Tichys Einblick
Haushaltskrise

Die Zweifel am Nachtragshaushalt mehren sich

Nachdem der Bundesrechnungshof die Verfassungsmäßigkeit des Nachtragshaushalts angezweifelt hat, ist Berlin paralysiert. Ob der Nachtragshaushalt noch in diesem Jahr kommt, wird immer unsicherer. Die Grünen und ihre Verbündeten wittern dagegen wieder Morgenluft.

IMAGO / Bernd Elmenthaler

Bei den Sozialdemokraten machen sich offenbar Bedenken breit. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet, dass man sich über eine neuerliche Intervention des Bundesverfassungsgerichts sorgt. Eine Verabschiedung des Etats sei nur möglich, wenn auch die Union am selben Strang ziehe. Den Koalitionsparteien stehe die Causa Thomas Heilmann vor Augen. Der hatte in Karlsruhe geklagt, weil man das Heizungsgesetz zu schnell durch den Bundestag peitschen wollte – und bekam Recht. Die Bundesregierung hat demnach Grund zur Annahme, dass sich eine ähnliche Blamage wiederholen könnte, sollte sie in der nächsten Woche den Nachtragshaushalt auf ähnliche Weise im Schnellverfahren durchwinken wollen.

Auch der Streit um Einsparungen oder Aussetzen der Schuldenbremse ist noch nicht beigelegt. Die Freidemokraten pochen trotz der gestrigen Ablehnung darauf, bei den Sozialausgaben zu kürzen. Rot-Grün sieht weiterhin eine Aussetzung der Schuldenbremse als probates Mittel. Eine „Reform“ der Schuldenbremse wäre aufgrund der benötigten Zwei-Drittel-Mehrheit nur mit CDU/CSU machbar. Der haushaltspolitische Sprecher der FDP, Otto Fricke, erklärte sich auch dazu bereit „zwischen den Feiertagen“ in Sondersitzungen zu beraten. Für die übrigen Bundestagsfraktionen scheint eine solche Lösung nicht in Frage zu kommen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatten sich am Dienstagabend neuerlich getroffen, um über die Haushaltslage zu beraten. Zuvor hatten mehrere Sachverständige im Haushaltsausschuss bekräftigt, dass der Nachtragshaushalt verfassungskonform sei. Kritik kam von dem Finanzwissenschaftler Thies Büttner und dem Ökonomen Fritz Söllner. Alle Sachverständigen hoben hervor, dass es problematisch sei, die Notlage rückwirkend zu erklären. Rechtsprofessor Alexander Thiele sagte, dies sei „in der Regel nicht zulässig“.

Die Grünen machen indes mobil, um ihre eigenen finanz- und wirtschaftspolitischen Vorstellungen durchzusetzen. Sie widersprachen der Kritik des Bundesrechnungshofes, demnach der Nachtragshaushalt verfassungswidrig sein könnte. Der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Andreas Audretsch betonte, dass die Ampel am Ende etwas verabschieden werde, „das eins zu eins den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht“. Die Ampel gehe das ganze Verfahren seriös an.

Zugleich drängte Audretsch auf Abschaffung des sogenannten „Dienstwagenprivilegs“. „Das wären im Ganzen etwa 1,8 Milliarden Euro, die an der Stelle zu sparen wären“, sagte Audretsch am Dienstag den Sendern RTL und ntv. Von der Steuererleichterung würden vor allem Leute mit großen Autos profitieren, die großen Umweltschaden anrichteten. „Das ist nicht sinnvoll in dieser Zeit.“

Ebenfalls am Dienstag leistete das Umweltbundesamt (UBA) Flankenschutz für die grünen Vorstellungen. Präsident Dirk Messner sagte dem Handelsblatt, die bezifferte Haushaltslücke könne man „weitgehend mit dem Abbau umweltschädlicher Subventionen realisieren – und zwar kurzfristig“. Konkret schlug der UBA-Präsident die teilweise Streichung des sogenannten „Dieselprivilegs“ vor, das den Steuerzahler jährlich 8,2 Milliarden Euro koste.

„Allerdings zahlen Dieselfahrer eine höhere Kfz-Steuer als Benzinfahrer“, sagte Messner. „Wenn man das ausgleicht, dann bleibt ein Potenzial von sechs Milliarden Euro übrig, die eingespart werden können.“ Als zweite Subvention nannte Messner die Pendlerpauschale, die den Staat jährlich sechs Milliarden Euro koste. „Mein Vorschlag ist, sie nur den unteren 30 Prozent der Einkommensbezieher zu zahlen. Das brächte eine Einsparung in Höhe von etwa vier Milliarden Euro.“

Wie Audretsch sprach sich Messner für die Abschaffung des „Dienstwagenprivilegs“ aus. Außerdem sollte man Fleisch teurer und Obst und Gemüse billiger machen. „Die Mehrwertsteuer für tierische Lebensmittel sollte von sieben auf 19 Prozent angehoben werden. Im Gegenzug sollten pflanzliche Lebensmittel von der Mehrwertsteuer befreit werden“, sagte er. „Das würde 2,5 bis drei Milliarden Euro bringen.“

Zugleich setzte sich Messner für ein „Sondervermögen Klimaschutz“ ein – also für Sonderschulden. Hierbei müssten wie beim „Sondervermögen” für die Bundeswehr CDU und CSU für die Sonderschulden miteinbezogen werden. „Das würde zudem den demokratischen Konsens für dieses Großprojekt widerspiegeln und für Erwartungssicherheit bei den Bürgern und in der Wirtschaft sorgen“, sagte Messner. Als Konsequenz aus dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichtes sprach sich der UBA-Chef zudem dafür aus, den Preis für den Ausstoß von CO2 im kommenden Jahr stärker anzuheben als bisher geplant. „Der CO2-Preis sollte auf 50 Euro steigen“, schloss Messner.

Anzeige