Tichys Einblick
Potsdamer Treffen:

Österreichs Geheimdienst informierte Haldenwang

Mit seinem Bekenntnis vor Berliner Journalisten Ende Januar, dass der Bundesverfassungsschutz über das angebliche „Geheimtreffen“ von Politikern in Potsdam Bescheid wusste, hat Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang (CDU) eine Enthüllungswelle über seine Arbeits- und Verhaltensweise selbst losgetreten.

IMAGO - Collage: TE
Immer mehr Geheimdienste sind offensichtlich im Vorfeld in die Überwachung des angeblichen „Geheimtreffens“ von konservativen und rechten Politikern in Potsdam verstrickt. Wie das Magazin Focus in seiner Samstag-Ausgabe berichtet, habe Österreichs Geheimdienst bereits im Spätherbst vergangenen Jahres das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) über ein Treffen von mutmaßlich Rechtsradikalen im Potsdamer Landhaus Adlon informiert.

Vermeintliche Enthüllungen über die Tagung vom 25. November 2023, auf der angeblich die Abschiebung von Millionen Ausländern erörtert worden seien, hatte die staatlich mitfinanzierte Plattform „Correctiv“ mit Behauptungen über einen „Geheimplan gegen Deutschland“ erst sieben Wochen danach in die Welt gesetzt – parallel zu den Massenprotesten von Arbeitern und Bauern, Handwerkern, Gastronomen und Spediteuren gegen die verheerende Ampelpolitik von SPD, Grüne und FDP.

Selbst der Landesverfassungsschutz Brandenburg übt jetzt sogar öffentlich scharfe Kritik am Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln, weil die Informationen der Wiener Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) nicht mit der ortsansässigen Potsdamer Behörde geteilt wurden.

Brandenburgs CDU-Innenminister Michael Stübgen beschwerte sich im Landtag, dass sich in seinem Zuständigkeitsbereich unangemeldet die Schlapphüte landesfremder Geheimdienste ein Stelldichein geben – ohne ihn als zuständigen Minister zu informieren: „Ich hätte mir schon gewünscht, gerade wenn die Informationen älter sind, dass wir sie früher zur Kenntnis bekommen hätten.“

 „Die haben uns wie Provinz-Heinis behandelt“, sagte ein Potsdamer Beamter.

Der brandenburgische Verfassungsschutz ist kein Landesamt, sondern nur eine Abteilung im Innenministerium. Seit der Deutschen Einheit fühlt sich der Potsdamer Inlandsgeheimdienst von den großen Inlandsdiensten aus Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Baden-Württemberg nicht für voll genommen.

Auch Haldenwangs Bundesdienst beachtete bei seinem Vorgehen die Potsdamer Kollegen aus hergebrachter Überlegenheit erst gar nicht. Bei dem privaten Treffen im Potsdamer Hotel trat dann der als rechtsextrem eingestufte Wiener Identitäre Martin Sellner zu einer Buchvorstellung seines Bestsellers „Remigration: Ein Vorschlag“ auf. Sein Buch liegt bei Amazon laut Spiegel jetzt auf Platz eins.

Doch Sellner stand schon im unsichtbaren Visier von Austrias Schlapphüten. Aufgrund der Überwachung des 35-Jährigen erfuhr der österreichische Dienst von Sellners Termin in Potsdam, und den teilte er Haldenwangs Geheimdienstlern umgehend mit, jedoch nicht den Brandenburger Kollegen.

BfV-Präsident Thomas Haldenwang im Höhenflug

Das Vorgehen seines Dienstes im Wissen um das vermeintliche „Geheimtreffen“ in Potsdam, das Anfang des Jahres als Generalangriff auf den politischen Hauptgegner von Ampel und Union – die Alternative für Deutschland im Umfragehoch – verwendet wurde, schien den BfV-Präsidenten zu Höhenflügen verleitet zu haben. Im Duktus eines Politikers plauderte Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang (CDU) in Berliner Journalistenkreisen Ende Januar aus, dass sein Dienst schon vor dem vermeintlich rechten Geheimtreffen im Potsdamer Hotel „Landhaus Adlon“ über das Wer, Wann und Wo bestens Bescheid wusste, wie Tichys Einblick exklusiv („Wir kennen sie alle“) berichtete.

Wie jetzt durch die veröffentlichten Focus-Informationen bekannt wird, kamen die Hinweise darauf vom österreichischen Geheimdienst. So konnten die deutschen Kollegen im November in Aktion treten.

Damit nicht genug: Schon Anfang Januar warnte CDU-Mann Haldenwang wie ein Politiker die Bundesbürger vor vermeintlichen Gefahren durch die Alternative für Deutschland, die sie nicht wahrnehmen würden. Der Verfassungsschutzchef rief am 10. Januar die Bevölkerung sogar zur Gegenwehr auf: es sei notwendig, „dass die Mitte der Gesellschaft, die schweigende Mehrheit in diesem Land, wach wird und auch endlich klar Position bezieht gegen Extremismus in Deutschland“, verbreitete Haldenwang Anti-AfD-Aufrufe in einem Interview des ARD-Magazins „Kontraste“.

Genau zur gleichen Zeit, als das Aktivistenportal „Correctiv“ am 10. Januar seine Story von einer angeblichen Wannsee-Konferenz 2.0 durch AfD-Politiker, die im Wesentlichen eine Buchlesung war, in die Welt setzte. Die „Correctiv“-Inszenierung mündete am 17. Januar in eine szenische Lesung aus deren Recherchen im Theater Berliner Ensemble, an dessen Text der „Correctiv“-Journalist Jean Peters beteiligt war.

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