Tichys Einblick
Horst Seehofer Interview

Merkel: „Ich sag‘ das anders.“

Seehofers Satz „Die Migration ist die Mutter aller politischen Probleme“ brachte die Barrikade in Wallung. Er hat nur zum Teil Recht. Ohne Merkel hätte es auch das nicht gegeben.

© Carsten Koall/Getty Images

Das hat sich der Chef der Rheinischen Post nicht nehmen lassen, dem Seehofer Horst höchstpersönlich – und natürlich zusammen mit einer Kollegin – nach Chemnitz auf den Zahn zu fühlen. Ob er während des Gesprächs schon ahnte, dass es einen Knaller geben würde? Vielleicht, denn Seehofer haute schon auf die erste, erstaunlich objektiv gestellte Frage „Eine brutale Bluttat eines Flüchtlings, die Empörung der Rechten, dann die Empörung der Linken. Müssen wir uns an diese Bilder jetzt gewöhnen?“ direkt einen raus. Seehofer stellt die Bluttat von Chemnitz in den Mittelpunkt des Geschehens und benennt diese als Ursache von Wut und Empörung. Dann vernehmen wir die Worte unseres Innenministers: „Ich wäre, wenn ich nicht Minister wäre, als Staatsbürger auch auf die Straße gegangen – natürlich nicht gemeinsam mit Radikalen.“ Wie er aus 8.000 Demonstranten vorab Radikale herausfiltern würde – geschenkt. Denn wahrscheinlich sind bereits bei diesem Satz die mitresignierenden Sozialdemokraten vom Stuhl gefallen, demonstrierten sie doch auf der genau anderen Seite oder machten fröhliche Selfies an dem Platz, wo das Blut von Daniel H. noch nicht weggewischt war.

Dann plätschert das Gespräch an recht schlichten Fragen entlang, die dem Zeitgeist geschuldet sind: „Also werden Menschen, die den Hitlergruß zeigen, verfolgt?“, „Muss der Kampf gegen Rechtsextremismus schärfer geführt werden?“ Und gegen Ende bringt Seehofer den Satz, den der Chefredakteur zu Recht zur Überschrift macht. „Die Migrationsfrage ist die Mutter aller politischen Probleme in diesem Land.“ „Das sage ich seit drei Jahren“, fügt Seehofer hinzu, wenn auch nicht so pointiert.

Sofort setzt sich die Empörungsmaschinerie, eh schon auf „hysterisch“ eingestellt, in Bewegung. Fast schon literarisch dichtet der Süddeutsche Beobachter von einem „Gebräu, das zum Himmel stinkt, in die Straßen der Stadt ergossen hat und von dort weiter ins Land. Hooligans haben sich bei hitlergrüßenden Mitläufern untergehakt und AfD-Politiker bei bekennenden Neonazis. Die Polizei? Mindestens überfordert.“ Und Seehofer? Lässt er die Polizeiknüppel frei? Die Hunde los? „Iwo“, klagt bitter die SüZ. „Seehofers Äußerungen zu Chemnitz, die ganz überwiegend von Journalisten aus ihm herausgefragt werden mussten, sind zu einem mäandernden Gewässer geworden, das schlechter riecht, je länger es fließt.“

Ähnlich simpel die Textbotschaften beim Spiegel und anderswo, allerdings nicht so prosaisch, eher auf dem Twitter-Niveau von Ralf Stegner, dem Dichter der Genossen: „Der Großvater aller Berliner Regierungsprobleme bezeichnet die Migration als „Mutter aller Probleme“, um sogenannten „Trauermarsch“ von nacktärschigen, Hitlergruß zeigenden „Wir töten Euch alle“-Schreihälsen und ihrer Mitläufer zu verharmlosen.“

Frisch von Geschäften aus Afrika zurück, merkelte die Bundeskanzlerin bei RTL von
Demonstrationen „mit Erscheinungen, die nicht in Ordnung sind, hasserfüllt und auch gegen andere Menschen gerichtet“, (Jetzt hat sie schon Erscheinungen!) zudem habe es aber auch Demonstrationen gegeben, „die gezeigt haben – das Konzert zum Beispiel – wie Menschen auch dagegen aufstehen, gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.“ 

Das Konzert zum Beispiel? Von K.I.Z.? Haben die auch ihr Liedchen „Ein Affe und ein Pferd“ gesungen mit der Textzeile „Ich ramm die Messerklinge in die Journalistenfresse“? Bevor wir uns in der Analyse Merkelscher Formulierungskunst verlieren, ihre Antwort auf Seehofers „Migration als Mutter aller politischen Probleme“: „Ich sag‘ das anders.“ Die Migrationsfrage stelle Deutschland vor Herausforderungen, „und dabei gibt es auch Probleme“. Aber es gebe eben auch Erfolge.

