Tichys Einblick
Polizeiliche Kriminalstatistik für Berlin

Berlin 2022: Starker Anstieg der Kinderkriminalität, deutlich mehr Messertaten und Opfer

Mehr Straftaten, deutlich mehr Opfer, Rohheitsdelikte und Messertaten, weniger Aufklärung – das ist die Bilanz des Jahres 2022 in der Hauptstadt. Daneben nahm auch die Jugendkriminalität entsprechend dem Bundestrend deutlich zu.

Rest eines gestohlenen Fahrrads in Berlin, 09.04.2023

IMAGO / Seeliger

Die Jugendkriminalität in Berlin hat stark zugenommen. Das geht aus den Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für das Land Berlin hervor. 2022 gab es in Berlin knapp 25.000 Tatverdächtige unter 21 Jahren. Das waren 4.160 mehr als im Vorjahr, ein Anstieg um 20 Prozent. Bei den Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren stieg die Zahl der Tatverdächtigen um 21 Prozent auf nun 8.478 erfasste Verdächtige an. Am stärksten war die Zunahme bei den tatverdächtigen Kindern, von denen 532 mehr als im Vorjahr gefasst wurden, so dass die Gesamtzahl nun bei 2.331 lag – ein Plus von satten 30 Prozent.

Der Anstieg ist insgesamt bei allen Tatverdächtigen unter 21 Jahren erheblich, wird aber bei den jüngeren noch einmal größer. Entweder geht es hier um eine Art Verrohung oder um die gezielte Heranziehung Jüngerer, auch nicht strafmündiger Personen für Straftaten. Das dürfte insbesondere in Gruppen und festen Familienstrukturen der Fall sein.

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Die Jugendgruppengewalt nahm erheblich zu, auf nun 1.873 Fälle – 366 mehr als im Vorjahr (plus 24,3 Prozent). Bundesweit hat die Zahl der tatverdächtigen Kinder sogar um 35,5 Prozent auf 93.095 zugenommen. Das könnte man auch einen Nachholeffekt des flachen Landes gegenüber Großstädten wie Berlin nennen, die auf diesem Feld schon zuvor führend waren. Gegenüber dem Vor-Pandemie-Jahr 2019 stieg die Kinderkriminalität bundesweit um 27,7 Prozent an. Die Zahl der jugendlichen Tatverdächtigen (14–18 Jahre) wuchs im selben Zeitraum (2019 zu 2022) um 6,8 Prozent auf nun 189.149 an.
3.317 Messerangriffe, sinkende Aufklärungsquote inklusive

In Berlin gab es einen Anstieg der Straftaten insgesamt über alle Altersklassen hinweg von 7,8 Prozent auf nun 519.827 Fälle, 37.700 mehr als noch im Vorjahr. Der Senat lobt sich, dass Berlin damit unter dem bundesweiten Anstieg von 11,5 Prozent liege. Allerdings sind damit in beiden Fällen die Kriminalitätsstände wie vor der Coronazeit erreicht – sie werden sogar übertroffen. So nahmen die Rohheitsdelikte deutlich um 14,4 Prozent zu.

Noch stärker nahm die Zahl der Opfer aller Straftaten in Berlin zu, nämlich um 15,2 Prozent auf 95.547 Betroffene im Vergleich zum Vorjahr (ein Plus von 12.591 Opfern). Mehr als 3.300 Mal kam ein Messer zum Einsatz: eine Zunahme von 19,4 Prozent (plus 540 Taten). Daneben gab es einen deutlichen Anstieg der antisemitischen Gewalttaten, wenn auch in kleiner Gesamtzahl (ein Plus von elf Fällen, was einer Zunahme um 79 Prozent entspricht).

Auch gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 gab es eine Zunahme der Straftaten um 1,2 Prozent. So wird auch der Satz der Innensenatorin Iris Spranger (SPD) zuschanden, die von einem „prognostizierten Anstieg nach den pandemischen Einschränkungen“ sprach, den man erfolgreich eingedämmt habe. Tatsächlich stieg die Kriminalität auch gegenüber Vor-Pandemie-Zeiten eindeutig an. Die Polizeipräsidentin Barbara Slowik sprach davon, dass „wir unseren Weg nicht nur fortsetzen, sondern unsere Maßnahmen weiter intensivieren“. Das klang schon weniger überzeugt von der Lage.

Die in Berlin schon lange unbefriedigende Aufklärungsquote sank nochmals auf 44,9 Prozent ab (Vorjahr: 45,3 Prozent). Der Senat formuliert: „Aufklärungsquote nahezu gehalten“. Insgesamt wurden gut 14.000 Straftaten pro 100.000 Einwohner begangen. Der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen hat sich auf 41,9 Prozent erhöht (Vorjahr: 39,4 Prozent). Zunehmend werden auch Polizisten (8.726 Fälle) und Rettungsdienste (307 Fälle) zu Opfern von Straftaten, insgesamt ein Anstieg der kriminellen Übergriffe auf Polizei- und Rettungskräfte um 27,4 Prozent.

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