sie gehen mit der Landhochzeit um wie die Adelsexperten mit Verstößen gegen das Hofprotokoll bei royalen Hochzeiten. Sie schlüpfen in die Rolle von diplomatischen Experten, die beurteilen, was man tut und was nicht nach dem Protokoll an den Höfen von Kaisern, Königen und sonstigen Fürsten. Sie spielen Emser Depesche. Sie sonnen sich im Glanze ihres politisch-strategischen Wissens. Und das Lustigste: Je progressiver das Blatt, desto protokollarischer. Wenn es gegen die Richtigen, also die richtigen Falschen geht, ist uns nichts zu dämlich. Als mein Sohn erst ein paar Jahre war, wurde er gefragt, was eine Dame sei. Seine Antwort, na dämlich.