Der DeutschlandTrend zeigt, was die „Menschen im Lande“ (H. Kohl) trotz Dauerwerbesendung und gesponserter Wir-sind-mehr-Veranstaltung von Merkels Erfolgen so halten:

Unterbringung und Verteilung der Flüchtlinge:
Sehr/eher gut gelungen 43%
Eher/sehr schlecht gelungen 50%

„Ich sag‘ das anders.“

Integration der Flüchtlinge in die Gesellschaft:
Sehr/ eher gut gelungen 27%
Eher/sehr schlecht gelungen 69%

„Ich sag‘ das anders.“

Vorbeugung von Gewalt und Kriminalität:
Sehr/ eher gut gelungen 27%
Eher/sehr schlecht gelungen 69%

„Ich sag‘ das anders.“

Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt
Sehr/ eher gut gelungen 23%
Eher/sehr schlecht gelungen 69%

„Ich sag‘ das anders.“

Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern
Sehr/ eher gut gelungen 11%
Eher/sehr schlecht gelungen 83%

„Ich sag‘ das anders.“

Nun haben pfiffige Journalisten schnell unterstellt, was Seehofer mit seinem Satz von der Mutter aller Probleme eigentlich gemeint habe, sich aber nicht zu sagen traute, schließlich sind Innenminister von Haus aus keine Revolutionäre. Merkel ist die Mutter aller politischen Probleme. Wir wissen natürlich nicht, was Seehofer so denkt. Deshalb, frei heraus! Die Bilanz von Merkel:

Merkels Diesel-Gate. Unsere feinen Dieselfahrzeuge sind nicht weg, die hat nur jemand anders. Außerhalb von Merkels Machtbereich freuen sich die Leute bis nach Afrika und Asien über erstklassige Fahrzeuge, von der Merkel-Regierung durch hirnrissige Maßnahmen preisgedumpt.

Merkels IT-Gate. Man kann davon ausgehen, dass die meisten „Flüchtlinge“ in ihren Heimatorten, incl. Sahara, besseres und schnelleres Internet hatten als hier. Dann: Die „IT-Konsolidierung des Bundes“, das wichtigste Projekt der Bundesregierung zur Digitalisierung, soll statt einer Milliarde Euro nun mindestens 3,5 Milliarden Euro kosten. Und läuft noch lange nicht. (Der Berliner BER lässt grüßen!)

Merkels Klimagate. Sie verpasst alle Klimaziele der Pariser Glaubensgemeinschaft, dafür sind in Deutschland die Energiekosten völlig aus dem Ruder gelaufen, und Deutsche zahlen mehr für Strom als alle anderen Europäer.

Merkels Banking-Gate. Bilanz von der Geburtstagsparty für den Deutsche Bank-Chef im Merkelschen Kanzleramt bis heute: Commerzbank fliegt aus dem Dax, die Deutsche ist eine Zeitbombe. (Natürlich verstehen Merkel und die Ihrigen nichts vom Banking, mischen sich mit Bail Outs trotzdem ein!)

Merkels Mieten-Gate, Renten-Gate (warte nur ein Weilchen!), bald KI-Gate. All das ist eine erschreckende Bilanz. Welches Problem hat Merkel eigentlich wirklich gelöst? Geschaffen hat sie jedenfalls die meisten davon, unsere Kanzlerin Angela Merkel, die Mutter aller Probleme.

Sorry, das musste mal gesagt werden. Zum Ausklang noch ein lustiger Teil aus dem Seehofer-Interview mit der Rheinischen Post: „Schon jetzt ist in Sachsen kaum mehr eine Regierung möglich ohne AfD oder Linkspartei“, klagte Seehofer. Die Rheinische Post: „Deswegen will Herr Günther Kooperationen mit der Linkspartei ermöglichen.“
Seehofer: „Wer?“