Tichys Einblick
Dokumentation

Offener Brief an die Bundestagsabgeordneten der CDU

Zu einer CDU, die den bisherigen Kurs noch weiter mitträgt, werden immer mehr Menschen sagen: das ist nicht mehr meine Partei, schreibt Heiko Rehmann.

© Sean Gallup/Getty Images

Sehr geehrte Abgeordnete der CDU, als treuer Unionswähler stehe ich mittlerweile fassungslos vor einer Politik, die das Gegenteil dessen tut, wofür ich und Millionen andere bislang die CDU gewählt haben.

Die große Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich eine Wende in der Flüchtlingspolitik. 57 % der Deutschen sprechen sich einer aktuellen Emnid Umfrage zufolge gegen Angela Merkels Umgang mit der Flüchtlingskrise aus.  Dennoch gelingt es Frau Merkel erstaunlicherweise immer wieder, sich als die Lösung eines Problems zu präsentieren, das sie selbst mit verursacht hat. Dabei wird es immer offensichtlicher, dass sie zwar mit kosmetischen Korrekturen ihre Kritiker besänftigen, aber keine echte Wende einleiten will. Eine Partei die jahrelang konsequent gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit und der eigenen Wähler regiert, kann keine Volkspartei mehr sein.

Schon vor 2015 hätte Frau Merkel Maßnahmen ergreifen können, durch die es gar nicht erst zu dem großen Ansturm gekommen wäre. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise – verstärkt durch ihre Einladungssignale – hat sie den bereits unterzeichneten Befehl zur Grenzschließung im letzten Moment zurückgezogen – angeblich aus Angst vor hässlichen Bildern wie der Welt Journalist Robin Alexander vermutet. Spätestens im Frühjahr 2016 wäre es möglich gewesen, die Grenze ohne Risiko zu schließen. Durch Frau Merkels fortgesetzte Verweigerungshaltung sind nun hunderttausende weitere kaum integrierbare Zuwanderer im Land. Deren teils lebenslange Alimentierung, 400 000 anhängige Asylklagen und unzählige Kollateralschäden werden uns in der Summe 900 Milliarden kosten, wie der Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen errechnet hat. Geld, das in den Herkunftsländern wesentlich sinnvoller angelegt wäre. Die Schließung der Balkanroute hat sie vehement kritisiert, obwohl Deutschland dadurch am meisten profitiert hat. Seitdem hat sich an der Situation kaum noch etwas verändert. Noch immer nimmt Deutschland jedes Jahr zwei neue Arabische Großstädte auf, mehr als alle anderen europäischen Länder zusammengenommen.  Statt wie versprochen die Zahl der Abschiebungen zu erhöhen, ist diese gesunken.

Wenn es Frau Merkels Ziel wäre, eine echte Wende in der Flüchtlingspolitik herbeizuführen, so hätte sie das längst getan.

Ohnehin sind die meisten Diskussionen sinnlos, solange noch immer jedes Jahr zehnmal mehr Flüchtlinge einreisen, als abgeschoben werden. Ernst Walter, Chef der Bundespolizeigewerkschaft (DPolG) forderte daher schon vor einem Monat, endlich Flüchtlinge an den Grenzen abweisen zu dürfen. „Alle Länder um uns herum verfahren so, nur wir nicht.“

Natürlich wäre eine europäische Lösung am besten. Aber warum ist diese in den vergangenen beiden Jahren nicht erreicht worden?

Italien hat im vergangenen Jahr die Zahl der Mittelmehrflüchtlinge in kurzer Zeit um 80% reduziert. Wo der Wille ist, ist vieles möglich. Aber warum sollten andere Länder ihre Anstrengungen verstärken, solange die meisten Flüchtlinge am Ende doch nach Deutschland weiterziehen?

Die von Horst Seehofer geplante Grenzschließung würde den Druck erzeugen, den andere Länder brauchen, um sich zu bewegen.

Wie schon viele andere Vorschläge, die die Flüchtlingszahlen verringert hätten, lehnt Frau Merkel auch diesen Vorschlag ab. Nachdem die CDU nun schon seit drei Jahren einer Politik zuschaut, die vor 10 Jahren noch eine Staatskrise ausgelöst hätte, kommt es auf zwei Wochen auch nicht mehr an. Verständlich, dass Sie der Kanzlerin diese Zeit geben wollen.

Allerdings  hat die CSU vergangene Woche den Vorschlag gemacht, jetzt schon weitere Zurückweisungen an den Grenzen zu beschließen – aber nur für den Fall, dass die Verhandlungen auf europäischer Ebene scheitern. Auch dies habe die Kanzlerin abgelehnt, hieß es aus CSU-Kreisen. Wenn es Frau Merkel darum ginge, eine echte Wende einzuleiten, wenn es lediglich ihre Sorge wäre, unsere europäischen Partner nicht zu verprellen, dann hätte sie dieses Kompromissangebot guten Gewissens annehmen können. Tatsächlich dürfen wir uns fragen, um was sich Frau Merkel eigentlich sorgt. Österreich, das durch die Grenzschließung am stärksten betroffen wäre, steht fest auf der Seite Horst Seehofers. Auch die Sorge um Wirtschaft und Tourismus, die auf offene Grenzen angewiesen seien, scheint mir vorgeschoben. Schließlich geht es ja darum, Flüchtlinge zurückzuweisen und nicht Touristen oder Gütertransporte. In Dänemark,  Frankreich und anderen Ländern funktioniert das schon seit Langem problemlos.

Deutschland dürfe nicht zulasten Dritter handeln betont Frau Merkel unermüdlich – und nimmt es seit Jahren in Kauf, dass andere auf Kosten Deutschlands handeln. Das Angebot des österreichischen Kanzlers, gemeinsam mit Deutschland und Italien bei der Lösung der Probleme voranzugehen hat sie abgelehnt, genau wie die Einrichtung von Asylzentren in Nordafrika.

Noch immer verteidigt Frau Merkel ihre Fehlentscheidungen aus dem Jahr 2015. Alles was damals getan wurde sei richtig gewesen, dürfe sich aber nie mehr wiederholen. Mehr Selbstwiderspruch geht nun wirklich nicht. Warum soll heute falsch sein, was damals richtig war? Ich darf Sie daran erinnern, dass die geopolitische Situation im Jahr 2015 die gleiche war wie 2014 und wie heute. Statt die Fehler der Vergangenheit zu verteidigen, sollten wir sie endlich korrigieren. Nichts spricht dafür, dass der Migrationsdruck in den kommenden 100 Jahren geringer werden wird. Eine nachhaltige Lösung des Problems kann nur in der Hilfe vor Ort bestehen. Ein mittlerweile zwar gebremster, dafür jedoch kontinuierlicher Zustrom an Menschen aus fremden Kulturen wird unser Land in den kommenden Jahrzehnten stärker verändern als alle Umbrüche, die wir bisher erlebt haben.

Zu einer CDU, die diesen Kurs noch weiter mitträgt, werden immer mehr Menschen sagen: das ist nicht mehr meine Partei.

Mit freundlichen Grüßen

Heiko Rehmann