Tichys Einblick
Wie immer

Merkel hat gar nichts getan

Alles wird Merkel bedauern und keine Verantwortung übernehmen. Sie hat ja gar nichts getan – dürfte sie sagen, wenn sie traurig auf die Ruinenlandschaften blickt, die sie den Europäern hinterlassen hat. Sie hat ja gar nichts getan. Da hat sie allerdings recht.

© Alexander Koerner/Getty Images

Markus Somm bringt es in der Basler Zeitung wieder einmal auf den Punkt. Die EU und an ihrer Spitze Angela Merkel, in der ihr von den Mainstream-Medien (MSM) zugeschriebenen Rolle als Weltenlenkerin, sieht dem ohnehin selbstzerstörerischen Agieren der spanischen Zentralregierung zu und hat nichts mehr beizutragen als legalistische Beschwörung:

„Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy hat am Donnerstag bekannt gegeben, dass er Kataloniens Regierung entmachten und die Region von Madrid aus verwalten möchte … 
 
Am Freitag verlangte er Neuwahlen. Währenddessen tagten in Brüssel die Staats- und Regierungschefs der EU – und die meisten hatten dazu nichts zu sagen … Ausdruck einer Eigenschaft … von Berufspolitikern: Sie sind überfordert. Sie wissen weder ein noch aus.
 
Wie schon so oft hat sich die mächtigste Frau des Kontinents, Angela Merkel, dabei auch als die am offensichtlichsten überforderte erwiesen …”

Was machtvoll und entschieden wirken sollte, konstatiert Somm treffsicher, „war nichts anderes als eine Kapitulation vor den Umständen.” Merkel glaube wohl, sie könnte das aussitzen, „was ohnehin ihre oberste Handlungsmaxime zu sein scheint …”. Das habe sie zwar bisher an der Macht gehalten, aber damit habe sie „in Europa und in Deutschland vor allem Ruinen hinterlassen”. Manchmal müssten Politiker tun, was Mut erfordere, erinnert Somm die politische Klasse, aber „Merkel tut nur etwas, wenn alle ihr sagen, was zu tun wäre – und auch dann wartet sie, bis es zu spät ist und ihr alle dies bestätigen.”

Insgeheim ahnten die meisten Politiker, dass Rajoy keinen Erfolg auf Dauer haben kann:

„Glaubt er denn wirklich, die Wünsche der Katalanen nach mehr Autonomie würden sich einfach in Luft auflösen, weil man sich fürchtet vor dem Verfassungsbruch? Niemand zittert in Barcelona … Wenn Rajoy diesen Weg weiterverfolgt, wird er am Ende Truppen einsetzen müssen, denn nur mit Gewalt wird er seinen Brutalo–Kurs durchsetzen können.”

Somm erinnert, dass der Tages–Anzeiger Rajooy mit Recep Erdogan verglich, „dem türkischen Diktator … ein grotesker Vergleich, denn im Gegensatz zu Erdogan fehlt es Rajoy wohl an der nötigen Brutalität.” Irgendwann, sagt Somm, gibt es doch eine gültige Volksabstimmung über die Unabhängigkeit von Katalonien und „Rajoy dürfte diese verlieren, weil er in der Zwischenzeit alles dafür getan hat, um auch noch den letzten Katalanen davon zu überzeugen, dass Spanien ein fremdes, feindseliges Regime darstellt.”

Merkel werde das im Nachhinein alles bedauern, „wie sie wohl bedauert, dass sie eine Million Flüchtlinge einfach so aufgenommen hat und Deutschland mutwillig unsicher, ärmer und zerstrittener gemacht hat, genauso wie sie bedauert, dass ihre CDU zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg ernsthaft von Konservativen bedrängt wird und auf lange Sicht ihre Mehrheitsfähigkeit eingebüsst hat, genauso wie sie auch bedauert, dass Großbritannien die EU verlassen wird, was an erster Stelle die deutsche Bundeskanzlerin bewirkt hat, weil sie wie Rajoy auf Paragrafen herumgeritten ist, statt wie eine kluge Politikerin zu handeln.”

Die Engländer, ruft Somm in Erinnerung, hätten von der EU, von Merkel, bloß einige Konzessionen gebraucht in Sachen Immigration, „ein paar Paragrafen hätte man übersehen oder biegen müssen, damit England den Zustrom von Einwandern hätte besser steuern können – und es wäre nie zum Brexit gekommen.”

Markus Somm erinnert das alles an den Umgang der EU mit der Schweiz: „wer, wie auch wir, alle Regeln ernst nimmt und höflich bleibt, wird von der EU kujoniert und misshandelt – wer dagegen auf die Regeln pfeift und macht, was er will und dabei sich noch von den Deutschen alles bezahlen lässt, weil diese aus schlechtem Gewissen ohnehin alles bezahlen, was man von ihnen verlangt, dem gibt man nach.”

Und schreibt der EU-Merkel oder Merkel-EU ins Stammbuch:

„Seit Jahren signalisieren wir Schweizer der EU, dass die Personenfreizügigkeit unser spezielles, da vielsprachiges und kleines Land überfordert, dass wir andere Regeln bräuchten oder etwas Nachsicht, ohne Erfolg, ohne Ergebnis, stattdessen werden Volksabstimmungen ignoriert, unsere Diplomaten ausgelacht (was diese sich gerne gefallen lassen), Ressentiments gegen uns angebliche Rosinenpicker gehegt und gepflegt (wobei wir im Gegensatz zu den meisten EU-Ländern für diese sauren Rosinen teuer und pünktlich bezahlen); kurz, es herrscht der Geist von Rajoy und Merkel in Brüssel, die indessen nicht aus Stärke oder Raffinesse so selbstgerecht auf Paragrafen thronen, sondern aus Schwäche und Ratlosigkeit.

Wenn es Merkel nämlich passt, weil sie ans Ende des Aussitzens gelangt ist, dann gelten für sie keine Regeln. Als sie eine Million Einwanderer über Nacht nach Deutschland einreisen liess, ohne ihr Kabinett, die EU oder sonst jemanden zu fragen, sprengte sie kurzerhand das Schengen- und Dublin-Abkommen in die Luft – mit Folgen, von denen sich Europa vielleicht nie mehr erholt.

Das alles wird Merkel bedauern. Aber Verantwortung wird sie nie dafür übernehmen.”

Obendrauf der krönende Schluss:

„Merkel oder die EU beugen die Regeln, wann immer es ihnen kommod erscheint, und die gleichen Politiker und Funktionäre machen uns, oder den Briten oder den Katalanen dann Vorhaltungen, wenn wir schon nur darüber verhandeln möchten, die Regel zu ändern.”

Danke, Markus Somm.