Tichys Einblick
Mal anders betrachtet

Nicht-Wähler, Mit-Wähler, Gegen-Wähler und Gewohnheits-Wähler

Womit sich nicht nur die üblichen Medien selten befassen, ist die Frage, welche Motive welche Wahlberechtigten zu ihrem Wahlverhalten bewegen. Deshalb dazu ein paar unübliche Thesen.

© bizoo_n/Getty Images

Die größte „Partei“ war bei der EU-Wahl wieder jene der Nicht-Wähler: 38,6 Prozent. Gemessen in Wahlberechtigten entfielen auf Union 17,7 Prozent; Grüne 12,6; SPD 9,7; AfD 6,8; Die Linke 3,4 und FDP 3,3 .

Die aktuellen Umfrageergebnisse können methodisch keine Prognosen sein, sondern nur Momentaufnahmen, liegen aber mehrere so nah bei einander wie zur Zeit, bilden sie zweifellos einen Trend ab (die Zahlen an der Spitze der Kolonnen sind der Durchschnitt der vier Institute).

Emnid unterscheidet sich von den Zahlen dieser Sammeltabelle mit seinen am 8. Juni zwar nur minimal, aber unterstreicht, dass das ständige Trommeln von einem Rennen Kopf an Kopf zwischen Schwarzen und Grünen als neuen Roten als Dauermelodie der kommenden Wochen wohl begonnen hat:

Womit sich nicht nur die üblichen Medien selten befassen, sondern auch die sogenannten Experten, ist die Frage, welche Motive welche Wahlberechtigten zu ihrem Wahlverhalten bewegen. Deshalb nähere ich mich dieser Frage mit ein paar Thesen mal anders.

Der häufigste Typ ist wie oben genannt der Nicht-Wähler. Genauer betrachtet ist er aber ein Untertyp der Gattung Gegen-Wähler. Der Nicht-Wähler votiert gegen alle, die auf dem Stimmzettel stehen. Der Gegen-Wähler macht sein Kreuz bei einer anderen Partei als der, die er früher (oft sehr lange Zeit) wählte, aus Protest gegen den geänderten Kurs seiner alten Partei. Das Motiv der Nicht-Wähler und Gegen-Wähler ist die Ablehnung einer bestimmten Partei oder eben aller. Nicht selten ist der Gegen-Wähler eine Vorstufe zum Nicht-Wähler.

Ebenfalls verwandt sind der Mit-Wähler und der Gewohnheits-Wähler. Der klassische Fall von Gewohnheits-Wähler findet sich seit Jahrzehnten bei den Ü70, Frauen noch viel häufiger als Männer, die noch nie etwas anderes gewählt haben als „ihre“ CDU, CSU, SPD, FDP – und SED mit altem und neuen Namen. Da diese Wähler biologisch weniger werden, nimmt die Zahl der Gewohnheits-Wähler bei diesen Parteien ständig ab.

Wenig Augenmerk wurde bisher auf die Gewohnheits-Wähler der Grünen gelegt, weil nicht nur viele Journalisten mit den Grünen nicht nur in ihren Beschreibungen, sondern auch in ihrer eigenen Vorstellung so umgehen, als wäre das eine ewig junge Partei. Kann sie ja nicht sein, wie der Blick auf die realen Personen der zusammen mit den Grünen als Partei älter gewordenen 68er-Kohorte der Ü60 zeigt.

Der Mit-Wähler ist ein Untertyp der Gattung Gewohnheits-Wähler. Der Mit-Wähler schließt sich, wie der Name insinuiert, dem jeweiligen Trend an. Er hat schon immer bei jeder Wahl das gewählt, was gerade Mode war, zur Zeit macht er sein Kreuz – wie bei der EU-Wahl tatsächlich und in Umfragen fiktiv – bei den Grünen, die zur Zeit in Mode sind.

Die sprachliche Nähe von Mit-Wähler und Mitläufer macht darauf aufmerksam, dass auf diese Leute kein Verlass ist außer bei ihrem Gespür dafür, wo man am wenigsten auffällt. Sie werden keinen Augenblick zögern, auch der nächsten Mode zu folgen, völlig egal wie diese aussieht.

Frohe Pfingsten.

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