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Dokumentation

Prüffall AfD: Veröffentlichung fragwürdig

Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags bezweifelt, dass die öffentlichkeitswirksame Einstufung der AfD zum "Prüffall" des Bundesamts für Verfassungsschutz rechtmäßig ist.

imago/Future Image

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte am 15. Januar bekannt gegeben, die gesamte Partei auf rechtsextremistische Bestrebungen zu untersuchen. Bei der Prüfung soll aber auch mögliches entlastendes Material über die AfD gesammelt werden. Die AfD kündigte an, sie wolle dagegen gerichtlich vorgehen.

Jetzt liefert der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags der AfD Unterstützung: Zwar »dürfte für die rein interne Einstufung einer Partei als „Prüffall“ eine Gesetzesgrundlage vorhanden sein«, so die Wissenschaftler. Das Bundesamt darf also eine Partei oder andere Gruppierung genauer unter die Lupe nehmen.

Das Bundesamt darf die Öffentlichkeit auch über solche Verdachtsfälle informieren.

Aber das Grundgesetz (GG) gewährt in Art. 21 den Parteien Betätigungsfreiheit und das Recht, „gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilzunehmen.“ Genau an dieser Stelle wird es entscheidend:

»Berichte des Verfassungsschutzes über Beobachtungen von Parteien greifen der Rechtsprechung zufolge in die Betätigungsfreiheit und Chancengleichheit der Parteien ein. Ähnliches gilt für öffentliche Äußerungen, mit der eine – bislang nicht beobachtete Partei – mündlich als verfassungsfeindlich eingestuft wird:

Die Bezeichnung als „Prüffall“ hat zwar eine geringere negative Wirkung als die Bezeichnung als„Verdachtsfall“ oder „verfassungsfeindlich“. Gleichwohl ist ein „Prüffall“ schon der Definition nach etwas „Verdächtigeres“, als eine „normale“, nicht zu prüfende Partei. Ferner erinnert das Wort „Prüffall“ semantisch an „Problemfall“, „Vorfall“ oder „Beobachtungsfall“. Im Übrigen drückt „Prüffall“ einen statischen Zustand aus und damit eine fortdauernde belastende Eigenschaft.«

Die Gutachter des Bundestags analysieren eine mögliche „Stigmatisierung“ einer so bezeichneten Partei im Rahmen der Chancengleichheit und kommen zu dem Ergebnis:

»Für die öffentliche Bezeichnung einer politischen Partei als „Prüffall“ enthält das BVerfSchG wohl keine gesetzliche Ermächtigung.«

Das Gutachten hat keine rechtlich bindende Wirkung. Der Wissenschaftliche Dienst steht jedem Abgeordneten zur Verfügung, um den vermuteten „Wissensvorsprung“ der Ministerien und Bundesbehörden auszugleichen und die Abgeordneten mit Argumenten für die Wahrnehmung ihres Mandats mit dem Stand der Forschung, Gesetzgebung und Rechtsprechung vertraut zu machen.

Wegwischen kann man die kompetente Ausarbeitung daher nicht so ohne weiteres. Vor allem, weil nach der Erklärung zum Prüf-Fall Bundesinnenminister Horst Seehofer nachlegte. Er erklärte im zeitlichen Zusammenhang mit der Prüf-Fall-Erklärung, dass er die Vereinbarkeit von Parteimitgliedschaften und Verpflichtungen von Beamten und Staatsbediensteten untersuchen lassen wolle. Diese Frage werde häufiger an das Ministerium herangetragen.

„Deshalb habe ich mein Haus gebeten, diese Frage der Mitgliedschaft und welche Verpflichtungen für einen Beamten entstehen hinsichtlich der politischen Zurückhaltung noch mal sehr genau für mich zu prüfen.“ Damit hat er die Stigmatisierung verschärft.

Die Zielrichtung ist klar: Würde die Mitgliedschaft in der AfD mit dem Beamtenstatus kollidieren, müssten sich viele Mitglieder der AfD zwischen ihrem Beruf und Parteimitgliedschaft oder Mandat entscheiden. Das Ergebnis des Seehofer-Tests sollte in einigen Wochen vorliegen.

Wir dokumentieren hier die Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags.