Tichys Einblick
Demonstration des Mittelstands in München

„Muss mi so ärgern über den Pressebericht!“

Auf der Theresienwiese in München bekommt die Bavaria erneut Besuch von unzufriedenen Bürgern mit viel aufgestauter Wut. Es geht um Bürokratie, Wohnungsnot, Altersarmut und vieles mehr. NTV macht aus der Demonstration gegen die Regierung kurzerhand eine Demo gegen Rechts.

Demonstranten halten ein Transparent mit der Aufschrift "Do san mia dahoam - Unser Herz schlägt für Freiheit"

Tichys Einblick/ Noemi Johler

Initiiert und organisiert haben die Demonstration der Kran-Unternehmer Markus Huber aus Bad Feilnbach und der Landwirt Franz Huber aus Straubing. Vertreten wurden unter anderem Landwirte, Handwerker, Rentner und Mütter. Unter dem Motto „Hand in Hand für unser Land“ hat sich der Mittelstand zusammengetan und für eine bessere Politik in Berlin plädiert.

Angekündigt hatten die Veranstalter zwischen 35.000 und 50.000 Teilnehmern. Über soziale Netzwerke wurde kräftig geteilt, unterstützt und wurden Busse organisiert. Tatsächlich kamen geschätzt aber nur um die 10.000 Teilnehmer – Franz Huber geht von 7.000 aus, die trotz Bahnstreik und kurzfristiger Organisation teilnahmen. Sie versammeln sich umrahmt von zwei Bus-Reihen und auch mehreren Traktoren unter der Bavaria auf der Theresienwiese.

„Lügenpresse!“

Mit Beginn der Kundgebung um 12 Uhr finden sich immer mehr Bürger mit Glocken, Sirenen und Plakaten ein. Darunter wehen auch einige Bayernflaggen und auch – zum Schrecken des ein oder anderen Grünen – Deutschlandflaggen. Damit beginnt auch schon der Ärger: Markus Huber und Franz Huber platzt der Kragen. „Der Fernsehsender ntv berichtet über die Demonstration“ – aber den einsetzenden Applaus unterbricht Huber mit einem „Nein, nein, nein!“, denn dieser Bericht bezeichne die Demonstration als „Demo gegen Rechts“. Dazu sagt Huber nur „Pfui Deifel!“ und hat „ein gezieltes Wort an die Presse: berichtet ehrlich und fair – nichts anderes!“. Die Veranstalter betonen, dass diese Demonstration eben keiner Richtung anhängt, sondern parteipolitisch unabhängig deutlich machen möchte, wie die Regierung den Mittelstand belastet.

Sie betonen auch, dass sie sich von Rechtsextremen distanzieren und auf einen friedlichen Protest setzen. Redezeit wurde Politikern dabei nicht gestattet, wie die Veranstalter bereits vorher angekündigt hatten. Die Politiker wurden „zum Zuhören eingeladen und nicht zum Reden“, so Markus Huber. „Wir werden mit Augenmaß schauen, wer kommt“, und wenn keiner kommt, ist die Botschaft klar: „Wir sind nicht wichtig!“ Dennoch wurden alle Politiker eingeladen, so auch Markus Söder. Er kam aber nicht – andere Termine sollen ihn verhindert haben.

Zugesagt hatten Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) und Hubert Aiwanger von den Freien Wählern, dieser verließ die Veranstaltung aber schon nach 20 Minuten und einem gemeinsamen Bild für die Presse. Wenn man nicht reden kann, hält es Berufspolitiker nicht lange unter dem Volk.

„Wir machen das ganz unbürokratisch – liebe Politik passts auf!“

Vertreter von drei Landwirtschaftsverbänden stehen mit auf der Bühne. Sie wollen ihre Redezeit den anderen Branchen übergeben und sind daher nur für das Grußwort verantwortlich. Ralf Huber vom BBV berichtet voller Wut, von der Politik der letzten Jahre: „Wir Bauern sind wie eine Sau durchs Dorf getrieben wurden – gegen jede Vernunft.“ Aber auch von den realitätsfernen Auflagen: „Wir sollen auf die Felder, wenn das Datum stimmt und nicht das Wetter!“ Er bemängelt besonders die Altersarmut, wenn „ältere Frauen Flaschenpfand sammeln müssen – kann sowas sein in einem Wohlstandsland?“.

Mit Nachdruck wendet er sich an die Politik: „Wir sind bereit, was zu ändern, wenn was nicht gut läuft. Und genau das erwarte ich von der Politik.“ Ebenso sieht es der Milchbauer Johannes Pfaller vom BDM: „Heute und hier stehen Fachkräfte, aber in Berlin, da ist der Fachkräftemangel.“ Er lässt an den Politikern der Ampel-Regierung kein gutes Haar und fragt sich: „Wie blöd muss man sein im Januar, wenn die Bauern am meisten Zeit haben, so etwas durchzusetzen?“ Tizian Klein vom LSV stimmt seinen Kollegen zu und sagt: „Wir sind uns nicht immer einig, aber hier sind wir uns einig.“ Gesang wird angestimmt: „Wir haben die Schnauze voll!“, und das Publikum applaudiert.

„Diagnose: Die Politik ist krank“

Anton Steinbacher ist ein Zahnarzt im Ruhestand und beginnt mit der ersten Rede. Steinbacher möchte „seine Heimat vor Schaden bewahren“, denn besorgniserregend für ihn sind die Ankündigungen, dass im Gesundheitswesen um ein Drittel gekürzt werden soll. Er stellt seine Diagnose für die Politik: Sie ist krank! Das Gesundheitssystem leidet unter massivem Fachkräftemangel, „zwei Drittel der Pflegekräfte können sich nicht vorstellen bis zur Rente zu arbeiten“. Ebenso kritisiert er die Politik, die deutsches Steuergeld nach Peru oder Senegal schickt, aber in Deutschland nichts gegen den Medikamentenmangel tut. „Unsere derzeitige Regierung versucht die Probleme der Welt zu lösen, aber nicht die im eigenen Land.“ Sein Appell an die Politik: „Wir brauchen Politik mit Herz und Verstand – mit gesundem Menschenverstand!“

„An ein Eigenheim ist gar nicht mehr zu denken“

Sofia-Marie Heiss ist Friseurmeisterin und Mutter einer kleinen Tochter. Sie wäre „lieber auf dem Spielplatz oder im Tierpark mit den Kindern, aber die aktuelle Politik treibt uns auf die Straße“. Die Schließungen von Krankenhäusern, der Kampf, um eine Hebamme oder einen Betreuungsplatz zu bekommen, beeinflussen das Leben der jungen Mutter und besorgen sie. Heiss betont, dass in München 80.000 bezahlbare Wohnungen fehlen und dass „Baukosten und Auflagen den sozialen Wohnungsbau unmöglich machen. An ein Eigenheim ist gar nicht mehr zu denken.“

Zusätzlich ist es unmöglich, als Mutter die Entscheidung zu treffen, „seine Kinder selber großzuziehen, da meistens beide [Elternteile] Vollzeit arbeiten gehen müssen“. Sie findet Deutschland „familienfeindlich“ und die „fleißigen Bürger werden durch den Staat bestraft“. Besserung muss in Aussicht sein, denn es fehlen Kita-Plätze. Allein „in Bayern fehlen mehr als 70.000 Betreuungsplätze“ und vom „Lehrermangel“ möchte sie erst gar nicht anfangen. Auch sie appelliert an die Politik: „Eine Familie zu gründen, sollte von der Gesellschaft geschätzt werden. Ohne Kinder keine Zukunft und ohne Zukunft keine Kinder.“

„Wie schön es ist, sich mal bedienen zu lassen“ und „der Geruch von Leberkäse“

Thomas Dettendorfer hat ein Speditionsgewerbe mit 40 Mitarbeitern und fragt sich, wo die 7 Milliarden Euro aus der Lkw-Maut hinfließen. Dettendorfer findet, „wenn die Politik es schon schafft, die Luft zu versteuern, dann soll sie sich doch auch in Luft auflösen“. Denn „die Bundesregierung gefährdet uns alle. Zum Beispiel steigen die Krankenkassenbeiträge, aber Leistungen werden nicht mehr bezahlt. Nicht mal mehr für Globuli haben sie [Bundesregierung] Geld – da stimmt was nicht!“ In Dettendorfers Familie sind auch Gastwirte und er weiß „wie schön es auch mal ist, sich bedienen zu lassen.“

Aber die Gastronomie leidet genauso stark unter Energiekosten und Fachkräftemangel wie die anderen Branchen. Essengehen werde unbezahlbar.

Wieder setzt der wohlbekannte Gesang ein und der nächste Redner, Obermeister der Metzgerinnung München, Andreas Gassner, beginnt den Geruch von Leberkäse leidenschaftlich zu beschreiben. „Wisst ihr, wie gut das riecht? Da geht einem das Herz auf.“ Gassner ärgert sich über diese „Ernährungsampel“ und fragt: „Warum muss man uns das so madig machen?“ Er hat keine Lust mehr auf diese „Verbotspolitik“ und für seine Forderungen an die Politik „braucht man kein Studium – es braucht gesunden Menschenverstand“, denn „wenn es uns gut geht – dann können wir auch anderen helfen!“

„Leistungen sind höher für nicht arbeitende Familien – wo ist die Belohnung und Anerkennung, noch arbeiten zu gehen?“

Die gelernte Verwaltungskraft im öffentlichen Dienst, Babsi Fellner, kennt sich durch ihre Arbeit genauestens bei dem Bürgergeld und den Asylbestimmungen aus. „Eine sechsköpfige Familie bekommt über 2.500 Euro pro Monat Bürgergeld – ohne Miete oder andere Kosten“, zusätzliche Kosten wie „Kindergartengebühren, Kindererstausstattung oder Schulbedarf werden übernommen“. Die Teilnehmer beginnen mit Buhrufen und schwenken zu Gelächter um, als Fellner erwähnt, dass nur diejenigen arbeiten gehen können, die eine Arbeitserlaubnis beantragen. „Die Regierung hat nichts gelernt aus den Fehlern von 2015!“ Eine Lösung hat Fellner aber parat: „weniger Gehalt für Politiker“.

„Habt ihr eure Seele an den Teufel verkauft?“

Franz Eibauer ist selbständiger Elektrikermeister und ist sauer, dass sich nicht mehr Verbände äußern. Besonders das Datenschutzgesetz erschwert die Arbeit für den Elektriker: „Jetzt darf ich meine Kunden nicht mehr in meine Werkstatt lassen, sonst wüssten die, wem was gehört.“ Weitere Maßnahmen muss er durchsetzen, die bei ihm Unverständnis auslösen. So muss er zum Beispiel seine Mitarbeiter vor einem Arbeitsauftrag „schriftlich dazu befähigen, auf eine Baustelle zu gehen – der hat’s gelernt, warum muss ich das aufschreiben?! Wo ist die Ausbildung unserer Regierung?“

Als Eibauer schließlich auf die Renten zu sprechen kommt, wird es im Publikum laut. „Jeder vierte Rentner hat unter 1.000 Euro im Monat und dann sagt eine Made im Speck im Fernseher, dass jeder über 2.000 Euro im Monat hat. Ein Wort zu den Medien und Journalisten: Könnt ihr überhaupt noch ruhig schlafen? Habt ihr eure Seele an den Teufel verkauft?“

Laute Rufe aus dem Publikum mit „Lügenpresse!“ überlagern die Rede von Eibauer, doch seine Botschaft war deutlich zu hören: „Eure regierungstreue Propaganda wollen wir nicht mehr hören!“ Zu einem gewissen Grad, stimmt auch der letzte Redner Mettalbaumeister Wolfgang Petry ein: „Ich will wieder Nachrichten anschauen, ohne angelogen zu werden!“

„Wir sind sehr zufrieden. Es war genauso wie wir das wollen!“

Markus Huber und Franz Huber schließen die Kundgebung mit einem erneuten Appell an die Teilnehmer, aber auch an die Öffentlichkeit ab. „Wir wollen nicht nur mit den Fingern auf andere zeigen und die Presse über einen Kamm scheren. Wir bitten um einen Applaus für die Presse und dass diese fair berichtet.“ Mit diesen Worten löst sich die Veranstaltung auf und endet friedlich.

Die Polizei äußerte sich nach dem Abschluss positiv über die Demonstration: „Wir sind sehr zufrieden. Es war genauso, wie wir das wollen!“ Ebenso empfindet es Franz Huber, welcher nun auf seinen Hof zurückkehrt. Auf die Frage, ob weitere Aktionen anstehen, entgegnet er: „Weitere Aktionen sind erstmal nicht in Sicht.“ Er muss sich nun nach den Anstrengungen der letzten Tage ausruhen und sich auf andere Projekte wie die Gründung seines eigenen Bauernkindergartens fokussieren. Erstaunlicherweise ist er nicht enttäuscht, dass statt der angekündigten 50.000 Teilnehmer nur 10.000 erschienen: „Sonst wird man faul!“ – er wird sich demnach weiterhin für seine Ziele einsetzen.

Es dürften auch mit weiteren Demonstrationen in der nächsten Zeit gerechnet werden, denn die Probleme des Mittelstandes werden immer mehr. Im Gespräch mit einer Teilnehmerin erzählt die junge Mutter von zwei Kindern, dass sie „ihre Kinder selber erziehen wolle“, aber das geht nicht. Aus finanziellen Gründen muss sie arbeiten gehen. Dafür musste sie aber lange um einen Betreuungsplatz bangen. „Wir hätten uns das besser überlegen müssen, vor unserem zweiten Kind.“

Unter den Teilnehmern sind viele Familien mit ihren Kindern und ältere Menschen – also diejenigen, die den Wohlstand erarbeitet haben und erarbeiten könnten. Aber Wohlstand möchte die Bundesregierung ja nicht haben.

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