Tichys Einblick
Paradoxe Medien

Nach dem Fünfkampf: Was bleibt von den TV-Duellen?

Erst ein Duell, das keines war, dann ein Fünfkampf, der keiner sein durfte, sondern zur Abfragestunde geschrumpft wurde: Die Wähler haben längst gelernt, die medialen Botschaften zu dechiffrieren.

Screenprint: ARD/Fünfkampf

Manchmal muss man sich selbst und den TV-Sendern etwas wie Nachhilfe geben. Am 24. September 2017 wird weder ein Bundeskanzler noch eine Bundeskanzlerin gewählt – sondern eine unbekannte Zahl von Abgeordneten. (Den irreführenden Irrsinn des deutschen Wahlrechts mit seiner willkürlichen Zahl von Abgeordneten lesen Sie hier.)

Diese wählen den zukünftigen Kanzler oder, pc-korrekt, gerne auch Kanzlerin …

Staatsmänner der Extra-Klasse …

Deshalb ist es falsch, wenn die großen TV-Sender so tun, als gäbe es die Staatsmänner und Staatsfrauen der Extraklasse und eine Reihe von zweitrangigen Politikern, die sich dann im Fünfkampf prügeln können. Es ist eine Abwertung der kleineren Parteien.

Da hat man seine Sympathien nicht bei allen – aber die Abwertung, die Verkleinerung ist schwer erträglich. Zwei Groko-Vertreter werden auf 4 Kanälen mit 4 Starmoderatoren 90 quälend lange Minuten gefeiert, als seien die beiden Papst – und dann kommt sozusagen der Rest, 5 auf einen Streich werden in 75 Minuten abgefeiert? Merkel diktiert das Geschehen vorab für das  TV-Duell – bei den Kleineren aber der WDR die Spielregeln? Weil das noch nicht ausreicht, werden die Nachzügler mit einer arrogant auftretenden, mit dem Zeigefinger fuchtelnden Sonja Mikich konfrontiert, vor der sie stehen wie die Hühner auf der Stange. Und sich abkanzeln, abfragen und abfertigen lassen müssen wie Schulkinder. Und es sich gefallen lassen müssen. Oder sind sie deshalb so klein, weil sie es sich gefallen lassen? Wer sich im TV-Studio nicht durchsetzen kann, der möge besser nicht antreten vor Putin, Erdogan oder Trump, oder wie die ausgebufften Big-Shots alle heißen. Die Wahl war nicht leicht im Studio – gehen oder poltern. Es wurde der Kompromiss gewählt.

Nach Merkulz gegen Merkulz
TV-Fünfkampf: Mit tatsächlichen Meinungen und Unterschieden
Wenigstens von Christian Lindner hätte man das große Poltern erwartet, das Mißbehagen war ihm ins Gesicht geschrieben. Aber er hat es uns nicht vorgelebt. Alice Weidel war sichtlich froh, dass sie dabei sein darf. Man hat ein bißchen Mitleid mit ihr. Wird man dafür gewählt? Bescheidenheit ist eine antrainierte Zier, bekanntlich kommt man weiter ohne ihr. Joachim Herrmann soll der neue starke Mann der CSU sein. Der war nicht vor Ort, nur seine Grinsekatze. Und Özdemir gibt den Schwaben, macht den Arbeiter, betont seine kleinbürgerliche Herkunft, die migrantische – die wandelnden Minderheit in einer Person abgebildet. Er hat auch einen Sohn, so lernen wir. Also hat wenigstens Özdemir sich bei der Wahl seines Geschlechts entscheiden können. Schön für ihn. Er biedert sich an bei Herrmann von der CSU, der angeblich auch erst Hochdeutsch habe lernen müssen. Lieber Cem Özdemir, das zeichnet die Bayern schon allemal aus: Die entschuldigen sich dafür nicht. Die ruhen sichtbar in sich selbst, während Özdemir von sich aus den perfekt Assimilierten gibt – ständig demonstriert, wie schwer er es hat und damit genau das betont, was er nicht sein will. „Haustürke“ hat er das mal genannt.

Die Veranstaltung macht Angst: Entsteht da eine Koalition, mit der man Mitleid haben muss, auch wenn sie einen schikaniert?

… oder keine Staatsfrauen?

Das ist ein Zwei-Klassen-Modell der Politik. Anerkennen allerdings muss man: Mit FDP und AfD sind zwei Parteien dabei, die bei der Wahl davor nur äußerst knapp gescheitert sind und die es aller Voraussicht nach schaffen werden, in den Bundestag einzuziehen. Insofern hat die ARD Beweglichkeit bewiesen.

