Tichys Einblick
Missbrauch der Corona-Krise

Schlag gegen die Landwirtschaft soll vorgezogen werden

Die Bundesregierung missbraucht die Corona-Krise, weil die Bauern jetzt nicht demonstrieren können. Doch die Zeit nach der Krise kommt.

© Bettina Hagen

Im Schatten der Corona-Krise will die Bundesregierung offenbar ihren entscheidenden Schlag gegen die Landwirtschaft vorziehen und schnell, still und heimlich über den Tisch bringen. Denn bereits am kommenden Freitag, 27. März, plant der Bundesrat über die neue Düngeverordnung zu entscheiden. Damit soll die Entscheidung um eine Woche vorverlegt werden.

Das bedeutet auch, dass die Bundesländer im Bundesrat noch schneller die Änderung durchwinken müssen. So konnten Änderungsanträge in dem beschleunigten Verfahren nur noch bis zum vergangenen Freitagmittag eingebracht werden. Bis zum kommenden Montag müssen sich die Länder dann dazu äußern, um am kommenden Freitag schon die Beschlussvorlage abzunicken.

Der saarländische Agrarminister Jost (SPD) befeuert dieses Hoppla-hopp-Verfahren noch damit, dass er mahnend auf Brüssel verweist. Das werde dann die Herrschaft übernehmen und über Deutschland bestimmen, wenn die Düngeverordnung nicht verabschiedet werde.

Die ist eine der zentralen Angriffspunkte, weswegen die Bauern seit Herbst auf die Straßen gehen und so heftig protestieren. Denn die sieht vor, dass die Landwirte schrittweise ihre Düngemengen vermindern müssen. Das bedeutet für die Pflanzen Mangelernährung. Der Ertrag geht kontinuierlich zurück und die Böden werden zerstört. Das in mühsamer Arbeit über Generationen aufgebaute Kulturgut »Ackerboden« wird vernichtet. Über die Zusammenhänge berichteten wir bereits hier.

Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner will den Entwurf ohne Änderung durchsetzen, der Druck der EU-Kommission sei zu hoch. Die habe im Gegenzug zugesagt, keine weiteren Klagen gegen Deutschland zu erheben, berichtet das Branchenmagazin topagrar. An der Düngeverordnung werde nichts geändert, betont bereits Bundeskanzlerin Merkel.

Für die Landwirte jedoch geht es ums Ganze. Ihre Lage ist mehr als dramatisch. Davon zeugt der massive Proteststurm der Bauern.

Offenbar haben Umweltbundesamt (UBA) und Bundesumweltministerium den Druck auf Klöckner erhöht. Sie haben es sehr eilig. Sie müssen befürchten, dass die gefälschten Zahlen an die Öffentlichkeit kommen. Es fehlen zudem wichtige Daten nach den Ammoniakwerten, aus denen sich die tatsächliche Herkunft der Stickstoffbelastung ableiten lässt. Die verheimlicht das UBA.

Denn neben anderen hatten wir von TE mehrfach nach den fehlenden Daten gefragt und bisher keine Antwort erhalten. Das bedeutet: Das UBA will nicht, dass die falschen Werte und Berechnungen herauskommen. Für ihren Propagandaeffekt reicht es, dass Städter glauben, die Landwirte würden zu viel düngen und damit das Grundwasser verunreinigen.

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So werden in Österreich Messwerte in vier unterschiedlichen Tiefen im Boden genommen. Nach unten hin nehmen sie ab und gehen gegen null. In Deutschland dagegen werden nur die Messwerte dicht unter der Erdschicht genommen und die besonders hohen Werte nach Brüssel gemeldet. Das Umweltbundesamt hat also absichtlich mit falschen Werten an die EU die Grundlagen für eine Verschärfung der Düngeverordnung geschaffen.

Wie nervös die Handelnden in Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt sind, zeigt das Verhalten von Staatssekretär Flassbarth. Während eines Treffens mit Landwirten wurde er gezielt mit der Frage nach dem tatsächlichen Nitratanteil aus der Landwirtschaft konfrontiert. Flassbarth zeigte Nerven und brach den Termin vorzeitig ab.

Die Koordinatorin für »Biodiversitätspolitik« beim Deutschen Naturschutzring (DNR), llka Dege, berichtete am 5. März dieses Jahres auf einer öffentlichem Anhörung im Plenum des sächsischen Landtages zur Düngenovelle, dass nach ihren Informationen im Falle einer Ablehnung der jetzigen Düngeverordnung die EU-Kommission bestimmen wird, welche Maßnahmen hier greifen werden: »Und dann reden wir nicht mehr von minus 20 Prozent in Roten Gebieten, sondern dann reden wir von minus 20 Prozent in der gesamten Landwirtschaft oder – und auch das hat die Kommission in Aussicht gestellt, es gibt einen kompletten Düngestopp für Deutschland.«

Das Düngeverbot würde weiterhin erhebliche Auswirkungen auf die Tierhalter haben. Ihre Güllekanäle werden vollaufen, weil niemand mehr weiß, wohin mit der Gülle. Dem Landwirt bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder er verkauft oder entsorgt alle Tiere, oder er düngt trotz Verbot weiter. Das ist für ihn existenziell.

Landwirtschaft ohne Tierhaltung und die entsprechende Gülle als Dünger ist in weiten Teilen Deutschlands nicht möglich – schon gar nicht die Biolandwirtschaft. Absehbar ist, dass es zu stressbedingten Kurzschlusshandlungen kommen wird, wenn das Düngeverbot tatsächlich durchgesetzt werden sollte.

Die Bauern kündigen für den Fall, dass die Verordnung so durchkommt, Bauernaufstände und Verfassungsklagen an. Licht ins Dunkel werden wir von TE in den kommenden Tagen unserer Dokumentation zur vorgezogenen Abstimmung über die Düngeverordnung bringen.

Die Bundesregierung missbraucht die Corona-Krise, weil die Bauern jetzt nicht demonstrieren können. Doch die Zeit nach der Krise kommt.

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