Tichys Einblick
Was haben wir heute?

Öffentlich-rechtliches Partyspiel „Wer bin ich?“

Böhmermann spielte mit Dorothee Bär, dreifache Mutter und Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur das Partyspiel „Wer bin ich?“ Der Geschmack der Öffentlich-Rechtlichen wirft Fragen auf.

Screenshot: ZDF

Gehen wir kurz mal zurück zu Neo Magazin Royal mit Jan Böhmermann. Das lief gestern Nacht in Wiederholungsschleife vom Vortag. Zu Gast war Dorothee Bär, dreifache Mutter und Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Böhmermann spielte mit ihr das Partyspiel „Wer bin ich?“ Beide trugen dazu ein Politikerbild befestigt an einer Mütze. Sie kennen das vielleicht: Durch Fragen und Antworten sollte nun herausgefunden werden, wer auf der eigenen, von einem selbst nicht einsehbaren, Mütze klebt.

So na ja, so la la. Bär hatte Altmaier vorm Kopf, Böhmermann Gauland. „Bin ich ein historischer Politiker?“, fragt Böhmermann.  „Ja“, antwortet Bär. „Bin ich Hitler?“ „Ähnlich“. „Bin ich ein nationalsozialistischer Politiker?“ „Ja.“, antwortet Frau Bär tatsächlich schmunzelnd. „Bin ich ein Vertrauter des Führers?“ Auch hier kommt ein „Ja“. „Bin ich jetzt in Hitlers Kabinett, im Jahr 1939?“ „Gedanklich ja.“, antwortet die CSU Politikerin. Ha, ha, ha. Wirklich ha, ha, ha?

So geht das noch ein paar Fragen weiter, während Frau Bär Ihre Beine auf anatomisch eigentlich unmögliche Weise übereinander schlägt, wie man es allenfalls einer Marlene Dietrich zugetraut hätte. Die Wahrheit nicht aussprechen? OK, immerhin das beherzigt Frau Bär in Richtung Alexander Gauland, der ja vieles sein mag, aber sicher kein Nationalsozialist. Aber so macht man das dann eben im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. So geht das: Wer als Moderator dermaßen unbedarfte Gäste zu so einem asozialem Verhalten ermuntert, der darf dann auch mit dem Grimmepreis rechnen.

Böhmermann geht übrigens in Berufung wegen seines Schmähgedichtes. Uninteressant. Interessanter allenfalls, dass es dafür sogar schon einen eigenen Wikipedia-Eintrag gibt.

Grund für die Berufung: Böhmermann möchte eine Einschränkung seiner Grundrechte nicht akzeptieren. „Man kann ein Kunstwerk nicht in Einzelteile sezieren.“, erklärte sein Anwalt. Ein übersteigertes Ehrempfinden Erdoğans, persönlicher Geschmack oder strategische Erwägungen der Politik, dürften nicht zum Maßstab des deutschen Rechtsstaates werden.

OK, letzteres ist tatsächlich amüsant. Denn wenn in den letzten Monaten etwas zum Maßstab des deutschen Rechtsstaates geworden ist, dann ja wohl ein übersteigertes Ehrempfinden Erdoğans. Özlem Topçu schreibt in der ZEIT unter dem tollen Titel „Großer Schnauzer“: „(J)e lauter die Türken werden, desto leiser treten die Deutschen auf.“ Topçu meint über die türkischstämmige Community in Deutschland zu wissen: „Die Mehrheit der Türkeistämmigen ist konservativ, fromm und nationalistisch eingestellt.“ Gut, das kennt man aus deutschen Enklaven beispielsweise in Südamerika. Auch dort wird teilweise noch ein Brauchtum gepflegt aus der Zeit der Ausreise vor vielen Generationen. Gewissermaßen konserviert.

Aber Topçu geht zu weit, wenn er den Türkischstämmigen hier „Orientale ohne Impulskontrolle“ nennt. Das ist eher der Sound eines Akif Pirinccis. Erstaunlich findet der Journalist, dass das Auswärtige Amt zwar weiterhin eine Teilreisewarnung für Reisen nach Japan ausgesprochen hat. Aber „(ü)ber die Türkei derzeit: kein Wort. Trotz Anschlägen und Kriegszustand im Südosten des Landes.“ Tourismus ist eben eine Haupteinnahmequelle.

Nun ist Urlaub in der Türkei die eine Sache, spätestens seit Deniz Yücel wissen wir: arbeiten in der Türkei endet mitunter in den überfüllten Gefängnissen. Der Mann hat die doppelte Staatsbürgerschaft. Hätte sich der in Deutschland geborene Yücel entscheiden müssen, hätte er sich sicher für das Deutschsein entschieden und wäre als „nur“ Deutscher allenfalls ausgewiesen oder nicht mehr akkreditiert worden.

Sicher ein Initial auch für das aktuelle Statement eines Norbert Röttgen im aktuellen Spiegel: „Die doppelte Staatsbürgerschaft hat sich nicht bewährt. (…) Der Stand der Integration ist offenbar deutlich schwächer, als viele bisher angenommen haben. Das gehört zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme dieses Konflikts leider dazu.“ Spätestens mit 21 Jahren, schlägt Röttgen vor, müssten sich die Menschen endgültig entscheiden.

Aber ob man damit aus dem Schneider wäre, ist eine andere Frage. Cem Özdemir beispielsweise ist „nur“ Deutscher. Wir erinnern uns, Erdoğan ließ ihn nach der Armenien-Resolution dennoch nicht aus seinen Fängen, als er erklärte: „Niemand, in dessen Adern das Blut dieser Nation fließt, kann diese Nation mit dem so genannten Völkermord beschuldigen.“

Ein Bluttest für türkischstämmige Menschen in Deutschland? Warum nicht? Aber aus ganz anderen Gründen. Dann nämlich, wenn es um Knochenmarkspenden geht. Viel zu wenige sind noch in den Registern verzeichnet: „Wir wollen die Heilungschancen der türkischstämmigen Kranken verbessern und zugleich einen Beitrag leisten, von dem die gesamte Gesellschaft profitiert“, baten jüngst deutsche Mediziner.