Tichys Einblick
Wo Diesel gut ist

Mit Flixbus zum Klima-Streik

Das Unternehmen verspricht eine Freifahrt für „Klimastreik-Teilnehmer“ – wenn sie auch PR für den Bus-Anbieter machen

Für den 20. September 2019 bietet das Fernbusunternehmen „FlixBus“ etwas ganz Besonderes an: Eine Freifahrt für alle Teilnehmer an dem „Globalen Klimastreik“. Voraussetzung: Der Teilnehmer muss nicht nur am „Klimastreik“ teilnehmen, sondern auch mit einem Testimonal Werbung für das Reiseunternehmen machen.

In einer aktuellen Mitteilung von FlixBus heißt es:

„Am 20.09. heißt es gemeinsam für die Umwelt einsetzen #AllefürsKlima. FlixBus bringt Dich zum Globalen Klimastreik und schenkt Dir für Deinen Einsatz sogar eine Freifahrt! Wie das geht? Ganz einfach!

1. Buche jetzt Dein Ticket und kompensiere Deine Fahrt mit atmosfair
2. Schicke ein Foto von Dir beim Streik mit Deinem Ticket und dem Klimaschutzbeitrag an climatestrike@flixbus.com
3.Deine nächste Fahrt geht auf uns!“

Auf einer Extra-Website bietet die Firma mit den grünen Bussen ein Verzeichnis an, in dem jeder „Klimastreiks in deiner Nähe“ finden kann.

Nun leuchtet nicht ganz ein, warum ausgerechnet Dieselbusse Teilnehmer zu Streikveranstaltungen bringen sollen. Die Frage der Abgase – beziehungsweise zumindest des CO2-Ausstoßes – löst das Unternehmen mit dem Hinweis auf Kompensationszahlungen über Atmosfair. Die offeriert der europaweit tätige Bus-Riese generell – nicht nur zum „Klimastreik“. Eine Ausgleichszahlung an Atmosfair, die zwischen einem und drei Prozent des Ticketpreises liegt, kann seit einiger Zeit jeder Kunde dazubuchen. Atmosfair betreibt mit dem Geld ein Projekt in Ruanda, durch das Edelstahl-Kochöfen an Frauen verteilt werden. Mit den Öfen kann Nahrung mit 80 Prozent weniger Feuerholz zubereitet werden, als bei dem in Ruanda immer noch verbreiteten Kochen auf offenem Feuer. Dadurch, argumentiert Atmosfair, werde weniger Holz verbrannt; das CO2 des eingesparten Holzes bildet die Berechnungsgrundlage für den Ausgleich, den das Kompensationsunternehmen verkauft. Positiv ist sicherlich, dass durch effizienteres Kochen die Entwaldung und damit die Bodenerosion in Ruanda gebremst wird. Allerdings: Wald – das populäre Missverständnis der „grünen Lunge“ kursiert vor allem seit dem Hype um die Regenwald-Brände – bindet zwar durch Photosynthese CO2 und wandelt ihn in Sauerstoff um. Allerdings verbrauchen Bäume nachts auch Sauerstoff.

Kleinstlebewesen, Insekten und andere Tiere, für die der Wald das Habitat bildet, stoßen wiederum CO2 aus. Die Rechnung, mit erspartem Holzverbrauch in Ruanda das Kohlendioxid von Busfahrten in Deutschland auszugleichen, ist, um es vorsichtig zu sagen, unvollständig, intransparent und irreführend. Gegen eine derartige Kompensationspraxis gibt es aus guten Gründen Misstrauen. Das Teilauto-Unternehmen BlaBlaCars stellte schon Ende 2017 seine Kooperation mit dem Ausgleichs-Anbieter McClimate wieder ein.

Unklar ist auch, warum Streikende eigentlich überhaupt verreisen müssen. Ein Streik definiert sich schließlich als Verweigerung der Arbeitsleistung, um eine Tarifforderung durchzusetzen. Dazu muss jemand seinen Ort ja gerade nicht verlassen. Natürlich wissen alle Beteiligten – auch das Flixbus-Management – dass die Zahl der tatsächlichen Klima-Streiker in Deutschland bisher bei Null lag. Das dürfte sich auch am 20. September nicht ändern. Teilnehmer sind Schüler, Studenten, möglicherweise auch Angestellte von Firmen, die frei bekommen. Nur keine wirklich streikenden Beschäftigten. Alles andere wäre auch problematisch – denn politische Streiks sind in Deutschland (eigentlich) verboten. Das Fernbleiben von der Schule (eigentlich) auch.

Trotzdem rufen die drei Berliner Regierungsfraktionen SPD, Grüne und Linkspartei Schüler dazu auf, am 20. September nicht zur Schule, sondern zur zentralen FFF-Kundgebung am Brandenburger Tor zu gehen. Die Veranstaltung dürfte gut besucht sein – zumal die Schüler vieler anderer Städte den Tag dank FlixBus gut für einen Hauptstadttrip nutzen können.

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