Tichys Einblick
Abkehr von Deutschland

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verkündet eine Renaissance der Kernenergie

Frankreich wendet sich energiepolitisch endgültig von Deutschland ab und setzt ganz und gar auf die Kernenergie. Was Präsident Emmanuel Macron als Plan "Frankreich 2030" verkündet, ist das Gegenmodell zum deutschen Atomausstieg in Europa.

Emmanuel Macron vor dem Elysée-Palast, 13. Oktober 2021

IMAGO / PanoramiC

„Atomkraft ist eine große Chance. Sie erlaubt uns, unter den EU-Ländern eines derjenigen zu sein, die am wenigsten Kohlenstoff ausstoßen“, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gestern in einer Rede im Elysée-Palast. Sie war nicht nur die Ankündigung eines großen Investitionspakets, sondern auch Macrons Auftakt für den Präsidentschaftswahlkampf.

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Frankreichs Regierung macht damit Atomkraft angesichts der steigenden Energiepreise sechs Monate vor der Präsidentenwahl zum zentralen Thema. Nachdem Finanzminister Bruno Le Maire in einem europaweit verbreiteten Zeitungsbeitrag schon ein Hohelied auf die Kernenergie sang gemeinsam mit Ministern anderer EU-Länder, hat nun Macron die Entwicklung kleiner modularer Atomkraftwerke (SMR) angekündigt – mit kürzeren Bauzeiten, noch mehr Sicherheit und neuer Technik zur Verringerung des Atommülls. Eine Milliarde Euro will die französische Regierung hierfür investieren.

Atomenergie ist nur ein Teil, allerdings der zentrale, eines umfassenden Innovationsplans „Frankreich 2030“ in Höhe von insgesamt 30 Milliarden Euro in den kommenden fünf Jahren. In einer Rede im Elysée-Palast sprach Macron davon, Frankreich wolle „wieder eine große Nation der Innovation werden“. Bezeichnenderweise sind die im Rahmen dieses Plans vorgesehenen staatlichen Investitionen für erneuerbare Energien nur halb so groß wie die für die Atomkraft.

Vier Milliarden Euro werden in die Mobilitätstechnik investiert. Schwerpunkt soll die Entwicklung eines Flugzeugs mit geringem CO2-Ausstoß sein. Die französische Autoindustrie soll in die Lage versetzt werden, zwei Millionen Autos mit Elektro- oder Hybrid-Antrieb bis 2030 zu produzieren. Außerdem sollen zwei große Produktionsstätten für grünen Wasserstoff entstehen. So werde man – dank Atomstrom – europäischer Marktführer für Wasserstoff werden.

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Für Deutschland bedeutet das: Die einzige nachvollziehbare Rechtfertigung für die „Energiewende“ ist sichtbar gescheitert. Die Vorbildfunktion des gleichzeitigen Ausstiegs aus Kern- und Kohlekraft, die der Welt ein Beispiel geben und zum Nachmachen anregen soll, zieht nicht einmal beim wichtigsten Nachbarn und Partner in der EU. Frankreich hat unter Macron damit sein Werben um einen gemeinsamen deutsch-französischen Weg in zentralen wirtschaftspolitischen Fragen aufgegeben. Vor der vergangenen Präsidentenwahl im Frühjahr 2017 war das noch ein zentrales Element in Macrons Wahlkampf. Jetzt demonstriert Frankreich der Welt und vor allem dem deutschen Nachbarn, dass es sich in der kombinierten Klimaschutz- und Energiepolitik deutschen Vorstellungen nicht anpassen, sondern in die Gegenrichtung marschieren wird.

Die Schrift auf dem Bildschirm im Elysée-Palast – „Atomkraft neu erfinden“ – ist auch eine Schrift an der Wand für Deutschland. Sie lautet: Ihr steht alleine da, auf Wiedersehen.

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