Und die zweite Grundhaltung, die damit verbunden ist: Ja, der oder die Bundeskanzler/in sind wichtig – aber ebenso wichtig ist der Oppositionsführer. Demokratie lebt von der Opposition. Oppositionsführer und Vertreter kleinerer Parteien haben Respekt verdient, und nicht ein herrisches Gehabe von Moderatoren, die von oben her schulmeistern und jederzeit unterbrechen dürfen. Statt ein Gespräch zwischen den Politikern zu ermöglichen, holpern die Moderatoren durch die Sachverhalte wie der Pfarrer von der Kanzel – bei der Kanzlerin haben sie es sich nicht getraut. Was ist das für ein Demokratieverständnis? „Es ist jetzt nicht das Spiel, jeder darf zu allem was sagen und dann auch noch den anderen kommentieren.“ Sprach Oberlehrerin Mikich. Das Spiel gibt die ARD vor, nicht der Zuschauer, und nicht jene, die gewählt werden wollen. So stellt man sich Staatsfernsehen vor, dass ein paar Randfiguren duldet und benotet, ehe es sie ständig beurteilt.

Geschützte TV-Werkstatt
Das TV-Duell - Denk ich an Deutschlands „Star“-Journalisten in der Nacht ……
Widerspruch ist da nicht möglich. Sahra Wagenknecht darf davon fabulieren, dass das schnelle Internet nicht kommt, weil das der Staat nicht darf, sondern nur die halbstaatliche Telekom. Keine Bemerkung dazu, dass sich die Staatstelefonapparate in der DDR beim Abhören hervorgetan haben, aber nicht bei der Erfindung der modernen Kommunikation oder gar des Internets. Ein staatliches Internet also? Bekanntlich waren ja Staatsunternehmen die Erfinder der Digitalisierung und des Internets. Wagenknecht bleibt im gestrigen Sozialismus verhaftet. Das bleibt unwidersprochen, das geht auch gar nicht. Der Mainstream schwimmt in Richtung Staat. Da könnte man ja gleich die Gebührenfinanzierung als Nächstes in Frage stellen, wo kommen wir da hin?

Und natürlich ist der soziale Wohnungsbau auch ganz „toll“, gibt Staatsgebühren-Mikich die Richtung vor, und keiner außer Frau Weidel kann widersprechen. Dass es einen guten Grund, nämlich notorische Fehlbelegung und aufklaffende Supermilliardenlöcher waren, die zum einfrieren führten? Das ist Geschichte, wie auch die DDR.

Die Uhr tickt und die Wähler urteilen anders

Schade nur, dass die sich das gefallen lassen. Und sekundengenau gemessen werden wie die Promille bei der Alkoholkontrolle. „Sie dürfen noch eine Frage beantworten“, wie peinlich ist das denn? Auch übrigens Christian Lindner, der hier zahm und gar nicht so forsch auftritt. Gerade noch als Musterschüler geht er durch. Politiker, das lernen wir, sind abgeschliffen. Sie beugen sich den Mächtigen der Medien, statt denen ihren Willen vorzuführen. Es ist ein verkehrte Welt. Die Uhr wird zum Folterinstrument für kurze Sätze und unvollständig formulierte Gedanken.

Medien entfalten ja eine eigene Wirklichkeit: Die AfD im Studio und Adolf Eichmann auf dem Bildschirm sah Jakob Augseins „Freitag“;   der Mediendienst des Handelsblatt einen Es kommt anders, als ihre Macher denken. Die meisten sind der Auffassung, mehr und lauter wirke überzeugend. Der Tonregler wird hochgeschoben, wenn das Publikum anders wählt, als die TV-Könige es sich wünschen. Aber das Gegenteil tritt ein. In den Tagen nach dem Duell mit Zwangserziehungscharkter steigen die Umfrageergebnisse für die AfD. Zu deutlich war die Absicht spürbar, und sie verärgert.

Und gleichzeitig verbreitet selbst die regierungstreue FAZ eine Karikatur, die Merkel und Schulz als altes Ehepaar zeigt, beim Blick in den Sonnenuntergang und wie schön sie doch alles gefingert haben. Es wiederholt sich der Brüderle-Effekt: Schwer angeschlagen vom medialen Dirndl-Gate und einem unglücklichen Sturz, hat der damalige FDP-Vorsitzende versucht, Pflichtbewusstsein zu demonstrieren. Im gnadenlosen Blick der Wähler und der Kameras kam nur ein erschöpfter Mann vor, dem man die Zukunft des Landes nicht anvertrauen will. Es war ungerecht. Die Wähler sind nicht gerecht.

Und ähnlich schnell ist das Duo Merkel/Schulz in nur 90 Fernsehminuten in das Rentnerdasein hinein gealtert. Das ist der Eindruck, der bleibt: Die Zukunft ist längst ausgewandert.