Tichys Einblick

Markus Somm über Angela Merkel: Das Leben als Amt

Einfach im Amt auszuharren ohne Grund und ohne Fortüne, ohne politische Idee und ohne Anliegen, weil sie ihr ganzes Leben so verbrachte. Politik als ganz private Angelegenheit der Selbstverwirklichung. Einmal Funktionär, immer Funktionär.

© Sean Gallup/Getty Images

„Kaum jemand unter den deutschen Berufspolitikern sprach inmitten dieser politischen Krise je vom Land, dessen Wohl sie angeblich kümmerte … Auch Angela Merkel, die gescheiterte Bundeskanzlerin der CDU, verlor sich bald in der Rabulistik des Koalierens und des Regierens und des Neuwählens: Nie sprach sie darüber, was für das Land, ihre Heimat immerhin, zählte. Eine Elite im Schock. Verlustängste ganz privater Natur, dieser Eindruck drängte sich auf, plagten sie.“

Markus Somm, Chefredaktor der Basler Zeitung (BaZ), schrieb mal wieder den Deutschen Denkwürdiges ins Stammbuch.

Somm sieht eine Elite „im Belagerungszustand“. Man spüre in diesen privilegierten Kreisen, dass sich etwas ändern müsse, klebe aber „an den Rezepten, die zwar nicht mehr richtig wirken, aber die man unverdrossen verschreibt, während die damit behandelten Patienten laufend wegsterben.“

Neuwahlen scheuten CDU wie SPD, weil beide noch mehr verlieren könnten, obwohl Schulz „nach dem miserabelsten Wahlergebnis seiner SPD seit hundert Jahren“ die Oppositionsrolle ankündigte. Somm: „Trotzdem beschleichen offensichtlich immer mehr Sozialdemokraten Zweifel, ob sie nicht doch einlenken und von Neuem mit der CDU/CSU eine grosse Koalition bilden sollten. Wer ist schon Schulz? Am Ende, das meine Prognose, wird es wohl so herauskommen … Für die SPD dürfte das den definitiven Untergang einleiten.“

Die SPD habe zwar recht viel erreicht in dieser Koalition, aber nichts gewonnen: „Der Wähler hat die Partei nicht belohnt, stattdessen hat Merkel sich das halbe Programm der SPD angeeignet und umgesetzt … sie wird es weiter tun, falls man sie lässt, wird die SPD zur Bedeutungslosigkeit zusammenschrumpfen, da niemand mehr weiss, wofür sie steht. Man hält für Merkel, was SPD ist und umgekehrt. Das kann sich eine «bürgerliche» Bundeskanzlerin erlauben, weil die bürgerlichen Wähler so langmütig sind und sich solches gefallen lassen.“

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Nach dem Wählerwillen, sagt Somm, „müsste Merkel – oder besser: ein neuer Kanzler der CDU, am besten der CSU, eine konservativere Politik bieten … Doch Merkel meinte, sie könnte weitermachen, … versuchte, mit den Grünen (ihrer heimlichen Partei) und der FDP eine neue Koalition zusammenzuschustern, was misslang, weil die FDP offenbar noch inhaltliche Anliegen in die Politik einbrachte; jetzt wird Merkel die SPD bezirzen, um fortzufahren wie bisher, was ihr noch ein paar Jahre oder Monate im Bundeskanzleramt sichern könnte.“

CDU/CSU und SPD dürfte das weitere Stimmen kosten, „doch zum Zeitpunkt, da erneut gewählt wird und diese beiden Parteien noch kleiner geworden sein dürften, zu diesem Zeitpunkt hat sich Merkel längst in den Ruhestand verabschiedet. Ob Deutschland dann politisch noch unstabiler geworden ist und mit einem Parteiensystem zurande kommen muss, das gar nicht mehr funktioniert: Was kümmert das Angela Merkel?“, lautet Somms nüchterne Analyse.

Darum scheine es Merkel zu gehen: „Einfach im Amt auszuharren ohne Grund und ohne Fortüne, ohne politische Idee und ohne Anliegen, sondern allein deshalb, weil sie ihr ganzes Leben damit verbracht hat. Politik als eine ganz private Angelegenheit der Selbstverwirklichung. Einmal Funktionär, immer Funktionär.“

Einmal Funktionär, immer Funktionär – da trifft Markus Somm mittschiffs. Denn Funktionäre funktionieren in jedem System, den Wechsel vom einen ins andere hat sie gar nicht mitbekommen.