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Wie der Wind weht

Norbert Röttgen gibt Koalition mit FDP eine Absage

Mitbewerber Laschet hat sich im Gegenteil zu Röttgen eine starke FDP gewünscht, wahrscheinlich nicht nur aus Rücksicht auf seinen Partner in der Koalition in Düsseldorf. Und Friedrich Merz hat bisher keine Option ausgeschlossen.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Christian Mang

Noch rechtzeitig vor der Wahl eines neuen Bundesvorsitzenden der CDU Deutschlands am kommenden Wochenende hat einer der drei Kandidaten unmissverständlich klar gemacht, was von ihm nicht zu erwarten ist: eine bürgerliche Politik in den Traditionen der CDU. Eindeutig erklärte Norbert Röttgen gegenüber der „Augsburger Allgemeinen“, dass eine Koalition mit der FDP für ihn nicht in Frage käme. Als Begründung nannte er das Aussteigen der Liberalen aus den Sondierungsgesprächen mit der Union und den Grünen im Jahr 2017. Die FDP habe sich damals als unsicherer Kantonist erwiesen.

Obwohl Christian Lindner seine damalige Haltung später selbst als Fehler bezeichnete, hatte er Recht mit seiner Entscheidung. Vom ersten Moment an spielte Angela Merkel mit den Grünen über Bande, um die Liberalen von vornherein zu schwächen und in einer möglichen Koalition von Anfang an zum Verlierer zu machen. Selbst die Beteiligung an der Macht macht nur dann einen Sinn, wenn die Macht auch umgesetzt werden kann. Alles andere führt bekanntlich zum König ohne Kleider, der am Ende zur Lachnummer wird. Natürlich weiß auch Röttgen das. Sein Signal geht eindeutig an die Grünen, nach dem Motto: „Mit mir könnt ihr zuverlässig rechnen“. Denn an eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei oder gar der AfD hat er sicher nicht gedacht, möglicherweise aber käme noch die SPD als punching ball zwischen Schwarz-Grün mit ins Boot.

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Röttgen, ein typischer Karrierepolitiker der neuen Zeit, ist nicht nur berechnend, sondern auch wendig genug, seine Meinung jeweiligen Machtoptionen anzupassen. Schon sein Credo, welches ihn wählbar machen soll, spricht für sich: Die CDU müsse weiblicher, jünger und digitaler werden. Nicht nur, dass dies auch der Slogan für einen Sportverein sein könnte, entbehrt er jeder, für eine politische Partei notwendigen, inhaltlichen Aussage. Er ist unverbindlich und Zeitgeist-like. Was Röttgen sich für die Zukunft Deutschlands vorstellt, bleibt sein Geheimnis.

Was diese schnöde Abfertigung der Liberalen betrifft, so muss sie gerade aus dem Mund eines CDU-Politikers befremden. Immerhin haben Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff mit ihrer Entscheidung, 1982 das Bündnis mit der SPD aufzukündigen, die Voraussetzung für 16 Jahre Helmut Kohl geschaffen. Ohne diesen Kanzler und die christlich-liberale Koalition wären die Geschicke Deutschlands anders verlaufen – beginnend bei der Nachrüstung der NATO bis hin zur deutschen Einheit. In Röttgens Augen ist das sicherlich kalter Kaffee von gestern. Hier aber täuscht sich der Zeitgeist. Vergangenheit schafft Bindungen – gute oder schlechte. Kurzum: Das Abmeiern der Liberalen durch einen möglichen zukünftigen CDU-Vorsitzenden ist schlicht eine Unverschämtheit. Dies zumal in einer Zeit, in der die eh schon linke Republik vorhersehbar noch weiter nach links driften wird. Das Land braucht die Liberalen deshalb wie die Suppe das Salz.

Mitbewerber Laschet übrigens hat sich ganz im Gegenteil eine starke FDP gewünscht, dies wahrscheinlich nicht nur aus Rücksicht auf seinen Partner in der erfolgreichen Koalition in Düsseldorf. Und Friedrich Merz hat bisher keine Option ausgeschlossen.

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