Tichys Einblick
Richtig gelesen

Merkel auf dem CDU-Parteitag Thüringen dechiffriert

Was meint WELT online mit „ungewohnt deutliche Worte”, welche die Kanzlerin in Leinefelde-Worbis sprach?

Tobias Schwarz/AFP/Getty images

Was Frau Merkel auf dem Parteitag der CDU Thüringen in Leinefelde-Worbis sagte, „ungewohnt deutliche Worte” zu nennen, wie es WELT online (WON) tat, ist entweder purer Hohn oder Hofberichterstattung. Hier die Passagen, die das beurteilen helfen:

„Wenn wir uns für den Rest des Jahrzehnts damit beschäftigen wollen, was 2015 vielleicht so oder so gelaufen ist und damit die ganze Zeit verplempern, dann werden wir den Rang als Volkspartei verlieren.”

Wer außer Kritikern, die dafür von Merkel und ihren Helfern an den Pranger gestellt werden, hat sich mit ihren Fehlentscheidungen von 2015 überhaupt beschäftigt?

„Deshalb fordere ich, dass wir uns jetzt um die Zukunft kümmern.“

Sagt Merkel damit, dass sie das bisher nicht getan hat?

„Die Menschen wollen von uns, dass wir mit Zuversicht in die Zukunft blicken, ohne uns die Welt schönzumalen.“ 

Was nun? Mit Zuversicht in die Zukunft blicken? Oder um die Zukunft kümmern? Mit Zuversicht blicken, das tut sie doch dauernd, wenn sie damit auch offensichtlich immer weniger überzeugt. Ohne die Welt schönzumalen? Warum malt sie die Welt dann dauernd schön? Ist der Oberhauptgeneralschönmaler Wir schaffen das nicht von ihr?

„Es sei wichtig, die Sorgen der Menschen mit Blick auf die Umbrüche rund um die Wiedervereinigung ernst zu nehmen”, referiert WON Frau Merkel und zitiert:

„Aber das ist noch lange kein Grund, gegen andere Hass, Verurteilung und Abgrenzung durchzuführen.“

Warum lässt Frau Merkel dann zu, dass ihre Hilfstruppen von Antifa bis Grünen und von Ministerpräsidenten der CDU bis Mitgliedern ihres Bundeskabinetts genau das tun?

Wie also ist die WON-Einleitung „ungewohnt deutliche Worte” gemeint, purer Hohn oder Hofberichterstattung? Erleben wir hier die Wiederauferstehung der Kunst des Lesens zwischen den Zeilen? Bürger der DDR waren darin Meister.

Spräche Frau Merkel Klartext, hätte sie in deutlichen Worten gesagt:

  • Kritik an mir ist Zeit verplempern.
  • Ohne Kritik an mir gewinnen wir Wahlen.
  • Ohne Kritik an mir behalten wir den Rang als Volkspartei.
  • Also kusch und hinter mir versammeln.

Da spricht doch viel dafür, dass WON mit „ungewohnt deutliche Worte” puren Hohn in Hofberichterstattung verkleidet hat. Ganz schön raffiniert.